Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bedeutung des Zeitpunktes der Verkündung des LAG für die Zulässigkeit von änderungen in der DM-Eröffnungsbilanz durch den Kaufmann.

 

Normenkette

DMBG § 74 Abs. 1; StAnpG § 2 Abs. 2; EStG § 4 Abs. 2 S. 2; DMBG § 75/1

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige hat in seiner DM-Eröffnungsbilanz für zwei Grundstücke den gegenüber dem Einheitswert höheren Ansatz der RM-Schlußbilanz übernommen, nämlich 20.000 DM an Stelle des Einheitswertes von 15.000 DM, bzw. 100.000 DM an Stelle eines Einheitswertes von 50.000 DM. Im Berufungsverfahren hat er mit Schreiben vom 24. Juli 1953 eine änderung der DM-Eröffnungsbilanz dahingehend beantragt, daß die Grundstücke mit ihren Einheitswerten angesetzt werden. Das Finanzgericht hat das abgelehnt. Es wies zunächst darauf hin, daß die Bilanzänderung zu einer Erhöhung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb führen müsse, selbst wenn man dem weiteren Antrag des Steuerpflichtigen folgen wollte, gleichzeitig für eines der beiden umstrittenen Grundstücke den Satz für die Abnutzungsabsetzungen von 2 auf 3 % zu erhöhen. Anlaß zu dem Antrag sei die Kopplungsvorschrift des § 75 Abs. 1 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG). Diese Vorschrift gelte auch für die Berechnung der Vermögensabgabe auf Grund des am 18. August 1952 verkündeten Lastenausgleichsgesetzes (LAG). Die Gestaltung des zukünftigen Lastenausgleichs sei aber schon vor der Verkündung des LAG aus dem steuerrechtlichen Schrifttum in großen Zügen bekannt gewesen. Der Steuerpflichtige habe bis spätestens Mitte 1952 Anlaß und Möglichkeit zu Erwägungen darüber gehabt, ob es nicht, auf lange Sicht betrachtet, steuerlich günstiger sei, in die DM-Eröffnungsbilanz statt der RM-Schlußbilanzwerte die Einheitswerte der Betriebsgrundstücke einzustellen. Der Beschwerdeführer (Bf.) habe seinen Antrag erst im Juli 1953 im Anhalt an die Ergebnisse einer Betriebsprüfung gestellt. Der Bundesfinanzhof habe in der Entscheidung I 103/51 U vom 29. Januar 1952, Slg. Bd. 56 S. 137, Bundessteuerblatt (BStBl.) 1952 S. 57, und in der Entscheidung I 147/52 U vom 23. März 1953, Slg. Bd. 57 S. 354, BStBl. 1953 III S. 140, die Möglichkeit von änderungen der DM-Eröffnungsbilanz wohl bejaht. Im vorliegenden Fall sei das Finanzgericht aber der Ansicht, daß die Voraussetzungen nicht gegeben seien, bei denen einer Bilanzänderung zuzustimmen sei. Den Antrag, den Prozentsatz für die Abnutzungsabsetzung auf 3 % zu erhöhen, lehnte das Finanzgericht ab.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist im Gegensatz zum Finanzgericht der Ansicht, daß die änderung der DM-Eröffnungsbilanz vom Finanzgericht hätte zugelassen werden müssen.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Der Senat hat in der Entscheidung I 147/52 vom 23. März 1953 anerkannt, daß der Steuerpflichtige berechtigt ist, die handelsrechtliche DM-Eröffnungsbilanz zu ändern und daß auf Grund des § 74 Abs. 1 DMBG diese änderung auch die änderung der steuerlichen DM-Eröffnungsbilanz zur Folge hat. Gleichzeitig spricht die Entscheidung aus, daß die in der DM-Eröffnungsbilanz eingesetzten Werte nicht willkürlich, sondern nur dort geändert werden können, wo beachtliche Gründe hierfür geltend gemacht und die Grundsätze von Treu und Glauben nicht verletzt werden. In der Entscheidung I 38/53 U vom 25. August 1953, Slg. Bd. 58 S. 320, BStBl. 1954 S. 36, wird ausgeführt, daß ein Steuerpflichtiger durch seine Erklärung dem Finanzamt gegenüber nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen von Treu und Glauben gebunden sei. Er könne seine Erklärung nicht willkürlich ändern. Das Verbot der Willkür gelte in gleicher Weise für den Steuerpflichtigen wie für das Finanzamt.

Im vorliegenden Falle hat der Steuerpflichtige nach Ansicht des Senats für die änderungen beachtliche Gründe geltend gemacht und auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Auf Grund der Betriebsprüfung wurden die Ansätze der handelsrechtlichen DM-Eröffnungsbilanz in einer Reihe von Punkten geändert, und zwar wie die Rb. unwidersprochen wiedergibt, in den Posten Waren, Fuhrpark und Pfandrückstellung. Es kann zweifelhaft sein, ob der Rechtssatz 1 der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 103/51 U vom 29. Januar 1952 die änderung durch den Bf. rechtfertigen könnte, da die Bilanzänderung nicht dazu dienen soll, die Wirkung der Betriebsprüfung auszugleichen. Die Bilanzänderung führt, worauf bereits das Finanzgericht hingewiesen hat, zu einer Erhöhung des steuerlichen Einkommens. Es ist, wie das Finanzgericht ausführt, anzunehmen, daß für die änderung der Lastenausgleich den Beweggrund bildete. Man wird jedoch in dieser Erwägung keinen Verstoß gegen Treu und Glauben erblicken können. Das LAG ist am 18. August 1952 verkündet worden. Erst auf Grund der Verkündung konnten die Steuerpflichtigen zuverlässig seine Auswirkungen überblicken. Es mag sein, daß die Steuerpflichtigen über die wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes sich schon vorher unterrichten konnten. Man wird aber doch davon ausgehen müssen, daß ihnen erst das Gesetz die volle Klarheit gegeben hat und daß die verspätete Verkündung des Gesetzes nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen darf.

Man kann somit unter diesen Verhältnissen eine Verwirkung des Wahlrechts durch den Steuerpflichtigen nicht annehmen. Es mag sein, daß die auf diese Weise den Steuerpflichtigen gegebenen Möglichkeiten Erschwerungen für die Verwaltungsarbeit bedeuten können. Sie sind aber eine Folge davon, daß das LAG erst nach dem Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung für II/1948 und 1949 verkündet worden ist.

Der Rb. ist somit in diesem Punkte stattzugeben. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur Durchführung der Veranlagung entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen an das Finanzamt zurückverwiesen.

 

Fundstellen

BStBl III 1955, 262

BFHE 1956, 162

BFHE 61, 162

BB 1955, 827

StRK, EStG:4 R 77

FR 1955, 473

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