Leitsatz

1. Vorauszahlungen auf die ESt sind grundsätzlich in vier gleich großen Teilbeträgen zu leisten. Eine Ausnahme hiervon kommt insbesondere nicht in Betracht, soweit der Steuerpflichtige geltend macht, der Gewinn des laufenden Veranlagungszeitraums entstehe nicht gleichmäßig.

2. Das geltende Vorauszahlungssystem ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

§ 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG, § 124 Abs. 2 AO, § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO

 

Sachverhalt

Ein Rechtsanwalt wandte sich gegen die gleichmäßige Festsetzung seiner ESt-Vorauszahlungen mit der Behauptung, seine Kanzlei erziele regelmäßig nur etwa 30 % ihres Gewinns im ersten Halbjahr. Er könne deshalb nicht verpflichtet sein, bis zum 10.6. 50 % der Steuern auf den voraussichtlichen Jahresgewinn zu entrichten. Ebenso könne er nicht verpflichtet sein, am 10.3. mehr Steuern zu zahlen, als anteilig auf die ersten beiden Monate des Jahres entfielen. Das FA hat eine ungleichmäßige Verteilung der Vorauszahlungen abgelehnt.

Das FG hat die Klage abgewiesen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.7.2008, 5 K 1521/08, Haufe-Index 2158619, EFG 2009, 1389).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Klägers aus den Gründen der Praxis-Hinweise zurück.

 

Hinweis

1. Man ist daran gewöhnt, dass die Vorauszahlungen auf die ESt grundsätzlich in vier gleichen Teilbeträgen entrichtet werden. Was ist aber, wenn die Einkünfte im Laufe des Jahres so ungleichmäßig entstehen, dass für einzelne Vorauszahlungen keine ausreichenden Mittel vorhanden sind? Dann kann durchaus Anlass bestehen, die Grundregel der gleichmäßigen Verteilung der Vorauszahlungen infrage zu stellen.

2. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Steuerpflichtige am 10.3., 10.6., 10.9. und 10.12. Vorauszahlungen auf die ESt zu entrichten, die er für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird. Die Vorauszahlungen bemessen sich grundsätzlich nach der ESt, die sich (...) bei der letzten Veranlagung ergeben hat (§ 37 Abs. 3 Satz 2 EStG). Das FA kann (...) die Vorauszahlungen an die ESt anpassen, die sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird (§ 37 Abs. 3 Satz 3 EStG). Die beiden in § 37 EStG vorgesehenen Bemessungsgrundlagen bestimmen nur die für den jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt zu entrichtende Summe der Vorauszahlungen. Die Vorschrift enthält indes keine ausdrückliche Bestimmung, nach welchem Maßstab die insgesamt zu entrichtenden Vorauszahlungen auf die einzelnen Termine zu verteilen sind. Die Vorschrift ist daher auslegungsbedürftig.

3. Die Auslegung ergibt, dass die insgesamt zu entrichtenden Vorauszahlungen grundsätzlich in gleich hohen Teilbeträgen festzusetzen sind. Eine Ausnahme hiervon kommt insbesondere nicht in Betracht, soweit der Steuerpflichtige geltend macht, der Gewinn des laufenden Veranlagungszeitraums entstehe nicht gleichmäßig.

a) Für die Festsetzung von jeweils gleich hohen Teilbeträgen spricht die historische Rechtsentwicklung. § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG 1934 lautete: "Jede Vorauszahlung beträgt ein Viertel der zuletzt veranlagten ESt." Eine entsprechende Regelung war bereits in § 95 Satz 1 EStG 1925 enthalten. Diese Vorschrift ist zwar später gestrichen worden, aber ohne ersichtlichen Grund. Auch im zeitgenössischen Schrifttum wurde nach der Streichung von § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG 1934 nicht infrage gestellt, dass die Vorauszahlungen grundsätzlich in vier gleich hohen Teilbeträgen zu leisten seien (vgl. Blümich, EStG, 5. Aufl. 1943, § 35 Anm. 3).
b) Wie die historische Entwicklung zeigt, hat der Gesetzgeber sich bewusst für ein Vorauszahlungssystem entschieden, das aus Vereinfachungsgründen ohne unterjährige Ermittlungen des Einkommens auskommt. Systemkonform ist allein ein rechnerischer Aufteilungsmaßstab, der ohne tatsächliche Ermittlungen im Einzelfall angewandt werden kann.

Die Bemessung der Vorauszahlungen nach materiellen Kriterien, z.B. des zeitanteilig bis zum Vorauszahlungstermin verwirklichten Zuwachses an finanzieller Leistungsfähigkeit, würde nicht nur von der Finanzverwaltung, sondern auch vom Steuerpflichtigen einen erheblichen Mehraufwand erfordern. Selbst wenn eine abweichende Festsetzung nur in Ausnahmefällen und auf begründeten Antrag hin vorzunehmen wäre, müssten konkrete Maßstäbe für die unterjährige Einkommensermittlung, die Anforderungen an die Dokumentation und die Verifikation des Erklärten geschaffen werden, um auch in diesem Fall den gleichmäßigen Vollzug des Gesetzes zu gewährleisten.

c) Das geltende Vorauszahlungssystem ist auch nicht verfassungswidrig. Es greift weder unverhältnismäßig in grundrechtlich geschützte Positionen ein noch verstößt es gegen das Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Das gilt zunächst für die im System angelegte und vom Gesetzgeber gewollte Nichtberücksichtigung der unterjährigen Leistungsfähigkeit. Ihr steht zum ­einen der Vorteil erheblicher Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Steuerpflichtigen gegenüber. Unverhältnismäßig hohe Vorauszahlungen werden außerdem durch die Mögl...

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