Rz. 82

Wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder will oder die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nach § 158 AO nicht zugrunde gelegt werden können, weil sie schwerwiegende Mängel aufweisen, kommt es zur Schätzung des Gewinns (§ 162 AO).[1] Eine Schätzung ist in Form der Teilschätzung oder Vollschätzung möglich.

 

Rz. 83

Von einer Teilschätzung spricht man, wenn die nicht ordnungsmäßig verbuchten Geschäfte nach dem Gesamtbild nur einen kleineren Teil der gewerblichen Betätigung und des Gewinns ausmachen und es daher nur um die punktuelle Beseitigung von Fehlern geht, z. B. bei Schätzung nicht gebuchter Einnahmen auf der Basis von Kontrollmitteilungen der Finanzämter, Schätzung des Umsatzes anhand des Wareneinkaufs und angenommener Rohgewinnaufschläge etc.[2]. Die Teilschätzung geht stets als das mildere Mittel einer Vollschätzung vor. Vollschätzungen sind nur dann zulässig, wenn keine Möglichkeit besteht, die vorhandenen Unterlagen durch Teilschätzungen zu ergänzen.

Zu einer Vollschätzung kommt es hingegen, wenn eine Buchführung überhaupt nicht vorhanden ist, die Buchführung wegen schwerwiegender Mängel verworfen werden muss oder der Steuerpflichtige keine Bücher vorlegen will oder kann. Die Schätzung hat unter Berücksichtigung des Einzelfalls, u. U. unter Verwendung der branchen- und größenspezifischen Richtsätze,[3] zu erfolgen (Richtsatzschätzung).[4] Ist die Schätzung durch ein pflichtwidriges Verhalten des Steuerpflichtigen verursacht worden, werden Werte eher an der oberen Grenze des noch wahrscheinlichen Ergebnisses angenommen.

 

Rz. 84

Infolge der Schätzung kommen dann auf den Steuerpflichtigen i. d. R. Steuernachzahlungen mit Verzinsung nach § 233a AO zu, im Falle der Steuerhinterziehung zuzüglich Hinterziehungszinsen gem. § 235 AO i. H. v. 6 % pro Jahr.

[2] Castan, in Beck, Handbuch der Rechnungslegung, 2004, D 30 Rn. 12.
[3] S. Richtsatzsammlung 2010, BMF, Schreiben v. 22.8.2011, IV A 4 – S 1544/09/10001-03, BStBl 2011 I S. 759.

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