Leitsatz (amtlich)

Der Betrieb einer Zierfischzucht (Tropenfischzucht) in Zuchtbehältern (Aquarien) ist ein landwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des § 46 Abs. 1 (früher § 55 Abs. 1) UStDB.

 

Normenkette

UStG 1951 § 4 Ziff. 19 (früher § 7 Abs. 2 Ziff. 2 a); UStDB 1951 § 46 (früher § 55)

 

Tatbestand

Der Bf. betreibt Tropenfischzucht (= Zierfischzucht) in Zuchtbehältern (Aquarien). Das Futter für die Jungfische, bestehend in den drei ersten Wochen aus kleinsten Lebewesen (Infusorien, Rädertierchen, Glockentierchen), später aus kleinsten (Mikro-), mittelgroßen (Grindal-) und größeren (Enchiträen) Würmchen, züchtet er in Behältern selbst; zum Teil verwendet er auch Lebendfutter, das er, zumeist unentgeltlich, aus Dorfteichen entnimmt (Wasserflöhe, Cyclopse, Cycopsnauplien, Daphnien). An die verkaufsfähigen Fische verfüttert er in geringen Mengen auch handelsübliches Kunstfutter. Er veräußert die gezüchteten Tropenfische an zoologische Handlungen, Zierfisch-Großhandlungen und Tiergärten.

Streitig ist, ob es sich hierbei um Lieferungen von innerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebes erzeugten Gegenständen handelt, die unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 31. März 1956 nur mit 1,5 v. H. zur Umsatzsteuer heranzuziehen waren und seit dem 1. April 1956 umsatzsteuerfrei sind. Die Vorinstanzen haben die Frage verneint, das Finanzamt, weil der Bf. keinen landwirtschaftlichen Betrieb unterhalte, das Finanzgericht, weil Tropen- (Zier-) fische nach der Verkehrsauffassung nicht als landwirtschaftliche Erzeugnisse anzusehen seien.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. ist der Erfolg nicht zu versagen.

Als landwirtschaftlicher Betrieb ist ein Betrieb anzusehen, dessen Hauptzweck auf die Landwirtschaft gerichtet ist. Als Landwirtschaft gelten insbesondere der Acker-, Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich der Wanderschäferei, die Fischzucht einschließlich der Teichwirtschaft und die Binnenfischerei (§ 46 Abs. 1, früher § 55 Abs. 1, UStDB 1951). Zur Fischzucht gehört die Zucht jeglicher Art von Fischen, also auch die Zucht von Tropen- oder Zierfischen.

Man kann den Begriff "Fischzucht" nicht -- wie es in der Einspruchsentscheidung geschieht -- mit der Begründung einengen, § 46 Abs. 1 (§ 55 Abs. 1) UStDB zähle die wichtigsten landwirtschaftlichen Betriebsarten auf, zu denen die Zierfischzucht-Betriebe, die ganz selten vorkommen, nicht gehörten. Man müßte dann auch Gärtnereien, die sich auf die Zucht bestimmter seltener Pflanzen oder Blumen spezialisiert haben und nur in geringer Zahl vorhanden sind, die Eigenschaft landwirtschaftlicher Betriebe absprechen. Es besteht kein Grund, selten vorkommende Spezialbetriebe, wenn sie unter eine der in § 46 Abs. 1 (§ 55 Abs. 1) UStDB aufgezählten landwirtschaftlichen Betriebsarten fallen, von der Steuerbefreiung (bzw. -begünstigung) auszuschließen. Auch der Zusatz in dieser Bestimmung "einschließlich der Teichwirtschaft" weist nicht auf eine Einschränkung des Begriffes "Fischzucht" hin. Das Wort "einschließlich" bedeutet sprachlich nicht eine Einschränkung, sondern eine Erweiterung (vgl. auch die in § 46 Abs. 1 Satz 2 UStDB vor der Fischzucht genannte Betriebsart "Weidewirtschaft einschließlich der Wanderschäferei"; vgl. auch § 13 Abs. 1 Ziff. 3 EStG, wo es heißt "Einkünfte aus ... Fischzucht und Teichwirtschaft").

Eher könnte man im Hinblick darauf, daß die Fischzucht ein Zweig der Landwirtschaft ist, Wert darauf legen, daß die Fischzucht unter den von der Natur gegebenen Bedingungen in Wasser stattfindet, das mit dem Erdboden in unmittelbarer Verbindung steht und unter natürlichen Wärme-, Druck- und Strömungsverhältnissen pflanzliche und kleintierische Bestandteile zur Entwicklung kommen läßt, die die Futtergrundlage für die Produkte der Fischzucht bilden. Aber auch diese Begründung für eine Einengung des Begriffes "Fischzucht" könnte nicht überzeugen. Das UStG und seine Durchführungsbestimmungen enthalten keine allgemeine Beschreibung des Begriffes "Landwirtschaft", in den die in § 46 Abs. 1 Satz 2 (§ 55 Abs. 1 Satz 2) UStDB bezeichneten Betriebsarten einzuordnen wären. Der Verordnungsgeber ist in dieser Vorschrift vielmehr den umgekehrten Weg gegangen und hat den Begriff "Landwirtschaft" an den hauptsächlichen landwirtschaftlichen Erscheinungsformen erläutert. Man kann daher allgemeine Merkmale für das Bestehen einer Landwirtschaft (wie Verbindung mit dem Grund und Boden, Beziehung zu einem landwirtschaftlichen Gesamtbetrieb und dergleichen) zur Umgrenzung der ausdrücklich und ohne einschränkende Zusätze einzeln aufgezählten landwirtschaftlichen Betriebsarten nicht verwenden. Das gilt insbesondere von dem Gesichtspunkt, der Boden des Gewässers müsse die Futtergrundlage für die Fische bilden. Denn die Voraussetzung, daß eine eigene Futtergrundlage vorhanden sein muß, ist nicht in § 46 Abs. 1 UStDB, in dem die Fischzucht aufgeführt ist, aufgestellt, sondern nur in dem enger gefaßten § 46 Abs. 2 UStDB, der unter anderem von der Tierzucht handelt. Die in der erstgenannten Vorschrift aufgeführten Betriebsarten rechnet der Verordnungsgeber zur Landwirtschaft, ohne besondere Bedingungen über Futteranteil und Bodenbewirtschaftung zu stellen. Eine unmittelbare Verbindung mit dem gewachsenen Boden ist auch beim Gartenbau (Zucht von Treibhauspflanzen in Kästen und Töpfen, Pilzzucht in Kellern) oft nicht gegeben, ohne daß deshalb diese Betriebsarten aus dem Gartenbau und damit aus der Landwirtschaft ausscheiden.

Rechtsirrig ist schließlich die Ansicht des Finanzgerichts, die Zucht von Tropen- und Zierfischen falle deshalb nicht unter die Befreiungs- (Begünstigungs-) vorschrift für die Landwirtschaft, weil die gelieferten Gegenstände nach der Verkehrsauffassung nicht als landwirtschaftliche Erzeugnisse anzusehen seien (§ 46 Abs. 7, früher § 55 Abs. 5 Satz 1 UStDB). Die unmittelbaren Naturprodukte werden stets als landwirtschaftliche Erzeugnisse angesehen. § 46 Abs. 7 (§ 55 Abs. 5 Satz 1) UStDB gewinnt nur Bedeutung, wenn das Produkt in seiner natürlichen Beschaffenheit durch menschliche Einwirkung verändert oder umgestaltet wird. Fische, auch Tropen- und Zierfische, sind als natürliche Produkte der Fischzucht immer landwirtschaftliche Erzeugnisse.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen und der Umsatzsteuerbescheid vom 28. Oktober 1957 waren daher aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Zur Umsatzsteuer heranzuziehen sind nur die vom Bf. im I. Kalendervierteljahr 1956 erzielten Umsätze von zusammen 2644 DM abzüglich 110 DM Versendungskosten = 2534 DM, und zwar zum Steuersatz von 1,5 v. H., so daß sich für 1956 eine Umsatzsteuer von 38 DM ergibt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425868

BStBl III 1961, 12

BFHE 1961, 31

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