Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Betriebes gezahlte Rente kann auch dann eine Versorgungsrente sein, wenn sich Leistung und Gegenleistung objektiv gleichwertig gegenüberstehen. Der Versorgungscharakter der Rentenleistung kann sich aus anderen Umständen zwingend ergeben.

Auch die einem Einzelunternehmer für die überlassung des Betriebes gezahlte Rente kann beim Erwerber als betriebliche Versorgungsrente abzugsfähig sein. EStG § 4 Abs. 1 und 4, § 5, § 6 Abs. 1

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 4/4, §§ 5, 6/1/3

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat von seiner Tante im Jahre 1950 deren Geschäft erworben. Nach dem notariellen Vertrag vom 21. März 1950 betrug der Kaufpreis, auf den eine Darlehensforderung des Bf. von 3700 DM angerechnet wurde, 11 000 DM. Der Rest von 7300 DM war in monatlichen Raten von 300 DM zu tilgen. In einem weiteren notariellen Vertrag vom gleichen Tage hat sich der Bf. verpflichtet, seiner Tante "auch nach Abzahlung des Kaufpreises in Höhe von siebentausend und dreihundert DM ... ihr weiterhin bis zu ihrem Lebensende 300 DM monatlich Unterhalt zu zahlen". Für die hiernach im Jahr 1953 gezahlten 3600 DM begehrt der Bf. Abzug als Betriebsausgabe, da die Rente eine betriebliche Versorgungsrente darstelle. Mit Bescheid vom 28. Januar 1955 und daran festhaltend in der Einspruchsentscheidung vom 3. (4.) Juni 1955 hat das Finanzamt die Rente als betriebliche Veräußerungsrente und die Rentenzahlungen 1953 des Bf. wie folgt behandelt:

Rentenzahlungen (12 x 300 DM) ./. Rentenlast am 1. Januar 1953 25 714 DM ./. Rentenlast am 31. Dezember 1953 24.397 DM Minderung der Rentenlast 1 317 DM Gewinnminderung durch DIE Rente -------------------- 2283 DM an Stelle der vom Bf. begehrten 3600 DM.

Das Finanzgericht wies die hiergegen eingelegte Berufung als unbegründet zurück. Nachdem es ausgeführt hatte, eine betriebliche Versorgungsrente sei beim übergang eines Einzelunternehmens bisher von der Rechtsprechung nicht anerkannt worden - eine solche komme nur unter dem Gesichtspunkt einer nachträglichen Belohnung für geleistete Arbeit bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft in Betracht -, begründete es seine Auffassung, es liege eine Veräußerungsrente im Sinne der finanzamtlichen Beurteilung vor, im einzelnen wie folgt: Es herrsche übereinstimmung darüber, daß der Wert des vom Bf. erworbenen Geschäfts den Buchwert von 11 000 DM erheblich übersteige. Der Bf. selbst habe im Laufe des Berufungsverfahrens Werte zwischen 15 000 DM und 20 000 DM angegeben. Der Sachverständige, Innungsobermeister X., habe sich noch in der mündlichen Verhandlung dahingehend geäußert, daß er zu den übernahmebedingungen auch ja gesagt hätte; er habe lediglich mit Rücksicht auf die steuerlichen Auswirkungen Einschränkungen gemacht. Die Veräußerin habe ebenfalls ausgesagt, sie sei nicht der Ansicht gewesen, daß ihr Neffe ihr mit der Rente von 300 DM etwas schenke; sie habe geglaubt, daß das was er ihr gebe, den Werten entspreche, die er von ihr übernehme. Auch nach Auffassung des Gerichts sei die Gegenleistung des Bf. mit zusammen rund 36 000 DM (Festpreis zuzüglich Wert des Rentenstammrechts) zwar sehr hoch, sie liege aber nicht außerhalb jeder wirtschaftlichen Vernunft. Sie übersteige mutmaßlich den objektiven Wert des Geschäftes. Es komme im Wirtschaftsleben aber häufiger vor, daß der objektive Wert eines Wirtschaftsguts überzahlt werde. Hier habe der Bf. den Wert des Geschäfts auf Grund seiner Mitarbeit genau gekannt; er sei interessiert gewesen, den Betrieb zu erwerben und sich damit selbständig zu machen. Der überpreis halte sich unter diesen Umständen noch im Rahmen des wirtschaftlich Vernünftigen. Es könne dem Bf. auch darin nicht gefolgt werden, daß die Rente in Höhe des mutmaßlichen überpreises als Versorgungsrente behandelt werde. Eine derartige Rentenaufspaltung habe der Bundesfinanzhof im Urteil VI 27/56 U vom 8. Februar 1957 (BStBl 1957 III S. 207, Slg. Bd. 64 S. 550) abgelehnt, weil das einheitliche Rentengeschäft möglichst auch steuerlich einheitlich behandelt werden müsse. Der gleiche Rechtsgedanke sei im Gutachten des Bundesfinanzhofs VI D 1/57 S vom 27. März 1958 (BStBl 1958 III S. 258, Slg. Bd. 66 S.670) zum Ausdruck gekommen, wo der Bundesfinanzhof es abgelehnt habe, die Bezüge der IG-Altpensionäre in Renten und Arbeitslohn aufzuspalten; sie seien einheitlich Renten.

Mit der hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Bf. zusätzlich zu seinen bisherigen Vorbringen noch geltend, es sei nicht richtig, daß beim Erwerb eines Einzelunternehmens eine betriebliche Versorgungsrente stets ausscheide. Das ergebe sich aus dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 456/39 vom 26. Juli 1939 (RStBl 1939 S. 1120). Ferner sei die Trennung in Veräußerungs- und Versorgungsrente durchaus auch nach dem angezogenen Urteil des Bundesfinanzhofs VI 27/56 U möglich. Die einheitliche Behandlung solle nur "möglichst" erfolgen. Im Streitfall beständen für die Aufspaltung keine besonderen Schwierigkeiten. Es sei auch nicht zutreffend, daß sich die Gegenleistung mit 36 000 DM bei einem Wert des Geschäfts von höchstens 20 000 DM noch im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft halte; es liege vielmehr ein erhebliches Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Sollte der Bundesfinanzhof jedoch nicht zu der beantragten Aufspaltung der Rente in Beträge von zweimal 150 DM kommen, von denen der eine als Veräußerungs-, der andere als betriebliche Versorgungsrente beurteilt wird, so müsse wenigstens nach Abtragung eines Betrages von 20 000 DM die weitere Rentenleistung als laufende Betriebsausgabe behandelt werden. Zur Bekräftigung seiner Auffassung, daß wenigstens teilweise eine Versorgungsrente vorliege, bezieht sich der Bf. noch auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 200/58 U vom 20. Januar 1959 (BStBl 1959 III S. 192).

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Das Finanzgericht hat zu Recht zum Ausgangspunkt seiner Entscheidung die Frage genommen, ob im Streitfall Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Grundsätzen gegeneinander abgewogen worden sind. Nur wenn das der Fall ist, kann eine Veräußerungsrente angenommen werden (vgl. insbesondere Urteile des Bundesfinanzhofs I 232/54 U vom 12. Juli 1955, BStBl 1955 III S. 302, Slg. Bd. 61 S. 272; IV 217/54 U vom 2. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 88, Slg. Bd. 62 S. 235; I 87/56 vom 4. Dezember 1956, Der Betrieb 1957 S. 83). Das Finanzgericht hat nach Auffassung des Senats auch zutreffend bejaht, daß sich die Gesamtleistung des Bf., also Festpreis zuzüglich übernommener Leibrente, noch im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft halte. Hierfür sprechen vor allen Dingen die äußerungen des Innungsobermeisters, die das Finanzgericht zutreffend gewürdigt hat. Eine weitere Stütze findet die Auffassung in der Entwicklung, die das Geschäft namentlich umsatzmäßig in den Jahren nach dem Erwerb unter der Leitung des Bf. genommen hat. Die Umsätze sind von rund 157 000 DM in den Monaten April bis Dezember 1950 auf 194 000 DM im Jahr 1951, auf 265 658 DM im Jahr 1952 und auf 330 547 DM im Jahr 1953 angestiegen. Eine nach dem Umsatz bemessene Rente wäre hiernach zweifellos weit höher ausgefallen. Eine monatliche Rente von 300 DM an seine bei Rentenbeginn bereits 76 Jahre alte Tante mußte und konnte dem Bf., der das Geschäft infolge seiner mehrjährigen Mitarbeit kannte, unter diesen Umständen als tragbar erscheinen.

Gleichwohl kann die Entscheidung des Finanzgerichts nicht aufrechterhalten werden. Selbst wenn man ihr darin folgen könnte, daß eine Veräußerungsrente vorliegt, müßte sie aufgehoben werden; denn es bestehen Bedenken, ob die Gewinnermittlung richtig durchgeführt worden ist. Die Passivierung der Rentenlast müßte eine Entsprechung in einer Erhöhung des Aktivvermögens finden. Es ist möglich, daß die Aktivierung zu einer Erhöhung von Werten des Anlagevermögens geführt hätte, von denen sodann im Jahre 1953 bereits Absetzungen für Abnutzung hätten vorgenommen werden können. Der Senat vermag aber schon nicht der Auffassung des Finanzgerichts zu folgen, die Rente stelle eine Veräußerungsrente dar. Es genügt nicht, daß das Finanzgericht festgestellt hat, die Gesamtleistung des Bf. liege noch im Rahmen einer wirtschaftlich vernünftigen Gegenleistung. Das kann auch bei einer Versorgungsrente der Fall sein. Auch die Versorgungsrente ist ihrem Wesen nach eine Rente gegen Gegenleistung. Es hätte festgestellt werden müssen, daß die Parteien tatsächlich sich darüber klar waren, daß sich Leistung und Gegenleistung äquivalent gegenüberstehen, daß sie wenigstens subjektiv hiervon ausgingen und daß sich die Höhe der Leistung des einen nach der Höhe der Leistung des anderen Teils richten sollte. Ist eine solche Feststellung bei Rentenvereinbarungen ohnehin schon schwierig, so hat im Streitfall der Bf. in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht gerade das Gegenteil behauptet, wenn er vortrug, er habe nicht gewußt, welche Werte für Kundenstamm und Firmennamen anzusetzen seien. Seine Tante habe gern eine Leibrente von 300 DM monatlich haben wollen, und diese habe er ihr dann gegeben. Dem Senat sind keine Umstände ersichtlich, die dieses bedeutsame Vorbringen des Bf. unglaubhaft erscheinen lassen. Das Finanzgericht hat auch nicht erkennbar gewürdigt, daß offenbar der Bf. als alleiniger Erbe seiner Tante in Betracht kam. Sonst wäre nicht verständlich, daß die Tante ihm das Geschäft überlassen hätte, ohne ihn dabei zu Erbabfindungen für etwa in Betracht kommende weitere Erben zu verpflichten. Dieser Umstand ist für die Entscheidung, ob davon auszugehen ist, daß die Parteien Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Grundsätzen gegeneinander abgewogen haben, von erheblicher Bedeutung. Von Bedeutung ist auch, daß die Tante des Bf. im Zeitpunkt der übertragung des Geschäfts bereits 74 Jahre alt und im Zeitpunkt des Rentenbeginns sogar 76 Jahre alt war. Sie hatte damit ein Alter erreicht, in dem eine alleinstehende Frau, die auch für etwaige Erben Vermögenswerte nicht mehr zu erhalten brauchte, erfahrungsgemäß lediglich noch an ihre Altersversorgung denkt. Dazu kommt, daß die Tante des Bf. das Geschäft offenbar überhaupt nur deshalb bis zu diesem hohen Alter noch selbst geführt hat, um es für den Bf. zu erhalten und es ihm zu übergeben, wenn er altersmäßig und auf Grund der erworbenen Fachkenntnisse in der Lage sein würde, es selbständig zu führen. Der Bf. war bei übernahme des Geschäfts 27 Jahre alt. Der Bf. hatte auch schon längere Zeit im Betrieb mitgearbeitet und konnte ihn bei den besonderen Verhältnissen bereits als sein eigen betrachten, so daß er ihn nicht mehr käuflich zu erwerben brauchte (vgl. das zitierte Urteil des Bundesfinanzhofs I 232/54 U). Auch die Höhe der Rentenleistung mit monatlich 300 DM spricht für deren Versorgungscharakter. Da die Beteiligten nach der glaubhaften Darstellung des Bf. keine Vorstellungen über den wirklichen Wert des Geschäfts hatten, kann die Rente in dieser Höhe nach Auffassung des Senats nur nach den Bedürfnissen der Tante des Bf. bemessen worden sein. Diese Auffassung findet eine weitere Stütze in der Vertragsfassung, nach der sich der Bf. seiner Tante gegenüber dazu verpflichtete, "ihr weiterhin bis zu ihrem Lebensende 300 DM monatlich Unterhalt zu zahlen".

Die Sache ist entscheidungsreif. Die Rente des Bf. an seine Tante ist eine Versorgungsrente. Es bestehen auch keine ernsthaften Bedenken, die Rente als eine betriebliche Versorgungsrente anzusehen. Die Auffassung des Finanzgerichts, eine betriebliche Versorgungsrente scheide beim übergang eines Einzelunternehmens auf einen anderen Unternehmer aus, ist rechtsirrtümlich (vgl. hierzu die Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 1516/29 vom 2. Dezember 1931, RStBl 1932 S.573; VI A 926/30 vom 23. März 1932, RStBl 1932 S. 705; VI 91/40 vom 7. Mai 1941, RStBl 1941 S. 553; VI 456/39 vom 26. Juli 1939, RStBl 1939 S. 1120). Wenn hiernach auch die Annahme einer betrieblichen Versorgungsrente unter dem Gesichtspunkt eines nachträglichen Zusatzentgelts für die frühere Arbeitsleistung des veräußernden Unternehmers in der Hauptsache beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft in Betracht kommt, so kann sie doch auch ebenso auf Grund der Verhältnisse des Einzelfalls beim übergang eines Einzelunternehmens gerechtfertigt sein. Das betriebliche Interesse erforderte es im Streitfall, daß der Bf. seine Tante nicht unversorgt ließ. Immerhin hatte die Tante dem Bf. den Betrieb erhalten, indem sie ihn bis zu einem Lebensalter leitete, in dem im allgemeinen alleinstehende Frauen sich längst aus dem Erwerbsleben zurückgezogen haben. Es wäre dem geschäftlichen Ansehen des Bf. abträglich gewesen, wenn er bei dieser Sachlage seiner Tante lediglich einen geringfügigen Kaufpreis für das Geschäft bezahlt hätte, von dem sie möglicherweise nicht hätte leben können. Es bestehen daher keine Bedenken, die Rentenleistungen des Bf. an seine Tante unter dem Gesichtspunkt des betrieblichen Erfordernisses und einer nachträglichen Belohnung für dem Betrieb geleistete Dienste als betriebliche Versorgungsrente zu behandeln und in voller Höhe zum Abzug als Betriebsausgabe zuzulassen. In Abänderung des Bescheids vom 28. Januar 1955 wird die Einkommensteuer 1953 auf ... DM festgesetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409451

BStBl III 1959, 406

BFHE 1960, 387

BFHE 69, 387

BB 1959, 1052

DB 1959, 1100

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