Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkunftserzielungsabsicht als Voraussetzung für den Abzug von Werbungskosten; Zurechnung des Nutzungswerts aufgrund eines formlosen Leihverhältnisses

 

Leitsatz (NV)

1. Aufwendungen zur Renovierung eines Gebäudes sind nicht als Werbungskosten abziehbar, wenn das Gebäude anschließend nicht mehr zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen soll.

2. Eine gesicherte Rechtsposition, die zur Zurechnung des Nutzungswerts gemäß § 21 Abs. 2 EStG führt, kann sich auch aus einem Leihverhältnis ergeben, das keiner Form bedarf und auch durch schlüssiges Verhalten begründet werden kann. Entscheidend hierfür ist, ob der Eigentümer die Nutzung der überlassenen Wohnung dem Nutzenden nach Gutdünken wieder entziehen kann.

 

Normenkette

EStG §§ 2, 9 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Eigentümer eines gemischtgenutzten Grundstücks. Es enthielt im Erdgeschoß Garagen und Kellerräume, im ersten Obergeschoß einen von Fremden genutzten Versammlungsraum, im zweiten Obergeschoß und im Dachgeschoß eine Wohnung, die bis zum 30. September 1980 vermietet war. In den Streitjahren (ab 1. Oktober 1980 und im Jahr 1981) wandte er für umfangreiche Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten an dem Gebäude insgesamt Kosten von 348 808 DM auf. Nach Beendigung der Arbeiten im Jahre 1981 überließ er die Wohnung des Hauses seiner Tochter und seinem Schwiegersohn unentgeltlich zur Nutzung, ohne eine Vereinbarung über die Nutzungsdauer zu treffen. Mit Vertrag vom 20. Dezember 1982 übertrug er das Grundstück an seine Tochter zu einem Preis von 600 000 DM.

In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger die genannten Aufwendungen in voller Höhe als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend (163 309 DM für 1980 und 185 499 DM für 1981). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) beurteilte die Kosten als Herstellungskosten und berücksichtigte nur Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 2 v. H. Im Einspruchverfahren gewährte das FA für bestimmte Aufwendungen erhöhte Absetzungen (10 v. H.) nach § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Auf die übrigen Kosten gewährte es die Restwert-AfA nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 2,5 v. H. Ferner ließ das FA mit Rücksicht auf das Entfernen einzelner Mauerteile Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) in Höhe von 20 v. H. des Restwerts des Gebäudes vor Durchführung der Arbeiten zu.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Gebäude sei durch die Baumaßnahmen nicht wesentlich in seiner Substanz vermehrt und auch nicht in seinem Wesen erheblich verändert oder verbessert worden. Die Maßnahmen gingen nicht über eine übliche Modernisierung hinaus.

Dagegen richtet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung der §§ 7, 9 EStG i. V. m. § 21 EStG rügt.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA Änderungsbescheide vom 10. Dezember 1991 erlassen, mit denen es die Steuerfestsetzung teilweise für vorläufig erklärt hat. Diese Bescheide wurden auf Antrag des Klägers gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Der Kläger ist der Auffassung, es liege Erhaltungsaufwand vor, weil eine wesentliche, die übliche Modernisierung übersteigende Verbesserung des Zustandes nicht am Gebäude als Ganzem eingetreten sei. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Renovierungsmaßnahmen, die im April 1981 beendet gewesen seien, und der Übertragung des Grundstücks an die Tochter am 20. Dezember 1982 bestehe nicht. Er habe auch nach dem Einzug seiner Tochter weiterhin uneingeschränkt über die Wohnung verfügen können. Überdies sei die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Zurechnung des Nutzungswerts einer überlassenen Wohnung beim Nutzenden aufgrund einer gesicherten Rechtsposition für die Streitjahre nicht rückwirkend anwendbar.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat die strittigen Renovierungs- und Modernisierungsaufwendungen als abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beurteilt, ohne zu prüfen, ob der Kläger noch die Absicht hatte, Einkünfte aus der Nutzung des Gebäudes zu erzielen.

1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Über den Wortlaut dieser Vorschrift hinaus liegen Werbungskosten dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und der jeweiligen Einkunftsart ein Veranlassungszusammenhang besteht (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, 302, BStBl II 1990, 817). Werbungskosten sind bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige beabsichtigt, derartige Einkünfte zu erzielen (ständige Rechtsprechung; vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 1994 IX R 11/91, BFHE 176, 221, BStBl II 1995, 192 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn Aufwendungen zur Renovierung eines Gebäudes gemacht werden, das anschließend nicht mehr zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen soll. Dann fehlt es an dem notwendigen subjektiven Veranlassungszusammenhang (Urteil des Senats vom 21. Juni 1994 IX R 62/91, BFH/NV 1995, 108). Auch wenn man mit einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. Drenseck in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl. 1995, § 9 Anm. 2 d und j) die objektive Veranlassung für den Werbungskostenabzug genügen lassen würde, wären Renovierungskosten in derartigen Fällen nicht abziehbar; denn diese Aufwendungen sind nicht nur durch die vorausgegangene Vermietung, sondern auch durch die anschließende nichtsteuerbare Nutzung des Gebäudes verursacht. Beide Ursachen sind untrennbar miteinander verknüpft, so daß der gesamte Renovierungsaufwand nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht abziehbar ist (Urteil des Senats in BFH/NV 1995, 108).

2. Nach diesen Maßstäben erweist sich die Vorentscheidung als rechtsfehlerhaft und ist aufzuheben, weil das FG die Einkunftserzielungsabsicht des Klägers ohne nähere Prüfung unterstellt hat. Eine solche Prüfung war insbesondere deshalb geboten, weil nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt offen war, ob und in welchem Umfang der Kläger noch Einkünfte aus dem Haus zu erzielen beabsichtigte.

a) Für das an Dritte als Versammlungsraum überlassene erste Obergeschoß war jedenfalls kein Nutzungswert anzusetzen, da es sich hierbei nicht um eine Wohnung handelt (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1985 I R 157/81, BFHE 143, 348, 350, BStBl II 1985, 407). Ob der Kläger aufgrund der von den Nutzern getragenen Kosten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen konnte (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 1962 VI 308/61 S, BFHE 76, 329, BStBl III 1963, 120), hat das FG nicht geprüft.

b) Das FG hat ferner den Nutzungswert der an die Tochter des Klägers und deren Ehemann unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Wohnung nach § 21 Abs. 2 EStG dem Kläger zugerechnet, ohne in der Vorentscheidung dazu eine Begründung zu geben. Wie das Protokoll über den Erörterungstermin erkennen läßt, ist das FG wohl von einer ungesicherten Rechtsposition der Tochter und des Schwiegersohns des Klägers ausgegangen. Diese Rechtsauffassung durfte das FG aber nicht allein auf den -- vom FA nicht bestrittenen -- Vortrag des Klägers stützen, er habe mit seiner Tochter und seinem Schwiegersohn keine mündliche oder schriftliche Vereinbarung über die Dauer der unentgeltlichen Nutzung getroffen. Zwar setzt eine gesicherte Rechtsposition voraus, daß der Eigentümer dem Nutzenden den Gebrauch der Wohnung für eine grundsätzlich festgelegte Zeit nicht entziehen kann (BFH-Urteile vom 29. November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366; vom 29. November 1983 VIII R 184/83, BFHE 140, 203, 207, BStBl II 1984, 371; vom 21. Januar 1986 IX R 27/83, BFH/NV 1986, 456; vom 28. Januar 1992 IX R 144/86, BFH/NV 1992, 587). Eine gesicherte Rechtsposition kann sich aber auch aus einem Leihverhältnis ergeben, das keiner Form bedarf und auch durch schlüssiges Verhalten begründet werden kann (vgl. BFH-Urteile in BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366; in BFHE 140, 203, 207, BStBl II 1984, 371; BFH/NV 1986, 456; BFH/NV 1992, 587, und vom 21. September 1993 IX R 96/88, BFH/NV 1994, 307). Entscheidend hierfür ist, ob der Kläger seiner Tochter und ihrem Ehemann die Nutzung der überlassenen Wohnung nach Gutdünken wieder entziehen konnte (vgl. BFH in BFHE 140, 203, 207, BStBl II 1984, 371). Der Geschehensablauf im Streitfall, insbesondere die spätere Übertragung des Grundstücks auf die Tochter des Klägers, könnte dafür sprechen, daß dies nicht der Fall war, sondern daß die Tochter des Klägers und ihr Ehemann das Haus von Anfang an auf Dauer bewohnen sollten. Wenn das FG für diese beiden gleichwohl eine gesicherte Rechtsposition verneint hat und von einer Einkunftserzielung des Klägers nach § 21 Abs. 2 EStG ausgegangen ist, so hätte es dies näher begründen müssen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird die notwendigen Feststellungen nachholen und insbesondere aufklären müssen, ob und auf welche Weise der Kläger im Zeitpunkt der strittigen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen Einkünfte aus dem Haus zu erzielen beabsichtigte. Auf Antrag des FA wird es ggf. eine Beiladung der Tochter des Klägers zu erwägen haben (§ 174 Abs. 5 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Soweit sich der Kläger auf die vom Bundesminister der Finanzen erlassenen Übergangsregelungen zur Beurteilung von Nutzungsrechten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beruft (Erlasse vom 23. November 1983, BStBl I 1983, 508, 512 Tz. 54, und vom 15. November 1984, BStBl I 1984, 561, 566 Tz. 63), weist der Senat darauf hin, daß es sich insoweit um eine Billigkeitsregelung (§§ 163, 227 AO 1977) handelt.

Sollte sich auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen ergeben, daß der Kläger Einkünfte aus dem Gebäude zu erzielen beabsichtigte, wird das FG erneut darüber entscheiden müssen, ob und inwieweit es sich bei den strittigen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen um nachträgliche Herstellungskosten oder um Erhaltungsaufwendungen handelt. Hinsichtlich der dabei anzuwendenden Rechtsgrundsätze verweist der Senat auf das Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65427

BFH/NV 1996, 28

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