Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzweigung von Kindergeld an den Träger der Jugendhilfe. Berechnung des auf das betreute Kind entfallenden Kindergeldbetrags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden Leistungen der Jugendhilfe über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbracht und bezieht einer der Elternteile Kindergeld, hat dieser gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII einen Kostenbeitrag mindestens i. H. des Kindergelds zu zahlen. Zahlt der Elternteil diesen Kostenbeitrag nicht, so ist der Träger der Jugendhilfe insoweit berechtigt, das auf dieses Kind entfallende Kindergeld durch Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 74 Abs. 2 EStG in Anspruch zu nehmen.

2. Für die Höhe der Abzweigung ist nicht der Betrag maßgeblich, der sich gemäß § 66 Abs. 1 EStG für das jeweilige Kind als Zahlkind ergibt, sondern der Betrag nach Aufteilung des Gesamtkindergeldanspruchs nach Kopfteilen der Zahlkinder gemäß der für die Pfändung von Kindergeldansprüchen geltenden Regelung des § 76 Satz 2 Nr.1 EStG.

 

Normenkette

EStG 2002 § 74 Abs. 2, 1 S. 2, § 76 S. 2 Nr. 1, § 66 Abs. 1; SGB X § 104 Abs. 1 S. 4; SGB VIII § 94 Abs. 3 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.04.2010; Aktenzeichen III R 44/08)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beigeladene, ein türkischer Staatsangehöriger, ist Vater von 7 Kindern, von denen im Jahr 2006 die beiden Töchter X. und Y. in Deutschland lebten und die drei anderen Kinder B., C. und D. in der Türkei. Da der Beigeladene ab Juni 2006 erneut eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit aufnahm, setzte die Beklagte für die Zeit ab Juni 2006 Kindergeld wie folgt fest:

für X.

154,00 EUR,

für B.

12,78 EUR,

für Y.

154,00 EUR,

für C.

30,68 EUR und

für D.

35,79 EUR.

Bei den Beträgen für die Kinder B., C. und D. handelte es sich um Kindergeld nach dem deutsch-türkischen Abkommen über soziale Sicherheit, bei den Beträgen für die Kinder X. und Y. um Kindergeld in der gesetzlichen Höhe gemäß § 66 Abs. 1 EStG. Der gesamte Kindergeldanspruch belief sich auf 387,25 EUR monatlich.

Der Kläger gewährte für das Kind Y. seit dem 19. April 2006 Jugendhilfe in Form von Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII und zog den Beigeladenen durch Bescheid vom 8. Mai 2006 mit Wirkung vom 12. Mai 2006 zu einem monatlichen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes von 154,00 EUR heran, den er als kindergeldberechtigter Elternteil gemäß § 94 Abs. 3 SGB VIII zu leisten habe. Wegen der seit dieser Zeit auch für das Kind X. geleisteten Jugendhilfe in Form von Betreutem Wohnen gemäß § 34 SGB VIII zog der Kläger den Beigeladenen mit weiterem Bescheid vom 8. Mai 2006 zur Zahlung mit Wirkung vom 12. Mai 2006 ebenfalls zu einem monatlichen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes von 154,00 EUR heran. Soweit ersichtlich und in Bezug auf das Kind Y. ausdrücklich vorgetragen, wurden die verlangten Kostenbeiträge nicht geleistet.

Mit Schreiben vom 24./26. Mai 2006 meldete der Kläger bei der Beklagten gem. § 104 SGB X einen „Erstattungsanspruch gem. § 74/2 SGB VIII” an und bat unter Bezugnahme auf die gegen den Beigeladenen ergangenen Leistungsbescheide, wegen der seit dem 20. April 2006 geleisteten Jugendhilfe gem. § 27 bzw. § 41 i. V. m. § 34 SGB VIII laufendes Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR je Kind zu überweisen. Mit Bescheid vom 6. Juni 2006 teilte die Beklagte daraufhin dem Beigeladenen mit, sein Anspruch auf Kindergeld gelte wegen des dem Kläger ab Juni 2006 zustehenden Erstattungsanspruchs für das Kind Y. gemäß § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 107 SGB X als erfüllt. Eine Abschrift hiervon erhielt der Kläger.

Mit an den Beigeladenen gerichtetem Bescheid vom 7. August 2006 ordnete die Beklagte die Abzweigung von Kindergeld an den Kläger aus dem Kindergeldanspruch für das Kind X. ab Juni 2006 in Höhe von 77,45 EUR an, weil der Beigeladene dem Kind keinen Unterhalt gewähre. Der auf das Kind entfallende Betrag errechne sich gemäß § 74 Abs. 1 EStG i.V.m. § 76 EStG in der Weise, dass der gesamte Kindergeldbetrag durch die Anzahl der Kinder geteilt werde. Mit weiterem Bescheid vom selben Tage teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seinem „Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes vom 26. Mai 2006 entsprochen” werde. Dem Kläger stehe von April bis Mai 2006 ein Abzweigungsbetrag in Höhe von 154,00 EUR monatlich aus dem Kindergeldanspruch des Beigeladenen betreffend das Kind X. zu und ab Juni 2006 in Höhe von 77,45 EUR. Da ab Juni 2006 beim Kindergeldanspruch des Beigeladenen drei in der Türkei lebende Kinder zu berücksichtigen seien, betrage der gesamte Kindergeldanspruch ab dann 387,25 EUR. Geteilt durch die Anzahl der Kinder belaufe sich der Abzweigungsbetrag für X. ab Juni 2006 auf 77,45 EUR. Hieraus ergebe sich für den Kläger ein Nachzahlungsbetrag bezüglich des Kindes X. in Höhe von 462,90 EUR. Mit diesem Betrag sei jedoch ein überzahlter Betrag in Höhe von 153,00 EUR (richtig wohl 153,10 EUR) ...

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