Rz. 3

Eine Krise, die einer Berichterstattung in der Rechnungslegung bedarf, die über das im Lagebericht im Rahmen der Risikoberichterstattung nach § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB bzw. im Konzern § 315 Abs. 1 Satz 4 HGB regelmäßig zu berichtende Maß hinausgeht, besteht nur im Falle des Zweifels bezüglich der Erfüllung der Annahme der Unternehmensfortführung, was bei drohender Kreditunwürdigkeit oder Insolvenz zu unterstellen ist. Hier sind angemessene Informationen der Abschlussadressaten über das bestandsgefährdende Risiko im Jahresabschluss und im Lagebericht erforderlich und der Abschlussprüfer hat in den Bestätigungsvermerk dann auch einen entsprechenden Hinweis aufzunehmen. In diesen Krisenphasen sollte mit bilanzpolitischen Maßnahmen äußerst vorsichtig umgegangen werden, da die Gefahr zur Verschleierung der Unternehmenslage enorm groß und ein persönlicher Haftungsanspruch an die Organmitglieder schnell möglich ist.

2.1 Kreditunwürdigkeit

 

Rz. 4

Konkret kann außerhalb der Insolvenz eine derartige Krisensituation der Gesellschaft nach einschlägigen Entscheidungen des BGH an folgenden Merkmalen identifiziert werden:

  • fehlende Kapitalbeschaffungsmöglichkeit unter banküblichen Bedingungen,
  • erheblicher Verlust des Stammkapitals (in jedem Fall bei Aufzehrung von mehr als der Hälfte der Stammkapitalziffer),
  • Existenz erheblicher Zahlungsrückstände, z. B. bei Löhnen, Gehältern, Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen etc.,
  • Forderungsausfall gegenüber bedeutenden Schuldnern oder
  • fehlende Anschlussaufträge zur Liquiditätssicherung.[1]
 

Rz. 5

Spätestens das letzte Indiz verlangt eine dauerhafte prognostische Betrachtung der weiteren Unternehmensentwicklung, wie sie einerseits im Controllingsystem eines ordnungsgemäß geführten Unternehmens erwartet werden kann und andererseits im Rahmen der Prüfung der Going-Concern-Prämisse bei der Jahresabschlusserstellung vorgeschrieben ist. Bilanzpolitische Maßnahmen sind in dieser Situation mit Blick auf die möglichen Haftungsfolgen sehr sorgfältig zu bedenken, um nicht später in den Verdacht der unrichtigen Darstellung[2] oder der Insolvenzverschleppung mit möglichen strafrechtlichen Konsequenzen zu geraten oder eine Ordnungswidrigkeit i. S. v. § 334 HGB zu begehen.

[1] Vgl. Müller/Weller, Accounting 2009, Heft 2/09, S. 12.

2.2 Insolvenz

 

Rz. 6

In der Insolvenz ist nach § 17 InsO allgemeiner Eröffnungsgrund für ein Verfahren die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, die dann gegeben ist, wenn dieser seine fälligen Zahlungspflichten nicht erfüllen kann. Nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung des BGH[1] ist von einer Zahlungsunfähigkeit dann auszugehen, wenn nicht nur eine Zahlungsstockung, d. h. eine vorübergehende Unfähigkeit, die fälligen Verbindlichkeiten vollständig zu begleichen, vorliegt. Zahlungsunfähigkeit liegt i. d. R. dann vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen innerhalb eines absehbaren Zeitraums zu begleichen.[2] Dabei gilt:[3]

  • Kann der Schuldner seine Liquiditätslücke innerhalb von 3 Wochen vollständig schließen, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor.
  • Beträgt die Liquiditätslücke am Ende des 3-Wochenzeitraums, den der BGH für die Beseitigung der Liquiditätslücke zubilligt, 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumutbar ist. Dieser sich an das Ende des 3-Wochenzeitraums anschließende weitere Zeitraum kann in Ausnahmefällen 3 bis ggf. auch maximal 6 Monate betragen.
  • Beträgt die Liquiditätslücke am Ende des 3-Wochenzeitraums dagegen weniger als 10 %, ist regelmäßig zunächst von Zahlungsstockung auszugehen. Dennoch ist in diesen Fällen ein Liquiditätsplan zu erstellen, aus dem sich die Weiterentwicklung der Liquiditätslücke ergibt. Zeigt sich daraus, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % betragen wird, liegt Zahlungsunfähigkeit vor. Ergibt sich am Ende des 3-Wochenzeitraums aus dieser Liquiditätsplanung, dass die Lücke kleiner als 10 % ist, lässt der BGH mehrere Interpretationen hinsichtlich der Frage zu, ob eine Liquiditätslücke von unter 10 % auf Dauer akzeptiert werden kann. Ökonomisch erscheint nach IDW S 11, Tz. 17 ein Unternehmen, das dauerhaft eine – auch nur geringfügige – Liquiditätslücke aufweist, weder erhaltungswürdig noch -fähig. Auch im Interesse des Verkehrsschutzes ist eine dauerhafte Unterdeckung bedenklich.

Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist Zahlungsunfähigkeit i. d. R. anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Zahlungseinstellung liegt vor, wenn der Schuldner wegen eines Mangels an Zahlungsmitteln aufhört, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen, und dies für die beteiligten Verkehrskreise hinreichend erkennbar geworden ist.[4]

 

Rz. 7

Das Insolvenzauslösekriterium der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist n...

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