Leitsatz

Art. 33 der 6. EG-RL ist dahin gehend auszulegen, dass er einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, beim Erwerb eines noch unbebauten Grundstücks künftige Bauleistungen in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung von Verkehrssteuern wie die "GrESt" des deutschen Rechts einzubeziehen und somit einen nach der 6. EG-RL der Mehrwertsteuer unterliegenden Vorgang zusätzlich mit diesen weiteren Steuern zu belegen, sofern diese nicht den Charakter von USt haben.

 

Normenkette

Art. 33 der 6. EG-RL, Art. 401 MwStSystRL

 

Sachverhalt

Eheleute schlossen im Dezember 2004 zunächst einen Bauvertrag mit einem Bauunternehmen und sodann einen Kaufvertrag über ein unbebautes Grundstück mit einer Grundstücksgesellschaft. Der Gesellschafter-Geschäftsführer des Bauunternehmens war zugleich Gesellschafter der Grundstücksveräußerin. Nach der Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand haben die Eheleute ein Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude erworben, sodass neben dem Grundstückskaufpreis auch die Vergütung der Bauleistungen in die Bemessungsgrundlage für die GrESt eingeht.

In der dadurch bewirkten Erhebung von GrESt auf umsatzsteuerpflichtige Bauleistungen sah das Niedersächsische FG einen Verstoß gegen das europäische "USt-Mehrfachbelastungsverbot" und rief daher den EuGH an (Niedersächsisches FG, Beschluss vom 02.04.2008, 7 K 333/06, Haufe-Index 1993091, EFG 2008, 975).

 

Entscheidung

Der EuGH machte von Art. 104 Abs. 3 seiner Verfahrensordnung Gebrauch, wonach er durch Beschluss entscheiden kann, wenn eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage offensichtlich mit einer Frage übereinstimmt, über die er bereits entschieden hat, und entschied mit dem als Leitsatz wiedergegebenen Tenor.

 

Hinweis

Wie nicht anders zu erwarten, hat der EuGH der deutschen GrESt auf die umsatzsteuerpflichtigen Bauleistungen, die in den einheitlichen Erwerbsgegenstand "Grundstück mit von der Veräußererseite noch zu errichtendem Gebäude" eingegangen sind, keinen USt-Charakter beigemessen. Er hat dabei betont, dass der Streitfall, der zu der Vorabanfrage geführt hat, noch unter die 6. EG-RL fällt, aber zu erkennen gegeben, dass die Anfrage unter der Geltung des Art. 401 MwStSystRL (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) nicht anders zu beantworten gewesen wäre.

Der EuGH weist darauf hin, die vorgelagerte Rechtsfrage bereits mit seinem Urteil vom 08.07.1986, "Kerutt" (73/85, Slg. 1986, 2219) beantwortet zu haben, und vermag der nochmaligen Vorabanfrage des Niedersächsischen FG keinen neuen Aspekt abzugewinnen. Wie damals ist auch diesmal der Charakter einer USt zu verneinen, weil es an den wesentlichen Merkmalen einer Mehrwertsteuer fehlt. Es mangelt an der allgemeinen Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände oder Dienstleistungen beziehenden Geschäfte, weil die GrESt nur entgeltlich übereignete unbewegliche Sachen betrifft, deren Übertragung mit einer Reihe von Formalitäten verbunden ist, und somit nicht darauf abzielt, die Gesamtheit der wirtschaftlichen Vorgänge zu erfassen. Außerdem wird die GrESt nicht im Rahmen eines Produktions- oder Vertriebsprozesses erhoben, bei dem auf jeder Stufe die auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge abgezogen werden können.

Noch zweierlei sei angemerkt: Die Sachverhalte, die der Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand zugrunde liegen, sind gerade nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen die Erwerber zunächst ein unbebautes Grundstück erwerben und dieses dann "in eigener Regie" bebauen, sondern mit den Fällen, in denen die Erwerber ein Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude in schlüsselfertigem Zustand erwerben. In diesen Fällen ist die USt auf die Bauleistungen in den grunderwerbsteuerpflichtigen Kaufpreis für die Immobilie ebenfalls eingepreist. Ein solcher Erwerb eines Grundstücks mit schlüsselfertigem Gebäude ist in allen Fällen, auf die die Grundsätze zum einheitlichen Erwerbsgegenstand anwendbar sind, erkennbar, auch wenn der Vorgang mehr oder weniger künstlich zerlegt worden ist.

Es trifft auch nicht zu, dass die Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand nicht mit dem Zivilrecht vereinbar sei. Nicht von ungefähr haben die Zivilgerichte dort, wo ihre Fragestellungen eine besondere Nähe zu denjenigen der GrESt haben, zu ähnlichen Ergebnissen gefunden. Vor der Schuldrechtsreform haben sie in Fällen, die grunderwerbsteuerrechtlich den Grundsätzen zum einheitlichen Erwerbsgegenstand unterlagen, dann, wenn über Gewährleistungsansprüche bezüglich der Bauleistungen zu befinden war, Werkvertragsrecht angewandt und dabei in BGHZ 60, 362 folgender Satz aufgestellt.

"Für die Sachmängelhaftung kann es keinen Unterschied machen, ob man zuerst das Grundstück erwirbt und sich dann aufgrund eines weiteren Werkvertrags vom Veräußerer darauf ein Haus errichten lässt, oder ob man sich den Grund und Boden zusammen mit einem von dem Veräußerer darauf noch zu errichtenden Haus übertragen lässt."

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Beschluss vom 27.11.2008, C-156/08 – Vollkommer –

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