Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenständige Beurteilung der Sozialversicherungspflicht eines Beschäftigungsverhältnisses durch die Finanzbehörden. Arbeitnehmereigenschaft eines Gesellschafter-Geschäftsführers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Den Finanzbehörden obliegt eine eigenständige Beurteilung der Sozialversicherungspflicht eines Beschäftigungsverhältnisses. Es exisitiert keine gesetzliche Grundlage für eine etwaige Verpflichtung zur grundsätzlichen Beachtung von Entscheidungen der Sozialverwaltungsbehörden.

2. Ein zu nur 24 % an der GmbH beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer, der aufgrund eines Anstellungsvertrages für die Gesellschaft tätig wird und mangels Beteiligung an etwaigen Verlusten kein Unternehmerrisiko trägt, ist steuerrechtlich auch dann als Arbeitnehmer anzusehen, wenn er allein vertretungsberechtigt und vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit ist.

 

Normenkette

EStG 1997 § 3 Nr. 62; BGB § 181

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.01.2010; Aktenzeichen VI R 52/08)

 

Tenor

Der Haftungsbescheid vom 4. Juli 2001 und der Einspruchsbescheid vom 7. Oktober 2003 werden – soweit nicht in der heutigen mündlichen Verhandlung eine Rücknahme erfolgt ist – aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten nur noch über die Steuerfreiheit (§ 3 Nr. 62 EinkommensteuergesetzEStG –) von Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers zur Kranken- und Pflegeversicherung des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin.

Der Gesellschafter-Geschäftsführer war in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Zeit (Mai 1997 bis März 2001) zu 24 % am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Neben dem Gesellschafter-Geschäftsführer waren die in Z. wohnhafte Frau I. R. (mit 52 %) sowie deren in W. wohnhafte Tochter Frau G. R. (mit 24 %) am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Der Geschäftsführertätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers lag der Geschäftsführervertrag vom 02. Mai 1991 zugrunde; wegen des Inhalts dieses Vertrages wird auf die in den Akten des Beklagten (FA) befindliche Fotokopie des Vertrages Bezug genommen.

Offenbar in Anwendung von § 6 Absatz 1 Buchstabe b des erwähnten Vertrages zahlte die Klägerin dem Gesellschafter-Geschäftsführer in der Zeit vom 01. Mai 1997 bis 31. März 2001 Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 16.179,75 DM; die Klägerin behandelte diese Zuschüsse gemäß § 3 Nr. 62 EStG als steuerfrei. Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum vom 01. Mai 1997 bis zum 31. März 2001 gelangte die Prüferin u.a. zu der Auffassung, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer beherrschenden Einfluss auf die Klägerin habe und deswegen sozialversicherungsrechtlich nicht als Arbeitsnehmer anzusehen sei; die Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung des Gesellschafter-Geschäftsführers seien deswegen zu Unrecht steuerfrei behandelt worden. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung wird auf den in den Akten des FA befindlichen Bericht vom 05. Juni 2001 Bezug genommen. Das FA folgte den Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung – in dem hier in Rede stehenden Punkt sowie auch in den übrigen Punkten – in vollem Umfang und erließ gegenüber der Klägerin am 04. Juli 2001 einen Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 21.473,08 DM.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Im Laufe des Klageverfahrens hat der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2008 erklärt, er werde den angefochtenen Haftungsbescheid soweit zurücknehmen, als der Haftungsbetrag auf anderen Feststellungen – nämlich der Privatnutzung des der Klägerin gehörenden PKW Audi A 6 sowie auf der fehlenden Inanspruchnahme des Gesellschafter-Geschäftsführers für Lohnsteuern in Höhe von 16.789,– DM – beruhe. Insoweit haben die Prozessbeteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Im Übrigen hat die Klägerin zur Begründung der Klage im Wesentlichen vorgetragen, der Gesellschafter-Geschäftsführer sei während des hier in Rede stehenden Prüfungszeitraumes sozialversicherungsrechtlich als ihr Arbeitnehmer anzusehen. Zwar habe die Techniker Krankenkasse mit Schreiben vom 01. Juli 1994 sowie die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt mit Schreiben vom 24. Juli 1998 die Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers bei ihr, der Klägerin, als nicht sozialversicherungspflichtig eingestuft; diese Bescheide seien jedoch bisher nicht bestandskräftig geworden.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid über Lohnsteuer pp. vom 04. Juli 2001 und den Einspruchsbescheid vom 07. Oktober 2003 ersatzlos aufzuhebe...

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