Leitsatz (amtlich)

a) Zur Bezeichnung der zu pfändenden Forderung in der Vorpfändungsanzeige des Gläubigers.

b) Die Einrede der Anfechtbarkeit kann nur ggü. dem Anfechtungsgegner erhoben werden.

 

Normenkette

ZPO § 845 Abs. 1 S. 1; AnfG § 9

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 13.09.2001; Aktenzeichen 13 U 171/00)

LG Hildesheim

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Celle v. 13.9.2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der V. mbH (fortan: Drittschuldnerin). Er begehrt von der beklagten Gläubigerin der Sache nach die Einwilligung, dass ein von der Drittschuldnerin beim AG u.a. zu Gunsten der Beklagten hinterlegter Geldbetrag an ihn auszuzahlen sei.

Am 23.2.1999 brachte die Beklagte wegen einer titulierten Hauptforderung von 88.199,24 DM zzgl. Zinsen und Kosten gegen die G. GmbH (fortan: Schuldnerin) eine Vorpfändung aus, mit welcher diese die "Pfändung derjenigen Forderungen und Ansprüche" ankündigte, die der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin zuständen. Am 8.3.1999 erfolgte die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses v. 4.3.1999 an die Drittschuldnerin. Darin wird die gepfändete Forderung wie folgt bezeichnet: "Zahlung des Forderungsbetrages aus dem Rechtsstreit ... gem. Urteil des LG Hanau vom ... auf Grund einer Leistungsklage". In der Folgezeit wurden der Drittschuldnerin Abtretungserklärungen der Schuldnerin v. 5.2.1999 über 37.934,86 DM an die Rechtsanwälte R. & Kollegen und v. 19./20.2.1999 über 160.000 DM an U. K. vorgelegt. Außerdem berühmte sich die Schuldnerin selbst des gepfändeten Anspruchs. Die Drittschuldnerin hinterlegte daraufhin den titulierten Betrag unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme beim AG, u.a. auch zu Gunsten der Beklagten. Ein Teilbetrag der Hinterlegungssumme wurde später mit Einverständnis der Hinterlegungsberechtigten an die Drittschuldnerin zurückgezahlt. Hinsichtlich des verbliebenen Restes von 90.777,78 DM (= 46.413,93 EUR) verweigerte die Beklagte die Freigabe.

Die von der Drittschuldnerin auf Bereicherung gestützte Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Während des Berufungsverfahrens ist über das Vermögen der Drittschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Kläger hat das Verfahren fortgesetzt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat gemeint, der noch hinterlegte Betrag stehe der Beklagten zu, weil sich der Rang der Pfändung v. 4.3.1999 nach der Vorpfändung v. 23.2.1999 bestimme. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass die Schuldnerin eine Teilforderung von 160.000 DM vor Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbots an K. abgetreten habe. Abzustellen sei auf den Tag, an dem die schriftliche Abtretungserklärung mit der Unterschrift des K. wieder bei der Schuldnerin eingegangen sei. K. habe bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung ausschließen können, dass er die von ihm unterschriebene Erklärung vor dem 3.3.1999 - dieses Datum trage das Begleitschreiben - an die Schuldnerin zurückgesandt habe. Deshalb sei die Forderung bereits verstrickt gewesen, als die Annahme der Sicherungsabtretung bei der Schuldnerin eingegangen sei. Da die Teilabtretung an K. den streitgegenständlichen Betrag übersteige, komme es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Abtretung des restlichen Teils der Forderung an die Rechtsanwälte R. & Kollegen erfolgt sei.

II.

Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Auf Grund des Verzichtes auf das Recht der Rücknahme durch die Drittschuldnerin (§ 376 Abs. 2 Nr. 1, § 378 BGB) ist der Kläger nicht gehindert, Rechte an dem hinterlegten Betrag geltend zu machen. Durch die unwiderrufliche Hinterlegung wird der Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreit, wie wenn er zur Zeit der Hinterlegung geleistet hätte. Bestand die zu tilgende Forderung nicht oder ist sie anderweitig erfüllt worden, richtet sich die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht. Hat der Gläubiger den hinterlegten Betrag noch nicht erhalten, muss er seine durch die Hinterlegung ggü. der Hinterlegungsstelle erlangte "Sperrposition" auf den Schuldner zurückübertragen (Wenzel in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 378 Rz. 9). Entsprechendes gilt, wenn dem Gläubiger - wie hier der Beklagten - kein Einziehungsrecht an der gepfändeten Forderung zusteht, weil die Pfändung ins Leere gegangen ist. Auch in diesem Fall hat er die Rechtsstellung als Hinterlegungsberechtigter ohne Rechtsgrund auf Kosten des Drittschuldners erlangt und ist daher zur Freigabe verpflichtet.

2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht ausgeschlossen werden, dass der am 8.3.1999 an die Drittschuldnerin zugestellte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss v. 4.3.1999 ins Leere gegangen ist, weil die gepfändete Forderung der Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt schon abgetreten war.

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es darauf an, ob der Schuldnerin die von der Beklagten gepfändete Forderung noch am 8.3.1999 zustand.

aa) Das Berufungsgericht hat übersehen, dass die am 23.2.1999 ausgebrachte Vorpfändung (§ 845 Abs. 1 ZPO) nicht zu einem Pfandrecht der Beklagten (§ 845 Abs. 2, § 930 Abs. 1 S. 2, § 804 ZPO) geführt hat, weil das vorläufige Zahlungsverbot die zu pfändende Forderung nicht hinreichend genug bezeichnet. Hierfür gelten die gleichen Maßstäbe wie für die Pfändung selbst (BGH, Urt. v. 8.5.2001 - IX ZR 9/99, MDR 2001, 1133 = BGHReport 2001, 858 = WM 2001, 1223 [1224]). Die gepfändete Forderung muss wenigstens in allgemeinen Umrissen angegeben werden, damit sie von anderen unterschieden werden kann (BGHZ 13, 42 [43 f.]; BGH v. 29.11.1984 - X ZR 39/83, BGHZ 93, 82 [83 f.] = MDR 1985, 407; Urt. v. 8.5.2001 - IX ZR 9/99, MDR 2001, 1133 = BGHReport 2001, 858 = WM 2001, 1223 [1224]). Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob sämtliche Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin gepfändet sein sollten oder ob die Schuldnerin möglicherweise gegen die Drittschuldnerin überhaupt nur über eine Forderung verfügte. Der BGH hat sowohl Umschreibungen, nach denen Forderungen aus allen Rechtsgründen gepfändet werden sollen, als nichts sagend und unbestimmt verworfen (BGHZ 13, 42 [43]) als es auch im Interesse des sicheren Rechtsverkehrs als unerheblich angesehen, dass Gläubiger, Schuldner und Drittschuldner übereinstimmend wissen, der Schuldner verfüge nur über eine einzige Forderung gegen den Drittschuldner (BGHZ 13, 42 [44]; BGH, Urt. v. 28.2.1975 - V ZR 146/73, NJW 1975, 980 [981]; v. 28.4.1988 - IX ZR 151/87, MDR 1988, 859 = NJW 1988, 2543 [2544]; v. 21.2.1991 - IX ZR 64/90, MDR 1991, 1201 = NJW-RR 1991, 1197 [1198]; v. 14.1.2000 - V ZR 269/98, MDR 2000, 476 = NJW 2000, 1268 [1269]). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

In zwei höchstrichterlichen Entscheidungen (BGH, Urt. v. 26.1.1983 - VIII ZR 258/81, MDR 1983, 486 = NJW 1983, 886; BFH v. 1.6.1989 - V R 1/84, NJW 1990, 2645 [2646]) ist es allerdings als ausreichend angesehen worden, dass das Rechtsverhältnis wenigstens ansatzweise umrissen war ("Forderungen aus Lieferungen und Leistungen [Bohrarbeiten]"; "[Steuer-Nr. ...] Erstattungsanspruch für das Jahr 1980 und 1981"). Entsprechende Umstände liegen hier nicht vor. Aus diesen Entscheidungen kann deshalb für den hier vorliegenden Fall, in dem auf eine Individualisierung der gepfändeten Forderung gänzlich verzichtet worden ist, nichts hergeleitet werden.

bb) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, die den Schluss rechtfertigen, die Abtretung der Schuldnerin an K. sei nach § 134 BGB oder nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Entgegen der von der Revisionserwiderung geäußerten Auffassung ergibt sich die Nichtigkeit der Abtretung des Teilanspruchs i.H.v. 160.000 DM auch nicht aus der Aussage des Zeugen K. vor dem OLG.

(1) Bei Rechtshandlungen, deren Inhalt und Zweck im Wesentlichen nur darin bestehen, die Gläubiger zu benachteiligen, regeln die Sondervorschriften des Anfechtungsgesetzes und der Insolvenzordnung grundsätzlich abschließend, unter welchen Voraussetzungen die Gläubiger geschützt werden. Die allgemeinen Bestimmungen der §§ 134, 138 Abs. 1 BGB kommen daneben nicht zur Anwendung, sofern das Rechtsgeschäft nicht besondere, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände aufweist (BGHZ 56, 339 [355]; BGH, Urt. v. 4.3.1993 - IX ZR 151/92, MDR 1994, 549 = ZIP 1993, 602 [603]).

(2) Solche Umstände können der Aussage des Zeugen K. nicht entnommen werden. Er hat im Kern bekundet, zur Vorbereitung einer Unternehmensveräußerung einen Geschäftskontakt hergestellt zu haben, wofür ihm ein Teil der Vermittlungsprovision zugeflossen sei. Die Zahlung sei nicht über die zur Provision berechtigte Person abgewickelt, sondern ihm direkt von der provisionsverpflichteten Schuldnerin zugewendet worden. Der von dem Zeugen geschilderte Vorgang enthält keine Tatsachen, welche die rechtliche Würdigung tragen, die Abtretungsvereinbarung enthalte über die Gläubigerbenachteiligung hinaus ein besonders verwerfliches Element.

b) Das Berufungsgericht hat nicht abschließend geprüft, ob die Schuldnerin vor dem 8.3.1999 über die gepfändete Forderung ganz oder teilweise verfügt hat, weil dies aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblich war.

aa) Die Revisionserwiderung meint, auf Grund der Aussage des Zeugen K. könne nicht festgestellt werden, dass der Schuldnerin die Annahmeerklärung vor dem 8.3.1999 zugegangen sei. Deswegen stehe nicht fest, dass der Sicherungsabtretungsvertrag vor dem 8.3.1999 wirksam geworden sei. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss habe sonach den Forderungsübergang auf die Beklagte selbst dann bewirkt, wenn die Vorpfändung außer Betracht bleibe.

bb) Diese Würdigung trifft nicht zu. Auf der Grundlage des von dem Zeugen K. bekundeten Zeitablaufs kam der Abtretungsvertrag zu Stande, bevor die Pfändung mit Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Drittschuldnerin gem. § 829 Abs. 3 ZPO Wirksamkeit erlangen konnte. Ein Zugang der Annahmeerklärung war hierfür nach § 151 S. 1 BGB nicht erforderlich, weil eine Abtretung K. nur einen rechtlichen Vorteil brachte. Zwar muss auch bei solchen Geschäften eine Annahme des Angebots erfolgen (BGH, Urt. v. 12.10.1999 - XI ZR 24/99, WM 1999, 2477 [2478]). Die Betätigung des Annahmewillens durch den Zessionar K. liegt im Streitfall spätestens in der Absendung des Begleitschreibens v. 3.3.1999 nebst unterschriebener Abtretungsvereinbarung, die der Zeuge K. auf den 3. oder 4.3.1999 (Donnerstag) datiert hat. Hinweise auf einen späteren Zeitpunkt gibt es nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme nicht.

3. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben.

a) Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die Wirksamkeit und ggf. den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Teilabtretungen erneut zu prüfen. Dabei ist zunächst der Frage nachzugehen, ob Zedent der Abtretungsvereinbarung v. 19./20.2.1999 die Schuldnerin war oder ob in Wahrheit der Vater des Geschäftsführers der Schuldnerin, H. sen., angeblich ihm zustehende Ansprüche an K. abgetreten hat. Liegt eine Abtretung der Schuldnerin vor, ist diese wirksam und gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Annahme der Abtretungsvereinbarung vor dem 8.3.1999 erfolgt ist, kann der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nur den restlichen Teil der titulierten Forderung gegen den Drittschuldner über insgesamt 198.798,72 DM zzgl. Zinsen erfasst haben. In diesem Fall wird das Berufungsgericht sich auch mit der Teilabtretung an die Rechtsanwälte R. & Kollegen auseinander setzen müssen, die das Datum v. 5.2.1999 trägt.

b) Sollte sich ergeben, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ganz oder teilweise ins Leere gegangen ist, weil die Schuldnerin über die gepfändete Forderung zuvor schon anderweitig verfügt hatte, kann die Beklagte dem Einwand der früheren Zession nicht mit der Einrede der Anfechtbarkeit (vgl. § 9 AnfG) begegnen. Dies setzte nämlich voraus, dass der Kläger Anfechtungsgegner der Beklagten wäre; nur in diesem Fall könnte sie dem Einwand der früheren Zession mit dem Gegeneinwand der Anfechtung begegnen (Huber, AnfG, 9. Aufl., § 9 Rz. 5). Im Streitfall geht es dagegen um den möglicherweise anfechtbaren Erwerb eines Dritten. Dieser berührt den vom Kläger verfolgten Bereicherungsanspruch des Drittschuldners, der ohne Rechtsgrund an den pfändenden Gläubiger gezahlt oder - wie hier - den Betrag zu dessen Gunsten hinterlegt hat, nicht.

c) Schließlich wird der Kläger zu erwägen haben, ob er seinen in dem ersten Berufungsverfahren gestellten Antrag dahin klarstellt, dass er die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die Auszahlung des Hinterlegungsbetrages begehrt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1366777

BGHR 2005, 1082

NJW-RR 2005, 1361

WM 2005, 1037

ZIP 2005, 1198

AnwBl 2005, 151

DZWir 2005, 343

InVo 2005, 363

MDR 2005, 1135

Rpfleger 2005, 450

ZInsO 2005, 596

ZVI 2005, 419

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