Leitsatz

Die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Ehepaares mit drei Kindern durch den Grundfreibetrag, die Kinderfreibeträge und den Betreuungsbedarf in den Jahren 2000 bis 2004 begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Sachverhalt

Nach Auffassung der Kläger liegt die Höhe des Existenzminimum einer Familie mit drei Kindern nach ihren Berechnungen unter Berücksichtigung der Leistungen, die der Sozialhilfeträger an gesetzliche Krankenkassen gezahlt hätte, im Jahr 2004 bei 32.692 EUR. Ihre Berechnungen gingen auf die grundlegende Betrachtung zurück, dass zunächst das Existenzminimum, wie vom BVerfG postuliert, steuerlich freigestellt werden müsse. Das BVerfG habe mit Urteil vom 29.6.1990 (BVerfGE 82, 60) Leitlinien für eine familiengerechte Gestaltung aufgestellt. Der steuerrechtliche Grundsatz der Leistungsfähigkeit gelte auch für die Erziehung von Kindern. Daher müsse das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des FG wird das Existenzminimum von Kindern einschließlich des Bedarfs für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung gemäß § 31 EStG durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld freigestellt. Das steuerliche Existenzminimum, welches als Grund- bzw. Kinderfreibetrag von der Steuer freigestellt ist, darf nach der Rechtsprechung des BVerfG die Regelsätze der Sozialhilfe nicht unterschreiten. Diesen Vorgaben genügen die Freibeträge der streitgegenständlichen Jahre. Hinsichtlich des Kindergeldes bzw. der Kinderfreibeträge ist dem in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Sozialstaatsprinzip i.V.m. Art. 6 GG nicht das Gebot zu entnehmen, Sozialleistungen in einer bestimmten Weise und einem bestimmten Umfang zu gewähren und jegliche die Familien treffenden Belastungen durch steuerliche Freistellung auszugleichen (vgl. BFH, Urteil v. 11.3.2003, VIII R 76/02, BFH/NV 2003 S. 1303).

 

Hinweis

Da gegen das Urteil des FG Revision eingelegt wurde, muss der BFH im Verfahren III R 1/09 die Frage klären, ob verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Umfang der derzeitigen steuerlichen Freistellung des Existenzminimums von Familien mit Kindern bestehen.

Wichtig! Auch wenn die Einkommensteuer-Bescheide der Jahre ab 2001 neuerdings wieder wegen der Höhe der kindbezogenen Freibeträge vorläufig nach § 165 AO ergehen (Vorläufigkeitsvermerk Nr. 7) ist wegen des vorstehenden Verfahrens beim BFH Einspruch und Ruhen des Verfahrens bei allen noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuer-Bescheiden der Jahre ab 2000 geboten, da auch der neu gefasste Vorläufigkeitsvermerk keinen ausreichenden Rechtsschutz bietet und wegen dieser Frage noch das Verfahren III R 39/08 beim BFH anhängig ist. Zur weiteren Begründung der Einsprüche sollte auch auf die Verfahren beim BVerfG 1 BvL 01/09, 1 BvL 03/09 und 1 BvL 04/09 hingewiesen werden. In diesen Verfahren muss sich das BVerfG erneut mit der Frage der Höhe des Existenzminimums befassen, nachdem sowohl das Bundessozialgericht als auch das Hessische Landessozialgericht verfassungsrechtliche Bedenken an der Höhe der Regelleistungen aus Hartz IV geäußert haben. Die Verfahren sind auch für die ESt von Bedeutung, da das Steuerrecht hinsichtlich der Höhe des Existenzminimums als Grundlage die sozialrechtlichen Beträge als Maßstab zu berücksichtigen hat.

 

Link zur Entscheidung

Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 04.12.2008, 3 K 28/06

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