rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzinsung einer Steuernachforderung auch bei von Finanzverwaltung verschuldetem verspäteten Ergehen eines Grundlagenbescheids. Berücksichtigung eines Verschuldens des Finanzamts an der Höhe von Nachforderungszinsen allenfalls im Billigkeitswege

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Muss der Einkommensteuerbescheid wegen des Ergehens eines geänderten Grundlagenbescheids mehr als vier Jahre nach Ablauf der Karenzzeit i. S. v. § 233a Abs. 2 AO geändert werden und kommt es dabei zu einer Steuererhöhung, so ist das Finanzamt auch dann zur Festsetzung von Nachforderungszinsen bzw. zur Änderung der bisherigen Zinsfestsetzung und zur Erhebung zusätzlicher Nachforderungszinsen verpflichtet, wenn dem für den Grundlagenbescheid zuständigen Finanzamt eine schuldhaft verzögerte Bearbeitungsweise bzw. -dauer anzulasten wäre. Weder der Grundsatz von Treu und Glauben noch verfassungsrechtliche Erwägungen schließen in diesem Fall die Festsetzung von Nachforderungszinsen aus.

2. Ein etwaiges Verschulden der Finanzbehörde im Hinblick auf eine überlange Bearbeitungsdauer bzw. die dadurch verlängerte Zinslaufspanne kann nicht im Rahmen der Anfechtung der Zinsfestsetzung, sondern allenfalls in einem gesonderten Billigkeitsverfahren nach den §§ 163, 227 AO berücksichtigt werden.

 

Normenkette

AO § 233a Abs. 2, 5 Sätze 1-3, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, §§ 163, 227; GG Art. 20 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 06.04.2009; Aktenzeichen X B 257/08)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer geänderten Zinsfestsetzung zur Einkommensteuer für 2001.

Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger erzielte im Veranlagungszeitraum 2001 gewerbliche Einkünfte aus einer Beteiligung an der A-KG (im Folgenden: KG), Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung. Aufgrund der beim Beklagten am 25. Februar 2003 eingegangenen gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 2001 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2001 mit unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 8. April 2003 zunächst auf 1.297.434,34 EUR (2.537.561,– DM) fest. Nach Anrechnung von Lohnsteuern in Höhe von 1.496.193 DM sowie Zinsabschlagsteuern in Höhe von 1.681,– DM betrug die Einkommensteuernachforderung 531.583,52 EUR. Eine Verzinsung dieser Nachforderung gemäß § 233 a AbgabenordnungAO – erfolgte zunächst nicht, weil die Karenzfrist des § 233 a Abs. 2 AO von 15 Monaten noch nicht abgelaufen war. Mit Bescheid vom 14. Juli 2004 korrigierte der Beklagte die Anrechnung wegen einer fehlerhaft zu hoch erfolgten Anrechnung von Lohnsteuern (vgl. Schreiben des Beklagten vom 18. Juni 2004, Bl. 112 ESt.-A.). Nach Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen (Lohnsteuer und Zinsabschlagsteuer) in Höhe von lediglich noch 1.003.168,– DM betrug die Einkommensteuernachforderung nach Abzug der von den Klägern bereits getilgten Einkommensteuerabschlusszahlung (531.583,52 EUR) noch 252.939,16 EUR. Gleichzeitig setzte der Beklagte in Bezug auf diesen Nachforderungsbetrag Zinsen nach § 233 a AO in Höhe von 18.967,– EUR (252.900,– EUR * 7,5 v.H.) fest. Gegen diese (erstmalige) Zinsfestsetzung vom 14. Juli 2007 legten die Kläger keinen Einspruch ein, so dass der Zinsbescheid Bestandskraft erlangte. Aufgrund einer geänderten Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte 2001 des für die KG zuständigen Finanzamtes B (Steuernummer: …, die beim Beklagten am 31. Mai 2007 einging (Bl. 221 ESt.-A.), betrug der dem Kläger zuzurechnende Verlustanteil 45.754,31 DM (statt bislang: ./. 47.039,– DM). Unter Berücksichtigung dieses geringeren Verlustanteils setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2001 mit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid vom 17. Juli 2007 auf 1.297.755,43 EUR (2.538.189,– DM) fest, sodass sich nach Abzug der unverändert gebliebenen Steuerabzugsbeträge und geleisteten Tilgungen eine Einkommensteuerabschlusszahlung in Höhe von 321,09 EUR ergab. Gleichzeitig änderte der Beklagte die Zinsfestsetzung und erhöhte den ursprünglich festgesetzten Zinsbetrag um 76,– EUR (300,– EUR * 25,5 v.H. für 51 Monate Zinslauf) auf nunmehr 19.043,– EUR.

Gegen die geänderte Zinsfestsetzung vom 17. Juli 2004 legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein und beantragten deren Aufhebung. Zur Begründung verwiesen sie darauf, die Vorschrift des § 233 a AO sei verfassungswidrig, jedenfalls sei die Vorschrift im Streitfall vom Beklagten nicht verfassungskonform ausgelegt worden. Vom Bürger Zinsen abzuverlangen, obgleich dieser sich in keiner Weise schuldhaft verhalten habe und keinen Grund für die verzögerte Bearbeitung durch die Finanzbehörde gesetzt habe, sei rechtsstaatswidrig und verletze das Grundgesetz – GG –.

Der Einspruch blieb erfolglos. Mit Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2007 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die ...

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