Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der Begriff "Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der 6. EG-RL dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel "zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die – durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise – zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind?

2. Falls "Nahrungsmittel" i.S.d. Anhangs H Kategorie 1 der 6. EG-RL auch Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr sind:

Ist der Vorgang der Zubereitung der Speisen oder Mahlzeiten als Dienstleistungselement zu berücksichtigen, wenn zu entscheiden ist, ob die einheitliche Leistung eines Partyservice-Unternehmens (Überlassung von verzehrfertigen Speisen oder Mahlzeiten sowie deren Transport und gegebenenfalls Überlassung von Besteck und Geschirr und/oder von Stehtischen sowie das Abholen der zur Nutzung überlassenen Gegenstände) als steuerbegünstigte Lieferung von Nahrungsmitteln (Anhang H Kategorie 1 der 6. EG-RL) oder als nicht steuerbegünstigte Dienstleistung (Art. 6 Abs. 1 der 6. EG-RL) zu qualifizieren ist?

3. Falls die Frage zu 2 verneint wird:

Ist es mit Art. 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der 6. EG-RL vereinbar, bei der Qualifizierung der einheitlichen Leistung eines Partyservice-Unternehmens entweder als Warenlieferung oder als Dienstleistung eigener Art typisierend allein auf die Anzahl der Elemente mit Dienstleistungscharakter (zwei oder mehr) gegenüber dem Lieferungsanteil abzustellen oder sind die Elemente mit Dienstleistungscharakter unabhängig von ihrer Zahl zwingend – und bejahendenfalls nach welchen Merkmalen – zu gewichten?

 

Normenkette

§ 12 Abs. 2 Nr. 1, § 3 Abs. 1 und 9, Nrn. 28, 31, 32, 33 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 S. 1, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a, Anhang H Kategorie 1 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb eine Fleischerei und einen Partyservice. Sie überließ ihren Kunden auf Wunsch zusätzlich zu den Speisen auch Geschirr und Besteck, Stehtische und Personal.

Sie unterwarf im Streitjahr 2000 die Speisen dem ermäßigten Steuersatz und ihre übrigen Leistungen dem Regelsteuersatz.

Das FA nahm in den Fällen, in denen die Klägerin neben den Speisen auch Besteck, Geschirr, Stehtische oder Personal überlassen hatte, eine einheitliche Leistung an und wandte auf diese den Regelsteuersatz an.

Das FG Münster wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 16.01.2007, 15 K 2797/04 U, Haufe-Index 2198578).

 

Entscheidung

Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die im Leitsatz aufgeführten Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1. Der EuGH hat in dem Urteil vom 02.05.1996, C-231/94, "Faaborg-Gelting Linien" (Haufe-Index 60635, BStBl II 1998, 282) Restaurationsumsätze in Form der Abgabe von Mahlzeiten zum Verzehr an Bord von Fährschiffen als einheitliche Dienstleistung qualifiziert. Die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr sei das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen (Rd.Nr. 13).

Diese Dienstleistung unterliegt in Deutschland – anders als in anderen Mitgliedstaaten – nicht einem ermäßigten, sondern dem Regelsteuersatz (§ 12 Nr. 1 UStG).

Unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH hat der BFH die Leistungen eines Partyservice-Unternehmens dann, wenn zusätzlich zu den zubereiteten Speisen Geschirr und Besteck überlassen und anschließend gereinigt wurden, als einheitliche Leistung behandelt und diese als dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung beurteilt (BFH, Urteil vom 18.12.2008, V R 55/06, BFH/NV 2009, 673, BFH/PR 2009, 183). Er hat dabei die Zubereitung der Speisen als Dienstleistungselement von erheblichem Gewicht gewürdigt.

Der XI. Senat des BFH hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (BFH, Urteil vom 01.04.2009, XI R 3/08, BFH/NV 2009, 1469).

2. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen. Es ist dagegen eingewandt worden, die Zubereitung sei nicht als Dienstleistungselement zu berücksichtigen, weil eine Lieferung auch dann angenommen werde, wenn Gegenstände für den Abnehmer hergestellt oder angefertigt würden (z.B. ein Schmuckstück durch einen Goldschmied). Das Dienstleistungselement gehe jeweils in das fertige Werk ein, das dem Abnehmer überlassen werde. Deshalb könnten nur solche Dienstleistungen des Unternehmers, die zusätzlich zu der Überlassung der Speisen erbracht würden, dazu führen, dass im Rahmen einer Gesamtwürdigung des komplexen Vorgangs insgesamt eine Dienstleistung vorliege (vgl. Lippross, DStR 2009, 1466).

Der Vorlagebeschluss soll die Frage klären, wo bei der Überlassung von Speisen außerhalb von Restaurants oder Gaststätten die Grenze zwischen sonstigen Leistungen und Lieferungen verläuft.

3. Dabei ist davon auszugehen, dass im Einklang mit der bisherigen Rechtsauffassung des BFH das Partyservice-Unternehmen an den jeweiligen Ku...

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