Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug. Vorsteuerberichtigung. Immobilienveräußerung. Sale-and-Lease-Back bei Immobilien

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vorbehaltlich einer Überprüfung der relevanten tatsächlichen Umstände und des einschlägigen nationalen Rechts durch das vorlegende Gericht sind die Art. 184, 185, 187 und 188 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2009/162/EU des Rates vom 22. Dezember 2009 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass keine Berichtigung der Mehrwertsteuer auf ein Gebäude, die ursprünglich ordnungsgemäß abgezogen wurde, vorzunehmen ist, wenn dieses Gut Gegenstand eines „Sale-and-Lease-Back”-Umsatzes (Veräußerung und Rückverpachtung) war, der unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht der Mehrwertsteuer unterlag.

2. Eine Auslegung der Art. 184, 185, 187 und 188 der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2009/162 geänderten Fassung dahin, dass unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden eine Berichtigung der ursprünglich abgezogenen Vorsteuer vorzunehmen ist, steht mit den Grundsätzen der Neutralität der Mehrwertsteuer und der Gleichbehandlung im Einklang.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 184-185, 187-188

 

Beteiligte

Mydibel SA

État Belge

 

Verfahrensgang

Cour d' appel de Mons (Belgien) (Beschluss vom 09.03.2018; Abl.EU 2018, Nr. C 182/15)

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d'appel de Mons (Appellationsgericht Mons, Belgien) mit Entscheidung vom 9. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 19. März 2018, in dem Verfahren

Mydibel SA

gegen

État belge

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda (Berichterstatter) und P. G. Xuereb,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Mydibel SA, vertreten durch W. Huber, avocat,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux, P. Cottin und C. Pochet als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaite und N. Gossement als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 14, 15, 168, 184, 185, 187 und 188 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2009/162/EU des Rates vom 22. Dezember 2009 (ABl. 2010, L 10, S. 14) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sowie der Grundsätze der Neutralität der Mehrwertsteuer und der Gleichbehandlung.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Mydibel SA und dem État belge (Belgischer Staat) wegen der Berichtigung eines Mehrwertsteuerabzugs.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 14 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„(1) Als ‚Lieferung von Gegenständen’ gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

(2) Neben dem in Absatz 1 genannten Umsatz gelten folgende Umsätze als Lieferung von Gegenständen:

  1. die Übertragung des Eigentums an einem Gegenstand gegen Zahlung einer Entschädigung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes;
  2. die Übergabe eines Gegenstands auf Grund eines Vertrags, der die Vermietung eines Gegenstands während eines bestimmten Zeitraums oder den Ratenverkauf eines Gegenstands vorsieht, der regelmäßig die Klausel enthält, dass das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird;
  3. die Übertragung eines Gegenstands auf Grund eines Vertrags über eine Einkaufs- oder Verkaufskommission.

(3) Die Mitgliedstaaten können die Erbringung bestimmter Bauleistungen als Lieferung von Gegenständen betrachten.”

Rz. 4

Art. 15 der Richtlinie bestimmt:

„(1) Einem körperlichen Gegenstand gleichgestellt sind Elektrizität, Gas, Wärme oder Kälte und ähnliche Sachen.

(2) Die Mitgliedstaaten können als körperlichen Gegenstand betrachten:

  1. bestimmte Rechte an Grundstücken;
  2. dingliche Rechte, die ihrem Inhaber ein Nutzungsrecht an Grundstücken geben;
  3. Anteilrechte und Aktien, deren Besitz rechtlich oder tatsächlich das Eigentums- oder Nutzungsrecht an einem Grundstück oder Grundstücksteil begründet.”

Rz. 5

Art. 168 der Richtlinie lautet:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

  1. die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;
  2. die Mehrwertste...

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