Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff eines steuerlich unschädlichen Sortierens im Darmgroßhandel.

 

Normenkette

UStG § 7 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) handelt mit Schafdärmen, und zwar Saitlingen. Streitig ist der Steuersatz von Umsätzen, bei denen die Stpfl. vor der Weiterlieferung die Därme, die sie in Längen von etwa 22 m bezieht, nach bestimmten Kalibern sortiert hat, wobei sie die Därme dort, wo sie nicht in ganzer Länge das gleiche Kaliber haben, zerschnitten und dabei auch schlechte und schadhafte Stellen herausgeschnitten hat.

Die Stpfl. erwirbt einmal vorsortierte Ware, die bereits von ihren Lieferanten nach Kalibern sortiert und von schadhaften Stellen befreit worden ist. Hier beschränkt sich die Tätigkeit der Stpfl. auf eine Nachprüfung, ob der einzelne Darm auf der ganzen Länge das gleiche Kaliber hat und ob sich nicht etwa doch noch eine schadhafte Stelle im Saitling befindet. Das Herausschneiden unbrauchbarer Darmstücke kommt hier nur selten vor.

Bei der von der Stpfl. bezogenen sogenannten Original ware, die in der Regel verschiedene Durchmesser aufweist, ist ein Abschneiden des Darms immer dort erforderlich, wo dieser einen anderen Durchmesser annimmt. Beim Abschneiden von Darmstücken (sogenannten Enden) gleichen Durchmessers werden auch schadhafte und zur Wurstherstellung nicht geeignete Teile des Saitlings entfernt.

Unstreitig ist sowohl die vorsortierte als auch die Originalware bereits von den Lieferanten der Stpfl. entfettet, entschleimt, gereinigt und gesalzen.

Das Finanzamt hat in der Tätigkeit der Stpfl. eine steuerlich schädliche Bearbeitung erblickt, die über das nach § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951 in der Fassung der Achten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 (BGBl I S. 6, BStBl I S. 131) als steuerlich unschädlich anerkannte Sortieren hinausgehe, und hat den begehrten ermäßigten Steuersatz nach § 7 Abs. 3 UStG versagt.

In der Sprungberufung hatte die Stpfl. Erfolg. Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß sich die Tätigkeit der Stpfl. in steuerlich unschädlichen Maßnahmen des Sortierens und der Zuteilung erschöpfe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet.

Die Rb. stützt sich auf den Einführungserlaß des Bundesministers der Finanzen vom 29. April 1957 IV A/2 -- S 4015 -- 10/57 zur Achten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 (BStBl I S. 235, Umsatzsteuer-Kartei S 4216 Karte 60). Soweit hier ausgeführt ist, daß im Darmgroßhandel die Därme außer dem Sortieren auch noch anderen Behandlungen unterzogen, insbesondere unter anderem auch gebleicht, entfettet, gereinigt und entschleimt werden, und daß deshalb der Gesamtvorgang nicht mehr als Sortieren angesehen werden könne, stimmt der erkennende Senat dieser Rechtsauffassung zu. Im Streitfalle sind aber jedenfalls die hier angeführten weiteren Bearbeitungsmaßnahmen nicht von der Stpfl., sondern von deren Lieferanten durchgeführt worden.

Ob der in dem oben angeführten Erlaß aufgestellte Grundsatz, daß das Sortieren grundsätzlich das Trennen körperlich miteinander verbundener Gegenstände nicht mitumfasse, in dieser Allgemeinheit zutrifft, kann offenbleiben. Im Schrifttum bis zum Erlaß der Achten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz findet sich eine solche ausdrückliche Einschränkung nicht (vgl. z. B. Hartmann-Metzenmacher, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 4. Auflage zu § 7 Abs. 3 Anmerkung B II 2 b, S. 565, und Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 6. Auflage, Tz. 2469). Bis dahin ist unter Sortieren, wohl im Einklang mit dem allgemeinen Sprachgebrauch, immer nur das Sichten nach einheitlichen Merkmalen durch räumliche Absonderung der zu sortierenden Gegenstände verstanden worden. Es ist jedoch nicht allein auf den allgemeinen Sprachgebrauch abzustellen, sondern auf die Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise, das heißt auf die Verkehrsauffassung, die sich in dem jeweiligen Wirtschaftszweig herausgebildet hat. Der Senat hat jedenfalls dann keine Bedenken, noch ein Sortieren anzunehmen, wenn, wie im Streitfalle, das Sortieren nach Kalibern nicht anders als durch Zerschneiden der langen Saitlinge vorgenommen werden kann und die Verkehrsauffassung, wie das Finanzgericht festgestellt hat, hierin noch ein Sortieren erblickt, das als Gesamtvorgang seinem inneren Gehalt nach nicht über ein Sichten nach dem Durchmesser hinausgeht.

Daß die weitergelieferten, nach bestimmten Kalibern (18/20 mm, 20/22 mm usw.) sortierten Därme eine andere Marktgängigkeit haben als die bezogene Original- und auch vorsortierte Ware, ist unbestreitbar. Seit dem 1. Januar 1957 ist aber ein Sortieren auch steuerlich unschädlich, wenn hierdurch ein neues Verkehrsgut entsteht. Das mit der Achten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz erstrebte Ziel einer Auflockerung des Bearbeitungsverbots kann aber nur erreicht werden, wenn den Besonderheiten der einzelnen Wirtschaftszweige Rechnung getragen wird. Dies führt im Streitfalle dazu, daß das Zerschneiden als notwendige Vorstufe eines Sortierens nach dem Kaliber angesehen wird, während das Herausschneiden der unbrauchbaren Stücke als ein Sichten nach der Güte der Ware, das heißt nach brauchbaren und unbrauchbaren Teilen aufzufassen ist, weil der Großhändler eine beanstandungssichere Ware erzielen will. Selbst wenn man im Zerschneiden eine über das Sortieren hinausgehende steuerlich schädliche Bearbeitung erblickte, wird man das Sortieren als den wesentlichen Vorgang ansehen müssen, weil das Zerschneiden lediglich im Hinblick auf das Sortieren nach Kalibern vorgenommen wird. Die Rb. verkennt insbesondere, daß die Stpfl. nicht Gegenstände herstellt, sondern bereits zur Wurstherstellung durchaus geeignete Ware bezieht, die nach ihrer natürlichen Beschaffenheit eben nur durch ein Zerschneiden in fehlerfreie Ware gleichmäßigen Kalibers sortiert werden kann.

Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409736

BStBl III 1960, 395

BFHE 1961, 391

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