Entscheidungsstichwort (Thema)

Ernstliche Zweifel an der passiven Entstrickung von bisher zu einer inländischen Betriebsstätte einer dänischen KG gehörenden Wirtschaftsgütern in einem inländischen Windpark infolge der Änderung bzw. Neueinfügung von § 1 Abs. 4 bis 6 AStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.6.2013 § 1 AStG mit Wirkung zum 1.1.2013 und der daraus folgenden Zuordnung der Wirtschaftsgüter zur Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Dänemark

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Betreibt eine Kommanditgesellschaft, deren Kommanditanteile von einer dänischen KG gehalten werden und deren Komplementärin eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung dänischen Rechts ist, ohne eigene Mitarbeiter auf gepachtetem Grund im Inland Windenergieanlagen („Windpark”), so ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass es sich bei dem Windpark sowohl nach § 12 Satz 1 AO als auch nach Art. 5 Abs. 1 DBA-DK um eine inländische Betriebsstätte der KG bzw. von deren Gesellschaftern handelt, dass Deutschland für die Einkünfte dieser Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 1 DBA-DK und Art. 7 Abs. 2 DBA-DK das Besteuerungsrecht zusteht und dass die Wirtschaftsgüter des Windparks vor 2013 der deutschen Betriebsstätte zuzuordnen waren.

2. Es ist jedoch ernstlich zweifelhaft, ob die Wirtschaftsgüter dieser Betriebsstätte infolge der Neufassung bzw. der Neueinführung der Absätze 4 bis 6 in § 1 AStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.6.2013 mit Wirkung zum 1.1.2013 nunmehr der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Dänemark zuzuordnen sind und es dadurch zu einer fiktiven Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG kommt.

3. Ernstlich zweifelhaft ist auch, ob die Grundsätze zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach der Personalfunktion bei personallosen Betriebsstätten überhaupt anwendbar sind, ob § 4 Abs. 1 Satz 3 und § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG zur Anwendung kommt, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland durch rein staatliches Handeln ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (sog. passive Entstrickung) und ob § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; AStG 2013 § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 S. 3 Nrn. 1-2, Abs. 6; EStG § 4 Abs. 1 Sätze 3-4; DBA-DK Art. 5 Abs. 1; DBA-DK Art. 7 Abs. 1; AO § 12 S. 1; GewStG § 7 S. 1; BsGaV § 1 Abs. 2 Nrn. 1-2, §§ 5-8; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 24.11.2021; Aktenzeichen I B 44/21 (AdV))

 

Tenor

Die Vollziehung der Bescheide für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, den Gewerbesteuermessbetrag sowie des Bescheids über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 2013, alle vom 5. November 2020, wird bis einen Monat nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin ist eine im Jahr 2000 unter der Firma (…) gegründete Kommanditgesellschaft (Vertr. Bl. 2). Die Kommanditanteile werden seit 19. September 2007 von der (…), einer Kommanditgesellschaft dänischen Rechts, gehalten. Persönlich haftende Gesellschafterin, sowohl der Antragstellerin als auch der (…), ist G, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung dänischen Rechts. Die G ist nicht am Kapital der Antragstellerin beteiligt. Kommanditist der (…) war im Streitjahr A.

Die Antragstellerin betreibt seit dem Jahr 2011 auf gepachtetem Grund und Boden Windenergieanlagen, den sog. „Windpark (…)”. Die Windenergieanlagen sind mit dem Grund und Boden fest verbunden. Die Antragstellerin verfügt weder in Deutschland noch in Dänemark über eigene Mitarbeiter. Sowohl die technische als auch die kaufmännische Betriebsführung erfolgen aufgrund von Betriebsführungs- und Serviceverträgen durch zwei deutsche Service- bzw. Verwaltungsgesellschaften. Die Einkünfte für 2013, der Gewerbesteuermessbetrag und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2013 wurden zunächst erklärungsgemäß vom vormals zuständigen Finanzamt auf (…) EUR festgestellt bzw. festgesetzt. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO).

Nach vorheriger Anhörung der Antragstellerin erließ der Antragsgegner am 17. Dezember 2019 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils für 2013, sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2013, in denen der Antragsgegner die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf (…) EUR feststellte und den Gewerbesteuermessbetrag sowie den Gewerbeverlust entsprechend anpasste. Der Antragsgegner ging dabei davon aus, dass aufgrund der Änderungen und Ergänzungen des § 1 Abs. 4 bis 6 AStG alle Vermögensgegenstände, Schulden und Geschäftsvorfälle abweichend von den Vorjahren erstmals der Geschäftslei...

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