Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Absetzungen für Substanzverringerung bei einem gewerblich ausgebeuteten Kiesvorkommen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 5, § 6 Abs. 1 Ziff. 6, § 7 Abs. 2; EStDV § 4/1, § 6

 

Tatbestand

Der Bfin. gehört seit Jahrzehnte ein landwirtschaftliches Anwesen, das sie von ihrem verstorbenen Ehemann geerbt hat und selbst bewirtschaftet. Seit dem 1. Juli 1954 beutet sie ein im Bereich des Anwesens liegendes Kiesvorkommen gewerblich aus; sie hat es mit 36 000 DM in die Eröffnungsbilanz vom 1. Juli 1954 eingesetzt. In dem hier streitigen Veranlagungszeitraum hat sie hierauf eine Absetzung für Substanzverringerung in Höhe von 3000 DM vorgenommen. Das Finanzamt hat diesen Betrag dem Gewinn wieder hinzugesetzt, da eine solche Absetzung dann nicht möglich sei, wenn ein Aufwand für den Erwerb der Substanz nicht gemacht worden und auch nicht zu unterstellen sei.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht trat der Ansicht des Finanzamts bei und führte aus, daß ein Aufwand nur dann unterstellt werden könnte, wenn das Wirtschaftsgut zu einem Zeitpunkt angeschafft (oder hergestellt) worden wäre, in dem die Kosten in jetzt nicht mehr gültiger Währung (z. B. Reichsmark) zu bezahlen gewesen wären, oder wenn es sich um einen unentgeltlichen Erwerb gehandelt hätte. An beiden Voraussetzungen fehle es in dem vorliegenden Streitfall. Zu Unrecht beziehe sich die Bfin. auf die Richtlinien des Präsidenten des Landesfinanzamts, Köln vom 12. November 1935 und leite hieraus einen zwingenden Wertansatz und damit eine Absetzung für Substanzverlust her. Eine solche Möglichkeit hänge jedoch davon ab, daß auf das betreffende Wirtschaftsgut Aufwendungen, wie z. B. ein Kaufpreis oder Kosten für technische Erschließung gemacht worden seien.

Mit der Rb. wird unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gerügt. Die Vorentscheidung stütze sich zu Unrecht ausschließlich auf § 7 EStG 1953, wonach Absetzungen im Sinne dieser Vorschrift nicht Abzüge von den Einkünften wegen Wertverlustes, sondern grundsätzlich Verteilung des auf ein Wirtschaftsgut gemachten Aufwands über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr seien. Sie gehe auch zu Unrecht davon aus, daß hier ein Aufwand nicht zu unterstellen sei. Das Finanzgericht übersehe, daß sie (Bfin.) das landwirtschaftliche Anwesen und damit auch das Kiesvorkommen von ihrem verstorbenen Ehemann unentgeltlich erworben habe. Nach § 6 EStDV 1953 hätte sie das Kiesvorkommen im Zeitpunkt der Einbringung in den Betrieb mit dem Betrag einsetzen können, der in einer Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark auf den 21. Juni 1948 hätte angesetzt werden müssen. Die Berechtigung des Ansatzes von fiktiven Anschaffungskosten ergebe sich auch aus dem von ihr bereits im früheren Verfahren erwähnten vom Finanzgericht aber als nicht den Streitfall treffenden abgelehnten Urteil des Bundesfinanzhofs IV 186/56 U vom 9. Mai 1957 (BStBl 1957 III S. 246, Slg. Bd. 65 S. 32), das zwar zu einem Veräußerungsfall des § 36 EStDV 1950 ergangen sei, aber folgende Ausführungen enthalte: "Verneint man eine Besteuerung nach dieser Vorschrift (ß 36 EStDV) und hält die Ermittlung nach den allgemeinen Vorschriften für gegeben, dann wird es nicht angängig sein, sich auf Absatz 3 zu berufen. Es dürfte dann vielmehr der Forderung auf den Ansatz fiktiver Anschaffungskosten die Berechtigung nicht abgesprochen werden können".

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Wird ein Betrieb eröffnet, so tritt bei Ermittlung des Gewinnes an die Stelle des Betriebsvermögens am Schluß des vorangegangen Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen im Zeitpunkt der Eröffnung des Betriebes (ß 4 Abs. 1 EStDV 1953). Durch die von der Bfin. am 1. Juli 1954 begonnene gewerbliche Ausbeutung des Kiesvorkommens wurde es Gegenstand des Betriebsvermögens und war gemäß § 6 Abs. 1 Ziff. 6 EStG 1953 mit dem Teilwert, höchstens jedoch mit den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Da das landwirtschaftliche Anwesen und damit auch das Kiesvorkommen auf die Bfin. durch Erbgang nach dem (soweit sich aus den Akten ersehen läßt) vor dem Jahre 1946 verstorbenen Ehemann übergegangen ist, handelt es sich um einen unentgeltlichen Erwerb, für den Anschaffungs- oder Herstellungskosten begrifflich nicht in Frage kommen, so daß ausschließlich der Teilwert am Tage der Eröffnung maßgebend ist. Teilwert ist gemäß § 6 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 3 EStG 1953 der Betrag, den ein Erwerber den ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises ansetzen würde, wobei davon auszugehen ist, daß der Erwerber den Betrieb fortführt. Der Auffassung der Bfin., daß § 6 EStDV 1953 hier anzuwenden sei, kann nicht gefolgt werden. Das einem neu gegründeten Betrieb gewidmete Betriebsvermögen stellt keine Einlage dar, da der Begriff der Einlage einen bereits bestehenden Betrieb voraussetzt. Für den hier streitigen Fall kommt es daher nur auf den Teilwert im Zeitpunkt der Betriebseröffnung an. Für die künftigen Jahresbilanzen gilt dieser Wert als Anschaffungs- oder Herstellungskosten und ist auch für die Absetzungen für Substanzverringerung des § 7 Abs. 2 EStG zugrunde zu legen.

Das Finanzamt beruft sich zu Unrecht auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 331/38 vom 15. Juni 1938 (RStBl 1938 S. 870). Dieses Urteil betrifft einen Fall der Verwertung von Mineralvorkommen durch Vermietung und Verpachtung, während die Bfin. das Kiesvorkommen gewerblich ausbeutet. Ferner geht aus dem Tatbestand zu dem Urteil nicht hervor, ob der damalige Beschwerdeführer den Bauernhof entgeltlich oder - wie die Bfin. - durch Erbgang erworben hatte. Ganz abgesehen von diesen tatsächlichen Verschiedenheiten ist die Frage der für die Bemessung der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung maßgebenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten für gewerblich genutzte Wirtschaftsgüter durch §§ 5, 74 des D-Markbilanzgesetzes, § 6 Abs. 1 Ziff. 5 und 6 EStG 1953 bzw. § 4 ff. EStDV 1953 und für nicht zu einem Betriebsvermögen gehörende Wirtschaftsgüter durch § 13 EStDV 1953 ausdrücklich geregelt.

Da das Finanzgericht insoweit die Rechtslage verkannt hat, war die Vorentscheidung wegen Rechtsirrtums aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Bei der für den 1. Juli 1954 vorzunehmenden Wertfeststellung wird das Finanzgericht von der Menge des noch zu ermittelnden abbauwürdigen Kiesvorkommens mal dem Wertansatz für eine Tonne bzw. 1 cbm des vorhandenen Kiesvorkommens auszugehen haben. Diese Wertsätze werden nach dem Betrage festzustellen sein, der bei der Verpachtung von Kiesvorkommen je Tonne bzw. cbm an den Verpächter zu zahlen wäre, wenn sich der Pachtzins nach dem Umsatz richtete.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409734

BStBl III 1960, 346

BFHE 1961, 259

BFHE 71, 259

BB 1960, 929

DB 1960, 996

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