Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

übernimmt eine Gärtnerei auch die Grabpflege und werden hierzu fast ausschließlich oder in weitaus überwiegendem Umfange eigenerzeugte Pflanzen verwendet, so liegt grundsätzlich kein Gewerbebetrieb vor.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; EStG §§ 13, 15

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) betreibt auf gepachtetem Gelände (102 Ar) in der Nähe eines Friedhofs eine Gärtnerei, in der er außer dem Anbau von Gemüse und Blumen die Aufzucht von Pflanzen vornimmt. Für 1948 hat er außerdem die Betreuung von 550, für 1949 von 571 und für 1950 von etwa 600 Gräbern übernommen, und zwar nach seiner Darstellung in erster Linie, um mit Hilfe der Grabpflegeaufträge ein- bis zweimal jährlich die selbst herangezogenen Pflanzen günstig absetzen zu können. Für die Grabpflege wurden 20 bis 40 DM je Grab gezahlt. Auf die Friedhofsgärtnertätigkeit entfielen nach den Feststellungen des Finanzamts bei einem geschätzten Durchschnittssatz von 25 DM

je Grab ------- in II/1948: ------ 35,6 % --------------- in -- 1949: rund - 42 % ----------- und in -- 1950: rund - 35,7 % des jeweiligen Gesamtumsatzes, der II/1948 = 19.309 DM, 1949 = 34.183 DM, 1950 = 42.095 DM betragen hat; nach den Angaben des Stpfl.Das Finanzamt hat die gesamten Erträge zur Gewerbesteuer herangezogen. Nach seiner Ansicht stellten die Einnahmen aus der Grabpflege, in denen sowohl das Entgelt für die Lieferung der selbstgezogenen Pflanzen wie das für die Arbeitsleistung enthalten sei, den gewerblichen Charakter des Betriebes heraus; dieser werde gerade durch die Einnahmen aus der Friedhofstätigkeit lebensfähig gestaltet. Hinzu komme, daß bei den Grabpflegeeinnahmen die Entgelte für die Arbeitsleistung die für die Ausschmückung und Pflege überträfen. In entsprechender Anwendung des Urteils des Senats IV 250/52 U vom 2. Februar 1951 (Slg. Bd. 55 S. 171, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1951 III S. 65 = Steuerrecht in Karteiform - StRK -, Gewerbesteuergesetz § 2 Abs. 1 Rechtsspruch 18) müsse das Vorliegen eines gewerblichen Betriebs bejaht werden, wobei an die Stelle des nach dieser Entscheidung maßgebenden Zukaufs fremder Erzeugnisse, der im Streitfall nur 1 % betragen habe, die Werkleistung zu treten habe.

Das Finanzgericht hat die Gewerbesteuerpflicht verneint. Es hat durch eine Betriebsbesichtigung festgestellt, daß von der Gesamterzeugung (Pflanzen, Blumen und Gemüse) 2/3 frei im Laden und auf dem Großmarkt verkauft werden, während 1/3 - bezogen offenbar nur auf Blumen und Pflanzen - bei der Grabpflege verwendet wird. Nach der für die Friedhofskunden geführten Kartei entfällt auf Grund zahlreicher Stichproben auf die Pflanzenlieferung ein Anteil von 72,2 v. H., auf die Arbeitsleistung ein Anteil von 27,8 v. H. Der Stpfl. erkennt als nachhaltiges Verhältnis solches von 66 2/3 v. H. (Pflanzenlieferung) zu 33 1/3 v. H. (Arbeitsleistung) an. Der Betrieb macht nach der Ansicht des Finanzgerichts den Eindruck einer typischen Gärtnerei. Mit Bezug auf diese Ermittlungen führt es aus: Der Auffassung des Finanzamts, nach der, da auf den nur 1 % betragenden Zukauf die Gewerbesteuerpflicht nicht gestützt werden könne, an dessen Stelle die als einheitliche Leistung zu wertende Grabpflege (Pflanzenlieferung und Arbeitsleistung) zu treten habe, könne nicht gefolgt werden, sie sei zu sehr vom Umsatzsteuerrecht beeinflußt. Wie nach diesem Gesetz im Hinblick auf die verschiedenen Steuersätze im § 7 die Einnahmen aus der Grabpflege zu behandeln seien, könne auf sich beruhen, im Streitfall müsse eine gerechte Grenzziehung zwischen landwirtschaftlichen und gewerblichen Einkünften im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) gefunden werden. Durch die Lieferung selbsterzeugter Pflanzen zur Grabschmückung werde diesen der Charakter als landwirtschaftliche Erzeugnisse nicht genommen. Von Bedeutung sei einmal das Verhältnis des Wertes der Pflanzenlieferungen zu dem der Arbeitsleistung und sodann der Anteil der Entgelte für die letzteren am Gesamtumsatz. Hinsichtlich des ersten Punktes sei durch die Betriebsbesichtigung das Anteilsverhältnis von 72,2 v. H. zu 27,8 v. H. festgestellt, das im Einvernehmen mit dem Stpfl., um allen nachhaltigen Umständen Rechnung zu tragen, auf 66 2/3 v. H. zu 33 1/3 v. H. geändert werde. In dem zweiten Punkte habe sich unter Berücksichtigung der bei der Besichtigung gewonnenen Erkenntnisse - ausgehend vom Umsatz des Jahres 1950 - folgendes Zahlenbild ergeben:

a) Arbeitsleistungen: ---------- 6.000 DM = 14 2/7 v. H. des ------------------------------------------- Gesamtumsatzes b) Pflanzenlieferung eigener Erzeugung: -------------------- 12.000 DM = 28 4/7 v. H. des ------------------------------------------- Gesamtumsatzes Erlös aus Grabpflege: --------- 18.000 DM c) Erlös aus Gemüse- und Blumengärtnerei: -------------- 24.000 DM = 57 1/7 v. H. des ------------------------------------------- Gesamtumsatzes Gesamtumsatz ------------------ 42.000 DM.Hiernach entfalle von der Gesamterzeugung aus der Landwirtschaft von 36.000 DM 1/3 auf die zur Grabpflege verwendeten Pflanzen. Gehe man von den höheren Umsätzen der Jahre 1951 und 1952 aus, so würden für die Arbeitsleistungen statt 14 2/7 v. H. nur 12 v. H. und für die Eigenerzeugung 88 v. H. anzusetzen sein. Bei diesem Sachverhalt stelle sich als Hauptzweck des Betriebs die Gewinnung von Pflanzen dar; der Betrieb sei daher ein landwirtschaftlicher im Sinne von § 13 Abs. 1 Ziff. 1 EStG. Bei der Lieferung von Pflanzen zur Grabpflege handle es sich nur um eine besondere Art des Absatzes der landwirtschaftlichen Eigenerzeugnisse, die nicht dazu führen könne, diesen den landwirtschaftlichen Charakter abzusprechen. Der Betrieb des Stpfl. sei keine typische Friedhofsgärtnerei, deren Struktur und Zweck ausschließlich oder doch überwiegend auf das Erbringen gewerblicher Leistungen abgestellt sei und bei der die Erzeugung von Pflanzen und Blumen nur eine planmäßige Vorbereitungstätigkeit zur Erzielung der gewerblichen Hauptleistung darstelle. Bei dem Betrieb des Stpfl. habe sich weder äußerlich aus dem Geschäftsgebaren noch aus der inneren Gestaltung ein gewerblicher Hauptzweck feststellen lassen.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts wendet sich neben Ausführungen tatsächlicher Art, die in dem Antrag auf Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung an das Finanzgericht zur Vornahme einer Betriebsprüfung durch einen Fachprüfer zusammengefaßt werden, vor allem gegen die vom Finanzgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen Pflanzenlieferung und Arbeitsleistung. Damit setze es sich mit den in den Urteilen des Reichsfinanzhofs V A 93/37 vom 15. Oktober 1937 (Slg. Bd. 42 S. 180, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1937 S. 1179) und VI 194/40 vom 12. Juni 1940 (RStBl 1940 S. 713) enthaltenen Ausführungen in Widerspruch, nach denen Arbeitsleistung und Pflanzenlieferung als einheitliche gewerbliche Tätigkeit anzusehen seien. Da letztere am Gesamtumsatz mit 43 v. H. beteiligt sei, habe der Betrieb des Stpfl. nach dem bereits erwähnten, von der früheren Rechtsprechung abweichenden Urteil des erkennenden Senats vom 2. Februar 1951 trotz der in Höhe von 57 v. H. auf landwirtschaftliche Erzeugung entfallenden Tätigkeit als Gewerbebetrieb zu gelten.

 

Entscheidungsgründe

Die Darlegungen der Rb. sind nicht bedenkenfrei.

Zunächst kann ihnen insoweit nicht gefolgt werden, als sie den für den Zukauf fremder Erzeugnisse ausgesprochenen Grundsatz des Urteils IV 250/52 U vom 2. Februar 1951 auf den vorliegenden Fall anwendet, in dem zwar bezüglich der Grabpflege eine einheitliche Leistung vorliegt, diese aber nach den Feststellungen des Finanzgerichts in überwiegendem Umfange in der Lieferung eigenerzeugter Pflanzen besteht. Die Entscheidung vom 2. Februar 1951 beruht auf dem Gedanken, daß ein der Urproduktion zuzurechnender Betrieb nicht mehr gegeben ist, wenn er nachhaltig in nicht betriebsnotwendigem Umfang Handel treibt. Diese Beurteilung aber einer Betätigung zuteil werden zu lassen, die zu einem wesentlichen Teil in der Lieferung selbstgewonnener Erzeugnisse besteht, würde eine Außerachtlassung des wirtschaftlichen Inhalts eines Sachverhalts bedeuten, eines Gesichtspunkts, dem gerade im Steuerrecht ein maßgebendes Gewicht zukommt, und der insbesondere in den Fällen zu beachten ist, in denen es sich um die Abgrenzung von Einkunftsarten handelt. Es ist daher nicht angängig, eine Werkleistung, zu deren Erbringung überwiegend eigene Erzeugnisse verwendet werden, dem Zukauf fremder Erzeugnisse gleichzustellen.

Die Rb. kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs vom 15. Oktober 1937 und 12. Juni 1940 berufen. Das erstgenannte Urteil ist zur Umsatzsteuer ergangen. Dieser unterliegen Lieferungen und Leistungen. Wenn der Reichsfinanzhof die aus Pflanzenlieferung und Arbeitsleistungen bestehende Grabpflege als eine einheitliche Werkleistung ansieht, so kann daraus nicht ohne weiteres die Beantwortung der Frage entnommen werden, ob der Betrieb als Ganzes ein landwirtschaftlicher oder ein gewerblicher ist. In dem Urteil vom 12. Juni 1940 diente der Betrieb nach den tatsächlichen Feststellungen in der Hauptsache der Friedhofsgärtnerei. Eine solche stellt aber der Betrieb des Stpfl. unbestritten nicht dar. Sein Hauptzweck besteht in der Gewinnung von Pflanzen mit Hilfe von Naturkräften, in der Ausnutzung der Fruchtbarkeit des Bodens. Ohne die zur Grabpflege verwendeten eigenerzeugten Blumen und Pflanzen entfällt von dem Gesamtumsatz darauf allein ein Anteil von 57 v. H. Hierzu gehört auch das Herstellen von Kränzen und sonstigen Gebinden, für die nach dem Sachverhalt ganz oder bei einem Zukauf von nur rund 1 v. H. fast ausschließlich Eigenerzeugnisse verwendet werden. Die in dieser Beziehung in der Rb. vorgetragenen Bedenken beruhen auf Annahmen; aus dem vom Finanzamt nicht bestrittenen Zukauf in Höhe von 1 v. H. kann bei der Herstellung von Kränzen usw. aus Eigenerzeugnissen ebensowenig eine gewerbliche Betätigung hergeleitet werden, wie aus dem Zukauf von Blumenzwiebeln. Diese zur Aufzucht und Weiterkultur erworbenen Gegenstände dienen unmittelbar der Gewinnung von Eigenerzeugnissen; diese gehören daher ausschließlich zur Urproduktion. Das gleiche gilt für den Ankauf von Samen sowie für aus Wildlingen, Stecklingen und Jungpflanzen durch weitere Kultur gezogene Pflanzen, jedenfalls dann, wenn der wesentlichste Teil der Aufzucht auf der Tätigkeit des Gärtners beruht. Gärtnereien werden dann als Gewerbebetrieb anzusprechen sein, wenn sich die Tätigkeit in der Hauptsache auf die Anlegung, Schmückung und Pflege von Gräbern erstreckt. Daß Friedhofsgärtnereien, die sich nicht auf einen eigenen Erzeugungsbetrieb gründen, dem das für die Grabpflege benötigte Pflanzenmaterial entnommen wird, gewerbliche sind, bedarf keiner weiteren Ausführung. Auch wenn man der Rb. folgt und eine Aufteilung der in dem Grabpflegeübernahmevertrag liegenden einheitlichen Werkleistung oder eines Werklieferungsvertrags in Pflanzenlieferung und Arbeitsleistung im Gegensatz zur Vorentscheidung nicht für zulässig hält, so würde angesichts des auf die Grabpflege entfallenden Anteils von rund 43 v. H. wegen des hohen Anteils der verwendeten eigenerzeugten Pflanzen der landwirtschaftliche Charakter des Betriebs nicht beeinflußt werden. Trotz des Vorliegens eines bürgerlich- rechtlichen einheitlichen Vertrags (keines gemischten) kann bei der Zurechnung eines Betriebs zu einer bestimmten Einkunftsart in Fällen der vorliegenden Art die Tatsache nicht unbeachtet bleiben, daß auch die zur Grabpflege verwendeten Pflanzen und Blumen aus der eigenen Erzeugung stammen. Die Vorinstanzen haben einen einheitlichen Betrieb angenommen. Das wird angesichts der organisatorisch einheitlich vorgenommenen Aufzucht der Pflanzen und Blumen nicht zu beanstanden sein; jedenfalls liegen keine Umstände vor, um in der übernahme der Grabpflege einen selbständigen oder einen Nebenbetrieb des gärtnerischen Betriebs zu sehen. Die Grabpflege soll der Gärtnerei dienen und dient ihr auch dadurch, daß sie dem Stpfl. einen sicheren Absatz seiner gewonnenen Pflanzen gewährleistet. Wenn schon das Gesetz im § 13 Abs. 2 EStG die Einkünfte aus landwirtschaftlichen Verarbeitungsbetrieben (Molkereien, Käsereien, Kartoffeltrocknereien, Krautfabriken, Brennereien, Zucker-, Stärke-, Papierfabriken und dergl.) denen aus Landwirtschaft zurechnet würde es keine zutreffende Abgrenzung darstellen, wenn ein Betrieb, der mehr als 3/4 seiner Einnahmen aus Eigenerzeugnissen erzielt, als gewerblicher behandelt würde. Im Ergebnis muß daher der Auffassung des Finanzgerichts zugestimmt werden.

Soweit sich die Einwendungen der Rb. gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorentscheidung wenden, sind sie teils wegen der Beschränkung des Bundesfinanzhofs auf die rechtliche Nachprüfung (§§ 288, 296 der Reichsabgabenordnung - AO -) nicht mehr berücksichtigungsfähig, teils nicht begründet.

Dem Finanzamt ist das Ergebnis der vom Finanzgericht angeordneten Betriebsbesichtigung mitgeteilt worden. Daß es zu dieser nicht zugezogen wurde, stellt nach den Vorschriften der AO keinen Verfahrensmangel, zum mindesten keinen wesentlichen, dar. Das Finanzamt war ohne Einschränkung in der Lage, zu dem mitgeteilten Ergebnis Stellung zu nehmen und die nunmehr begehrte Betriebsprüfung selbst dann zu beantragen, wenn es richtig sein sollte, daß es infolge eines mit der Geschäftsstelle des Finanzgerichts geführten Telefongesprächs davon abgesehen haben will. Es liegen jedenfalls keine Tatsachen vor, daß das Finanzgericht die Struktur des Betriebs verkannt hat, und daß eine Betriebsprüfung daran etwas ändern würde.

Durch den Akteninhalt nicht gedeckt ist die in der Rb. besonders betonte Angabe, das Finanzgericht habe bei der Feststellung des Anteilsverhältnisses zwischen Pflanzenlieferung und Arbeitsleistung bei der Grabpflege nur die Kartei der Friedhofskunden für 1952 benutzt. Aus der Niederschrift ist das nicht zu entnehmen.

Nach alledem muß es bei der Vorentscheidung sein Bewenden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408168

BStBl III 1955, 223

BFHE 1956, 67

BFHE 61, 67

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge