Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der außergewöhnlichen Belastung durch Tilgung von Schulden.

 

Normenkette

EStG § 33/1

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige, ein kaufmännischer Angestellter, gab im Jahre 1950 und 1951 seinem Bekannten X, einem Flüchtling, zum Ankauf eines Lastzuges und zum Betrieb eines Fuhrunternehmens darlehnsweise insgesamt rund 21.000 DM. Die Mittel hierzu hat sich der Steuerpflichtige, der nach seiner Darstellung über kein Barvermögen verfügte, teils durch Wechselhingabe, teils durch Bankkredit beschafft. Ende Februar 1951 brach das Fuhrunternehmen zusammen. Zur Tilgung seiner Gesamtschuld, die Anfang 1951 etwa 16.000 DM betrug, zahlte der Steuerpflichtige im Jahre 1951 insgesamt 4.142 DM. Das Finanzamt hat seinem Antrag, diesen Betrag als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzuerkennen, nicht entsprochen. Der Einspruch wurde zurückgewiesen.

Die Berufung hatte dagegen teilweise Erfolg. Das Finanzgericht hat eine außergewöhnliche Belastung durch Schuldtilgung in Höhe von 1.800 DM anerkannt. Es hat ausgeführt, daß die Hingabe der Gelder nur darlehnsweise erfolgt sei. In derselben Höhe habe der Steuerpflichtige bei Banken einen Kredit aufgenommen, bzw. sei er Wechselverbindlichkeiten eingegangen. Den Schulden hätte infolgedessen in gleicher Höhe eine Darlehnsforderung gegen X. gegenübergestanden, die wenigstens "leidlich fundiert" gewesen sei. Aus diesem Grunde könne die Tilgung der Bankschulden als zwangsläufige außergewöhnliche Belastung nicht angesehen werden.

Seit der Schuldaufnahme Mitte 1950 und Anfang 1951 hätten sich jedoch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen ohne dessen Schuld wesentlich verschlechtert. Während noch Anfang 1951 den Bankschulden des Steuerpflichtigen die Darlehnsforderung gegenübergestanden habe, sei infolge des Zusammenbruchs des Fuhrunternehmens die Darlehnsforderung im Laufe des Jahres 1951 immer geringwertiger geworden. Auf der anderen Seite hätte der Steuerpflichtige in großem Umfange Zahlungen zur Abdeckung seiner Bankschuld leisten müssen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Steuerpflichtige den Darlehnsvertrag weder leichtfertig noch in spekulativer Absicht eingegangen sei, sondern vielmehr anerkennenswerte ethische Momente bei der Darlehnsgewährung mitgesprochen hätten, könne die Verschuldung des Steuerpflichtigen in Höhe von 1.800 DM ausnahmsweise als zwangsläufig angesehen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

Die Verschuldung eines Arbeitnehmers kann erst berücksichtigt werden, wenn die Schulden getilgt werden, d. h. wenn die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen durch die Abtragung der Schulden unter Beanspruchung von Teilen seines Einkommens wesentlich beeinträchtigt wird. Vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 100/26 vom 17. Februar 1926 (Slg. Bd. 18 S. 6). Ausgaben zur Tilgung von Schulden stellen dann eine außergewöhnliche Belastung dar, wenn die Aufnahme der Schulden auf Belastungen im Sinne des § 33 EStG zurückzuführen ist. Eine zwangsläufig erwachsene außerordentliche Belastung liegt in der Regel also nicht vor, wenn ein Steuerpflichtiger eine höhere Verschuldung auf sich nimmt, ohne dazu durch von seinem Willen unabhängige Umstände gezwungen worden zu sein. Vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs IV 202/38 vom 10. November 1938 (Reichssteuerblatt 1939 S. 117). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Der Steuerpflichtige hat die Gelder, die er sich durch Wechselhingabe und Bankkredite beschafft hat, seinem Bekannten aus freien Stücken gegeben. Der Umstand, daß dieser ein Flüchtling ist, ist zur Begründung der Zwangsläufigkeit nicht geeignet. Vgl. das Urteil des erkennenden Senats IV 342/53 U vom 8. April 1954 (Bundessteuerblatt 1954 III S. 188). Der Hinweis des Finanzgerichts auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV 202/38 geht fehl. Im Streitfall kann der Rechtsgedanke dieser Entscheidung schon deshalb nicht zum Zuge kommen, weil die Verschuldung nicht durch vom Steuerpflichtigen ungewollte andere Ereignisse eingetreten ist. Vielmehr hat er selbst die Verschuldung aus eigenem Entschluß und freiwillig durch die Hingabe der Gelder an X herbeigeführt, der keine Sicherheit für ihre Rückzahlung bot. Diese Verschuldung, nicht etwa eine später eingetretene Verschlechterung seiner finanziellen Lage, ist die Ursache seiner Belastung.

Hiernach war die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung des Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 17. Mai 1952 als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1954, 357

BFHE 1955, 381

BFHE 59, 381

StRK, EStG:33 R 36

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