Entscheidungsstichwort (Thema)

Nach Ergehen der Einspruchsentscheidung, aber vor Ablauf der Klagefrist gestellter Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Werbungskostenabzug bei einem einheitlichen Gesamtkonzept zur Finanzierung von Sofortrentenversicherungen unter Einsatz fremdfinanzierter Lebensversicherungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein während der Klagefrist gestellter, auf § 172 Abs. 1 Sätze 1 Nr. 2 Buchst. a, Sätze 2 und 3 AO gegründeter Antrag auf Änderung einer Einspruchsentscheidung kann nicht zur nochmaligen vollständigen rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Bescheids führen, wenn die streitigen Tat- oder Rechtsfragen bereits Gegenstand der Einspruchsentscheidung waren (Anschluss an BFH-Beschluss v. 5.2.2010, VIII B 139/08).

2. Werden nach einem einheitlichen Gesamtkonzept Sofortrentenversicherungen gegen Leistung von durch Bankdarlehen finanzierten Einmalzahlungen sowie gleichzeitig Lebensversicherungen – ebenfalls gegen Leistung fremdfinanzierter Einmalzahlungen – abgeschlossen und sollen die Ablaufleistungen der Lebensversicherungen bei Fälligkeit zur Rückzahlung der Darlehen verwendet werden, so ist bei Bestehen einer Überschusserzielungsabsicht ungeachtet dessen ein voller Werbungskostenabzug für die gesamten Finanzierungsaufwendungen zulässig, dass die Erträge der Lebensversicherungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG ggf. (teilweise) steuerfrei sind (Übertragung der Rechtsprechung zum Werbungskostenabzug bei einem einheitlichen Gesamtkonzept zur Finanzierung der Anschaffungskosten einer Mietimmobilie mit Hilfe fremdfinanzierten Lebensversicherungen auf den Bereich der sonstigen Einkünfte).

 

Normenkette

AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, Sätze 2-3, § 348 Nr. 1; EStG 2009 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb, § 20 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 9 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.10.2020; Aktenzeichen VIII R 30/17)

 

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 19. September 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. September 2014 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 25. August 2015 wird dahingehend geändert, dass bei den sonstigen Einkünften gem. § 22 EStG weitere Werbungskosten i.H.v. 24.125 EUR berücksichtigt werden.

Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 22. Juli 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. September 2014 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 25. August 2015 wird dahingehend geändert, dass bei den sonstigen Einkünften gem. § 22 EStG weitere Werbungskosten i.H.v. 25.379 EUR berücksichtigt werden.

Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 40 % den Klägern und zu 60 % dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Kläger schlossen in den Jahren 1998, 1999 und 2000 Verträge über drei Rentenversicherungen ab. Hierbei handelte es sich um Sofortrentenversicherungen, die gegen Leistung von Einmalzahlungen abgeschlossen wurden. Gleichzeitig wurden vier Tilgungsversicherungen gegen Einmalzahlung abgeschlossen, deren Ablaufleistungen bei Fälligkeit zur Rückzahlung der Darlehen verwendet werden sollten. Bei den Tilgungsversicherungen handelte es sich um Lebensversicherungen, die als Versicherungsfall den Tod der Kläger bestimmten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Lebensversicherungsverträge wird auf Bl. 75 der der Gerichtsakte beiliegenden Einkommensteuerakte (VZ 2009) verwiesen. Die Einmalzahlungen wurden durch Bankdarlehen und Eigenkapitalanteil finanziert. Hierzu wurden Festdarlehen mit Tilgungsaussetzung aufgenommen. Zur Sicherung der Bankdarlehen wurden die Ansprüche aus den Rentenversicherungen und den Tilgungsversicherungen an die Bank abgetreten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Darlehensverträge wird auf Bl. 109ff. der Einkommensteuerakte (Band III) verwiesen.

Die Kläger machten die ihnen aus den Darlehensverträgen entstandenen Refinanzierungskosten in Höhe von insgesamt 63.561 EUR (2009), 40.584 EUR (2010) sowie 42.710 EUR (2011) als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften geltend. Der Beklagte berücksichtigte in den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheiden die geltend gemachten Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften nur anteilig, so dass statt der erklärten Refinanzierungskosten lediglich 20.560 EUR (2009), 16.459 EUR (2010) sowie 17.331 EUR (2011) zum Ansatz kamen. Die Berücksichtigung der übrigen Werbungskosten versagte der Beklagte mit der Begründung, dass die Kläger Einkünfte aus den Rentenversicherungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG erzielten, aber auch Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG aus ...

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