Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur vorübergehenden auswärtigen Beschäftigung eines ledigen Arbeitnehmers

 

Leitsatz (NV)

1. Eine ,,nur vorübergehende auswärtige Beschäftigung" i. S. von Abschn. 27 Abs. 5 Nr. 2a LStR 1975 (vgl. auch Abschn. 27 Abs. 5 Nr. 2a LStR 1978 und jetzt Abschn. 27 Abs. 6 Nr. 2a LStR 1987) muß von vornherein auf kurze Dauer angelegt sein. Dies ist auch dann der Fall, wenn zunächst ein entsprechendes Probearbeitsverhältnis vereinbart wird.

2. Wird ein Arbeitsverhältnis nach 6 Monaten beendet, so kann eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, daß es von vornherein auf diese Dauer befristet war oder ein Probearbeitsverhältnis bestand.

3. Mehraufwendungen für Verpflegung kann ein Lediger bei einer vorübergehenden auswärtigen Beschäftigung - abgesehen von den ersten 14 Tagen - nicht mit Pauschbeträgen geltend machen (Bestätigung von BFHE 126, 420, BStBl II 1979, 157).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1; LStR 1975 Abschn. 27 Abs. 5 Nr. 2a

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der ledige Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Betriebswirt, machte in seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1977 u. a. ,,Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung" (Unterkunftskosten am Arbeitsort in Höhe von . . . DM, Kosten für Heimfahrten in Höhe von . . . DM und Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von . . . DM) als Werbungskosten geltend. Hierzu führte er aus, er sei nur für kurze Zeit, nämlich vom 1. September 1977 bis 28. Februar 1978 in X angestellt gewesen; während dieser Zeit habe er seine Wohnung in Y beibehalten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte im Rahmen des durchgeführten Lohnsteuer-Jahresausgleichs die Berücksichtigung der geltend gemachten Mehraufwendungen ab.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, zwar könne nach neuerer Rechtsprechung ein lediger (geschiedener) Arbeitnehmer u. U. einem Verheirateten gleichgestellt werden, der einen doppelten Haushalt führe. Voraussetzung sei jedoch, daß der Ledige nur vorübergehend einer auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer nachgehe, den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen am bisherigen Wohnort beibehalte, dort seine Wohnung aufrechterhalte, nach Beendigung der Beschäftigung voraussichtlich wieder an diesen Wohnort zurückkehre und ihm deshalb die Aufgabe seiner Wohnung nicht zuzumuten sei. Im vorliegenden Fall, in dem der Kläger tatsächlich nach halbjähriger Beschäftigung in X wieder nach Y zurückgekehrt sei, könne man zwar von Kurzfristigkeit ausgehen, jedoch nicht annehmen, daß die Beschäftigung von vornherein auf Kurzfristigkeit angelegt gewesen sei. Denn dies habe der Kläger weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Der Hinweis des Klägers, daß durch seine Bewerbungsschreiben während des laufenden Arbeitsverhältnisses in X die beabsichtigte Kurzfristigkeit hinreichend dokumentiert werde, genüge zum Nachweis einer von vornherein angestrebten Kurzfristigkeit nicht. Das vom Kläger in diesem Zusammenhang genannte Bewerbungsschreiben vom 7. Dezember 1977 datiere aus einer Zeit drei Monate nach der Arbeitsaufnahme in X; es belege daher allenfalls, daß ab Dezember 1977 eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr geplant gewesen sei. Ferner erscheine es auch widersprüchlich, wenn der Kläger einerseits Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung geltend mache, zum anderen Umzugskosten pauschal angesetzt habe, die das FA auch anerkannt habe. Da im übrigen auch nicht ersichtlich sei, daß in X lediglich eine Notunterkunft angemietet worden sei, könnten die beantragten Mehraufwendungen nicht zum Abzug zugelassen werden.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er meint, das FG habe zu Unrecht die beantragten Mehraufwendungen nicht zum Abzug zugelassen. Denn er sei in der Zeit vom 1. September 1977 bis zum 28. Februar 1978 nur vorübergehend in X tätig gewesen und nach Beendigung dieser auswärtigen Tätigkeit wieder an seinen bisherigen Wohnort zurückgekehrt. Die Wohnung in Y habe er während seiner auswärtigen Beschäftigung beibehalten.

Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 10. Februar 1983 VI R 51/79 (BFHE 138, 212, BStBl II 1983, 515) entschieden, daß nicht verheiratete Arbeitnehmer beruflich veranlaßten Mehraufwand i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Werbungskosten absetzen könnten, wenn sie nur vorübergehend einer auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer nachgehen, den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen am bisherigen Wohnort beibehalten, dort ihre Wohnung aufrechterhalten, nach Beendigung der auswärtigen Beschäftigung voraussichtlich wieder dorthin zurückkehren und ihnen deshalb die Aufgabe ihrer Wohnung nicht zuzumuten ist. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liege bei einer auswärtigen Beschäftigung von sechs Monaten eine vorübergehende auswärtige Beschäftigung ,,von verhältnismäßig kurzer Dauer" vor. Da er auch wieder an seinen bisherigen Wohnort zurückgekehrt sei, sei es unerheblich, ob die auswärtige Beschäftigung von vornherein kurzfristig angelegt gewesen sei.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung des Bescheids über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 14. Dezember 1983 den Lohnsteuererstattungsbetrag 1977 auf . . . DM festzusetzen.

Das FA beantragt, unter Bezugnahme auf die Ausführungen des FG, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß ein lediger Arbeitnehmer, der - wie der Kläger - an seinem bisherigen Wohnort keinen eigenen Hausstand unterhält, Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung gemäß § 9 Abs. 1 Ziff. 5 EStG nicht geltend machen kann. Die Rechtsprechung hat ihn jedoch einem verheirateten Arbeitnehmer, der einen doppelten Haushalt führt, unter gewissen Umständen weitgehend gleichgestellt. Ein lediger Arbeitnehmer, der nicht bereit ist, umzuziehen und den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen an den neuen Beschäftigungsort zu verlegen, kann aber einem verheirateten Arbeitnehmer, der einen doppelten Haushalt führt, nur gleichgestellt werden, wenn er bei einem vorübergehenden auswärtigen Aufenthalt seine Wohnung und den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen am bisherigen Wohnort beibehält, nach Beendigung der auswärtigen Tätigkeit voraussichtlich wieder an diesen Ort zurückkehrt und ihm deshalb die Aufgabe seiner Wohnung nicht zuzumuten ist (Urteil in BFHE 138, 212, BStBl II 1983, 515, m.w.N.).

Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß der hier in Frage stehende Zeitraum von sechs Monaten als kurzfristig im Sinne der vorerwähnten Rechtsprechung anzusehen ist (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1982 VI R 123/81, BFHE 137, 474, BStBl II 1983, 269). Richtig ist auch, daß die auswärtige Beschäftigung von vornherein auf kurze Dauer angelegt sein muß, wie dies etwa bei einer von Anfang an begrenzten Tätigkeit als Soldat auf Zeit der Fall ist (Urteil in BFHE 138, 212, BStBl II 1983, 515). Voraussetzung ist jedoch nicht, daß auch feststeht, daß der Arbeitnehmer nicht auf Dauer bei diesem Arbeitgeber tätig sein wird. Deshalb kommen außer Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis insgesamt von vornherein zeitlich terminiert ist, vor allem auch Fälle in Betracht, in denen zunächst ein Probearbeitsverhältnis vereinbart wird. Auch dann kann der Arbeitnehmer nicht von vornherein mit einer dauernden Beschäftigung rechnen, so daß ihm ein Umzug unter Verlegung seines Lebensmittelpunkts ebensowenig zugemutet werden kann, wie bei einer von vornherein kurz befristeten Beschäftigung (vgl. v. Bornhaupt in Kirchhöf/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. G 265; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., 1987, § 9 Anm. 9 h). Im übrigen braucht der Arbeitnehmer die Kurzfristigkeit auch nicht in jedem Fall nachzuweisen. Dies gilt insbesondere dann, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, daß die Beschäftigung von vornherein auf kurze Dauer angelegt war.

2. Bei Beachtung dieser Grundsätze hätte das FG davon ausgehen müssen, daß die Beschäftigung des Klägers in X auf kurze Dauer angelegt war. Denn es gibt - abgesehen von der im Verfahren VI R 192/84 (betr. die Revision des Klägers in seiner Einkommensteuersache 1978) von dem dortigen FG angenommenen Fallgestaltung einer von vornherein vereinbarten Befristung der Beschäftigung in X auf sechs Monate - praktisch nur die Möglichkeit, daß der Kläger zunächst eine entsprechende Probezeit zu absolvieren hatte, die im allgemeinen für Anstellungen dieser Art sechs Monate beträgt und während der dem Kläger ein Umzug ebenfalls nicht zuzumuten war. Im Zusammenhang mit der tatsächlich erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach sechs Monaten spricht auch eine tatsächliche Vermutung dafür, daß das Anstellungsverhältnis entweder überhaupt auf sechs Monate befristet oder für diese Dauer zunächst ein Probearbeitsverhältnis vereinbart war. In solchen Fällen widerspricht es der Lebenserfahrung, ohne Vorliegen besonderer Anhaltspunkte von einer sofortigen unbefristeten Einstellung auszugehen.

Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, so daß sie gemäß § 126 Abs. 3 Ziff. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückverwiesen werden muß. Dieses wird bei seiner erneuten Entscheidung anhand der dafür in der Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze noch zu prüfen haben, ob der Kläger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen bei der Wohnung in Y behalten hat. Der Senat weist darauf hin, daß diese Frage im Verfahren VI R 192/84 von dem dortigen FG für die letzten zwei Monate der Beschäftigung in X bejaht worden war. Bei der Prüfung der geltend gemachten Beträge der Höhe nach wird das FG zu beachten haben, daß Mehraufwendungen für Verpflegung - abgesehen von den ersten 14 Tagen (vgl. dazu v. Bornhaupt, a.a.O., Rdnr. G 260) - nicht mit Pauschbeträgen geltend gemacht werden können (BFH-Urteil vom 10. November 1978 VI R 13-14/76, BFHE 126, 420, BStBl II 1979, 157). Ferner wird das FG ggf. zu berücksichtigen haben, daß das FA zu Unrecht Werbungskosten in Höhe der vom Kläger unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 1 des Bundesumzugskostengesetzes pauschal geltend gemachten Umzugsauslagen anerkannt hat. Denn wenn der Kläger seinen Lebensmittelpunkt nicht an den neuen Beschäftigungsort verlegt hat, kommt eine Berücksichtigung der Umzugskostenpauschale als Werbungskosten nicht in Betracht. Insoweit nimmt der Senat auf sein Urteil vom heutigen Tage VI R 192/84 Bezug. Ein Abdruck des Urteils VI R 192/84 wird der für das FA bestimmten Ausfertigung beigefügt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415586

BFH/NV 1988, 365

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge