Entscheidungsstichwort (Thema)

Einspruch gegen die Ablehnung von Kostenerstattung im Einspruchsverfahren gegen den Kindergeldbescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Kostenentscheidung der Familienkasse im Einspruchsverfahren ist mit dem Einspruch anfechtbar.

2. Dies gilt auch dann, wenn die Kostenentscheidung mit der Einspruchsentscheidung äußerlich in einem Bescheid verbunden wird.

3. Die Familienkasse hat im Falle des Obsiegens des Kindergeldberechtigten die Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten in Steuersachen zu erstatten, wenn dessen Hinzuziehung notwendig war und die Aufwendungen nicht durch das Verschulden des Kindergeldberechtigten entstanden sind.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Einspruchsverfahren ist notwendig, wenn dem Verfahren ein Sachverhalt zugrunde lag, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war.

 

Normenkette

EStG § 77; AO § 348 Nr. 1, § 118

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.05.2015; Aktenzeichen III R 8/14)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Kostenentscheidung in der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2012 verpflichtet, dem Kläger 1/3 der in dem Einspruchsverfahren 681FK018329 – E 1727/11 entstanden Aufwendungen sowie 1/3 der Gebühren und Auslagen seines Bevollmächtigten zu erstatten.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Aufwendungen nach § 77 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Beklagte (die Familienkasse) lehnte mit Bescheid vom 25. Februar 2011 den Antrag des Klägers auf Kindergeld ab September 2009 ab. Die Entscheidung begründete sie mit nicht vollständig vorgelegten Unterlagen.

Hiergegen legte der Kläger am 15. März 2011 Einspruch ein, da die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld ab September 2009 erfüllt seien. Die Familienkasse änderte daraufhin den angefochtenen Bescheid durch Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011 dahingehend ab, dass Kindergeld für die Kinder T 1 und T 2 von September 2008 bis März 2009 sowie von November 2009 bis April 2010 unter dem Vorbehalt der Rückforderung festgesetzt wurde und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung wurde gleichzeitig entschieden, dass die dem Kläger im Rechtsbehelfsverfahren gegebenenfalls entstandenen Aufwendungen nicht übernommen werden und die Kostenentscheidung auf § 77 EStG beruht. Eine sachliche Begründung zur Ablehnung der Kostenübernahme fehlt. Die Einspruchsentscheidung enthält die einheitliche Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen diese Entscheidung beim Finanzgericht Baden-Württemberg Klage erhoben werden kann.

Am 16. August 2011 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers „gegen die Kostenentscheidung der Familienkasse im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011 Einspruch ein”. Es werde beantragt, die dem Kläger im Rechtsbehelfsverfahren entstandenen Kosten zu 1/3 der Bundesagentur für Arbeit aufzuerlegen und die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Hierauf erwiderte die Familienkasse mit Schreiben vom 6. September 2011, dass gegen die Einspruchsentscheidung auch bezüglich der Kostenentscheidung – wie aus der Rechtsbehelfsbelehrung zu entnehmen sei – nur die Klage zulässig sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2012 verwarf die Familienkasse den Einspruch als unzulässig.

Hiergegen hat der Kläger am 3. Februar 2012 Klage beim Finanzgericht BadenWürttemberg erhoben. Er wendet sich ausschließlich gegen die Kostenentscheidung in der Einspruchsentscheidung. Die Klage sei nach der Literaturauffassung zulässig. Zur Sache trägt er vor, dass er im Verwaltungsverfahren keine Unterlagen verspätet vorgelegt habe. Er habe sich aufgrund eines Schreibens der Familienkasse X vom 5. November 2010 mit der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg in Verbindung gesetzt und alle Auskünfte dorthin erteilt. Die Unterlagen seien dort auf telefonische Aufforderung mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 unter dem Namen der Lebensgefährtin eingereicht worden. Diese Vorgehensweise habe er auch mit der Familienkasse Y telefonisch abgesprochen.

Der Kläger beantragt,

die Kostenentscheidung der Beklagten in der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, im Rahmen der Kostenentscheidung die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären und die dem Kläger bei der Erstattung des Kindergeldes entstandenen Gebühren als erstattungsfähig festzusetzen.

Die Familienkasse beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt zur Zulässigkeit der Klage vor, dass die Kostenentscheidung in der Ei...

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