Leitsatz (amtlich)

Weist ein als Mietvertrag bezeichnetes, als Mietverhältnis ungewöhnliches, langfristiges Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern alle typischen Merkmale eines familiären Versorgungsvertrages auf, so können die Mietzahlungen nur nach den für Versorgungsrenten maßgebenden Vorschriften abgezogen werden.

 

Normenkette

StAnpG § 1 Abs. 3, § 5 Abs. 1; EStG 1961 § 4 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 1; EStDV 1961 § 55 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuer-Veranlagung 1962, ob Mietzahlungen des Sohnes an seine Mutter als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abzuziehen oder als außerbetriebliche Versorgungsrente (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) aufzufassen sind und deshalb nur in Höhe des Ertragsanteils (§ 22 Nr. 1a EStG) abgezogen werden können.

Die Revisionskläger sind Eheleute. Der Ehemann (Steuerpflichtiger) betrieb bis zum 31. Dezember 1960 zusammen mit seinem Vater ein Handelsgeschäft. Mit Wirkung vom 1. Januar 1961 übertrugen ihm der damals 78jährige Vater im Rahmen einer vorweggenommenen Erbauseinandersetzung unentgeltlich seinen Anteil am Betriebsvermögen und die Mutter ein ihr gehöriges Grundstück. Das Kapitalkonto des Vaters betrug zuletzt 54 222,34 DM. Die Übertragung des Grundbesitzes der Eltern des Steuerpflichtigen wurde in einem notariellen Vertrag vom 7. März 1961 geregelt. Darin räumte der Steuerpflichtige seinem Vater und seiner 76jährigen Mutter ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchsrecht ein. In einem weiteren Vertrag, der in der notariellen Vereinbarung bereits vorgesehen war, vermieteten die Eltern auf die Dauer von 15 Jahren mit Wirkung vom 1. Januar 1961 die Grundstücke an den Steuerpflichtigen und seine Ehefrau. Der Mietzins wurde auf monatlich 700 DM festgesetzt. Er sollte sich entsprechend der Veränderung des Gehalts eines Regierungsrates erhöhen oder ermäßigen. Im Falle des Todes des Vaters sollte mit der Mutter ein neuer Mietzins vereinbart werden. Nach den Verhältnissen zur Zeit des Vertragsschlusses waren für diesen Fall 500 DM monatlich vorgesehen. Am 7. Mai 1962 schloß der Steuerpflichtige mit seiner Mutter, nachdem der Vater gestorben war, einen Zusatzvertrag. Daran verpflichtete er sich, mit Wirkung ab 1. Januar 1962 monatlich 500 DM an die Mutter zu zahlen.

Bei der Gewinnermittlung behandelte der Steuerpflichtige die Zahlungen als Betriebsausgaben. Das FA erkannte die Gewinnminderung nicht an, sondern sah die Leistungen als Sonderausgaben an. Es ließ sie in Höhe eines Ertragsanteils von 11 v. H. zum Abzug zu.

Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus, daß es sich bei dem Mietvertrag um ein Scheingeschäft handle. Für die Besteuerung sei das durch das Scheingeschäft verdeckte tatsächliche Geschäft maßgebend (§ 5 Abs. 1 StAnpG). Gegen die Ernsthaftigkeit des Mietvertrages spreche die Interessenlage der Vertragsbeteiligten. Der Vater habe die Absicht gehabt, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen und sich eine Altersversorgung zu sichern. Hiermit stehe die formelle Bestellung eines Nießbrauchsrechts nicht in Einklang. Tatsächlich hätten die Eltern weder Nießbraucher- noch Vermieterpflichten ausüben wollen. Es sei bezweckt gewesen, dem Steuerpflichtigen die Grundstücke mit allen damit verbundenen Lasten und Rechten endgültig zu übertragen. Der Mietvertrag stelle lediglich die Einkleidung eines Versorgungsversprechens an die Eltern dar. Die Wertsicherungsklausel sei typisch für Versorgungsabsprachen. Bezeichnend sei auch, daß nach dem Tode des Vaters der Mietzins sich von 700 DM auf 500 DM ermäßigen solle. Das durch den Mietvertrag verdeckte Versorgungsversprechen sei außerbetrieblicher Natur. Es handle sich um vorweggenommene Erbfolge. Auf den Sachverhalt seien die Rechtsprechungsgrundsätze zur Behandlung von Renten anzuwenden, die bei Betriebsübergaben von Eltern auf Kinder vereinbart würden.

Mit der Rb. wird unrichtige Rechtsanwendung gerügt. Die Steuerpflichtigen beantragen die Aufhebung der Vorentscheidung und des Einkommensteuerbescheids. Sie begehren die Anerkennung der an die Mutter geleisteten Zahlungen als Betriebsausgaben.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Prüfung der als Revision zu behandelnden Rb. ergibt folgendes.

Der Senat geht davon aus, daß die Bestellung des Nießbrauchs von den Vertragsbeteiligten ernstlich gewollt war. Die Feststellungen des FG lassen erkennen, daß es den Eltern bei der Übergabe der Vermögenswerte darauf ankam, eine gewisse Sicherheit in der Hand zu behalten. Die Eltern übten das Nießbrauchsrecht jedoch nicht aus.

Der Auffassung des FG, daß die auf der Grundlage des Nießbrauchs getroffene, als Mietvertrag bezeichnete Vereinbarung als Scheingeschäft im Sinn des § 5 Abs. 1 StAnpG anzusehen sei, kann nicht gefolgt werden. Denn die Beteiligten wollten die in dieser Vereinbarung geregelten Rechtsfolgen. Der Steuerpflichtige sollte zur Nutzung der überlassenen Grundstücke berechtigt sein; andererseits war er verpflichtet, an die Eltern die in dem Vertrage festgesetzten Zahlungen zu leisten. Dem FG ist jedoch darin zuzustimmen, daß der Vertrag seinem wirtschaftlichen Gehalt nach nicht als Mietvertrag, sondern als Versorgungsvertrag zu würdigen ist. Es handelt sich um einen Anwendungsfall des § 1 Abs. 3 StAnpG. Maßgebend ist das vom FG zutreffend gekennzeichnete Gesamtbild des zwischen dem Steuerpflichtigen und seinen Eltern geregelten Verhältnisses. Die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel würde für sich allein nicht gegen das Vorliegen eines Mietvertrages sprechen, da solche Klauseln bei Miet- und Pachtverträgen inzwischen erhebliche Bedeutung erlangten. Die von den Vertragsparteien in der äußeren Form eines Mietverhältnisses getroffenen Vereinbarungen weisen alle für Versorgungsverträge zwischen nächsten Angehörigen typischen und wesentlichen Merkmale auf. Daher ist es geboten, die vom Steuerpflichtigen erbrachten Leistungen als Versorgungsrenten statt als Mietzahlungen zu behandeln (vgl. Urteil des BFH IV 256/58 vom 22. September 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 12 Nr. 2, Rechtsspruch 26).

Zutreffend nahm die Vorinstanz einen außerbetrieblichen Vorgang an. Es handelte sich um eine Vermögensübertragung der Eltern auf ihren Sohn, der nunmehr für ihre Versorgung aufzukommen hatte. Die Vermögensübertragung war Teil einer vorweggenommenen Erbauseinandersetzung. Solche Vorgänge liegen nach ständiger Rechtsprechung in der außerbetrieblichen Sphäre der Beteiligten (vgl. BFH-Urteil IV 8/62 U vom 23. Januar 1964, BFH 79, 516, BStBl III 1964, 422, und die dort angeführten weiteren Entscheidungen). Hiernach können die als Mietzins bezeichneten Zahlungen nur nach den für Sonderausgaben geltenden Vorschriften abgezogen werden.

Die Zahlungen sind als Leibrente anzusehen. Das folgt aus dem Zusammenhang der Vertragsdauer mit dem Nießbrauchsrecht, das den Eltern auf Lebenszeit eingeräumt wurde und das auch ohne diese Bestimmung mit dem Tode des Längstlebenden erlöschen würde (§ 1061 BGB). Im Hinblick auf die weitere Begrenzung der Vertragsdauer auf 15 Jahre handelt es sich um eine abgekürzte Leibrente im Sinne des § 55 Abs. 2 EStDV. Nach dieser Vorschrift ist der im Streitfall maßgebende Ertragsanteil der Tabelle in § 22 Nr. 1a EStG zu entnehmen, wovon auch das FG ausging.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 265

BFHE 1968, 86

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