Leitsatz (amtlich)

1. Gegen Verfügungen, die eine vZTA aufheben, ist die Klage an den BFH nach § 37 Nr. 2 FGO gegeben.

2. Fassadenplatten, die aus mit Asphalt getränkten Preßplatten aus Holzfasern von etwa 10 mm Stärke bestehen und auf beiden Seiten mit einer Asphaltschicht (vom etwa 4 mm, hinten etwa 1 mm dick) versehen sind, gehören zur Tarifnr. 48.09 GZT.

 

Normenkette

FGO § 37 Nr. 2; GZT ATV 3 a; GZT ATV 3 b; GZT Tarifnr. 48.09; GZT Tarifnr. 68.08

 

Tatbestand

Die Beklagte (Oberfinanzdirektion – OFD –) erteilte der Klägerin am 16. März 1972 eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über sog. Asphalt-Fassadenplatten, in der sie die Ware der Tarifnr. 68.08 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zuordnete („Waren aus Asphalt oder aus ähnlichen Stoffen – z. B. Erdölpech, Kohlenteerpech–”). Mit Verfügung vom 21. Dezember 1972 hob die OFD diese vZTA auf und teilte unverbindlich mit, die Ware gehöre zur Tarifnr. 48.09 („Bauplatten aus Papierhalbstoff, aus Fasern von Holz oder von anderen pflanzlichen Stollen, auch mit natürlichen oder künstlichen Harzen oder ähnlichen Bindemitteln hergestellt”).

Die Ware besteht nach den Mustern, welche der Erteilung der vZTA zugrunde lagen, aus einer etwa 10 mm dicken, gepreßten Platte aus Holzfasern, die beidseitig mit Asphalt getränkt ist. Auf der Schauseite ist eine 4 mm dicke Asphaltschicht aufgetragen, in die eine Mauerwerkstruktur eingewalzt und die mit farbigen Granulaten bestreut ist. Streitig ist, ob auch die Rückseite der Platte mit einer Asphaltschicht versehen ist. Die Ware soll nach den Angaben der Klägerin im Antrag auf Erteilung der Auskunft für „vorgehängte Fassadenverkleidungen” verwendet und aus den USA in Abmessungen 110 × 35,5 cm eingeführt werden.

Mit der Klage begehrt die Klägerin, die Verfügung vom 21. Dezember 1972 und die Einspruchsentscheidung der OFD aufzuheben und die Ware der Tarifnr. 68.08 zuzuweisen. Zur Begründung führt sie aus, die Ware sei durch die Tarifnr. 68.08 erfaßt. Das ergebe sich aus der Bezeichnung der Ware und aus den Angaben im Prospekt, die auf die Asphaltbeschichtung auch auf der Rückseite besonders hinwiesen. Nach den Erläuterungen zur Tarifnr. 68.08 Teil 1 Rdnr. 1 gehörten zur Tarifnr. 68.08 Waren, die u. a. aus Naturasphalt hergestellt seien. Nach diesen Erläuterungen könnten dem Naturasphalt Sand, Holzfasern usw. zugesetzt sein. Dieser Zusatz hindere die Zugehörigkeit zur Tarifnr. 68.08 nicht, wenn der Anteil von Naturasphalt gegenüber den Zuschlagstoffen von Bedeutung sei. Das sei hier mit 35 bis 36 % der Fall. Ob die Ware die Voraussetzungen der Rdnrn. 4 ff. der Erläuterungen a. a. O. erfülle, sei nicht entscheidungserheblich, da es sich hier lediglich um Beispiele handle.

Vorsorglich werde aber vorgetragen, daß die Voraussetzungen der Erläuterungen zur Tarifnr. 68.08 Teil I Rdnrn. 4 und 6 erfüllt seien. Da eine zweiseitige Beschichtung vorliege, sei die Ware auch nach der VO (EWG) 1592/71 der Tarifnr. 68.08 zuzuordnen. In den Erwägungsgründen dieser Verordnung werde ausgeführt, daß sich bei Anwendung der ATV 3 b ergebe, daß Waren ihren Charakter als Waren des Kap. 48 verloren hatten, wenn ihr Trägerstoff auf beiden Selten überzogen sei. Dieser Satz sei dahin auszulegen, daß bei jeder zweiseitigen Beschichtung der Platten den beiden Asphaltschichten die ausschlaggebende Bedeutung zukomme, ohne Rücksicht auf die Stärke dieser Schichten und der damit verbundenen Bedeutung für die Verwendung der Ware.

Unter die Tarifnr. 48.09 könne die Ware nicht subsumiert werden, weil sie nicht mit Harzen oder ähnlichen Bindemitteln, sondern mit Asphalt hergestellt sei. Im übrigen seien die Holzfasern nicht charakterbestimmend. Es sei zwar richtig, daß die Fasern wärmedämmend wirkten. Der Zweck der Platte bestehe aber in erster Linie darin, als Außenplatte die Feuchtigkeit abzuweisen. Das geschehe durch den Asphalt. Der Vorteil der Platte gegenüber dem Mauerstein bestehe darin, daß Regen und Luftfeuchtigkeit infolge der Asphaltbeschichtung nicht in die Wände eindringe, während das beim Mauerstein zunächst der Fall sei, dieser die Feuchtigkeit dann wieder abgebe, weil er porös sei.

Die OFD führt aus; Bei der streitigen Ware könne die Holzfaserplatte nicht lediglich als Unterlage oder Trägerstoff für den Asphalt angesehen werden, wie das in den Erläuterungen zur Tarifnr. 68.08 Teil I Rdnr. 5 und Teil III Rdnr. 2 gefordert werde. Sowohl Trägerstoff als auch Unterlage seien in den in den Erläuterungen genannten Fällen dazu bestimmt, die im Hinblick auf den vorgesehenen Verwendungszweck erwünschten Eigenschaften des Asphalts zur Geltung bringen zu lassen. Sie selbst seien für den vorgesehenen Verwendungszweck von untergeordneter Bedeutung. Gerade das aber sei bei den vorliegenden Fassadenplatten nicht der Fall. Die Holzfaserplatte bestimme wegen ihrer Form und Festigkeit und wegen ihrer hitze- und schallisolierenden Eigenschaften nach der Bedeutung in bezug auf die Verwendung den Charakter der Ware. Zum gleichen Ergebnis sei auch der Brüsseler Zollrat in einem Tarifavis gekommen, das eine vergleichbare Ware betreffe. Tarifavise seien nach einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EGH) beim Fehlen einschlägiger gemeinschaftsrechtlicher Erläuterungen als maßgebliche Erkenntnismittel anzusehen (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 8. Februar 1972 VII K 22/68, BFHE 105, 209).

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Nach § 37 Nr. 2 FGO entscheidet der BFH im ersten und letzten Rechtszug über Klagen wegen vZTA. Im vorliegenden Fall richtet sich die Klage nicht unmittelbar gegen eine vZTA, sondern gegen eine Verfügung der OFD, mit der eine vZTA aufgehoben worden ist. § 37 Nr. 2 FGO ist jedoch nicht eng auszulegen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut „Klage wegen verbindlicher Zolltarifauskünfte”. Die Zuständigkeit des BFH ist daher auch im vorliegenden Fall gegeben (vgl. auch BFH-Urteil vom 7. November 1972 VII K 27/69, BFHE 107, 330).

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Für die Tarifierung maßgebend sind der Gemeinsame Zolltarif – VO (EWG) 950/68 vom 28. Juni 1968 (ABlEG Nr. L 172 vom 22. Juli 1968 S. 1) – sowie ggf. besondere, unmittelbar anwendbare Verordnungen der Europäischen Gemeinschaften (EG) auf dem Gebiete des Zolltarifs (ZT). Nach Ihrer stofflichen Zusammensetzung kommen für die Tarifierung der Ware im vorliegenden Fall in Betracht die Tarifnrn. 48.09 und 68.08 GZT sowie die VO (EWG) 1592/71 der Kommission über die Einreihung von Waren in die Tarifnr. 68.08 GZT vom 23. Juli 1971. Keine der genannten Vorschriften kann jedoch unmittelbar angewendet werden.

Unter die Tarifnr. 68.08 fallen Waren aus Asphalt. Die Ware muß aus Asphalt gemacht sein und den Charakter einer solchen Ware behalten haben, selbst wenn ihr andere Stoffe zugefügt worden sind. Etwas anderes ergibt sich nicht etwa aus der ATV 2 b, nach der jede Anführung von einer Ware aus einem bestimmten Stoff für Waren gilt, die ganz oder teilweise aus diesem Stoff bestehen. Durch diese Bestimmung wird der Geltungsbereich einer Tarifnummer nicht so erweitert, daß die Bedeutung des in einer Tarifnummer nicht genannten zusätzlichen Stoffes völlig außer Betracht bleibt. Sonst wären auch die Bestimmungen der ATV 3 überflüssig. Etwas anderes kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht den Erläuterungen zur Tarifnr. 68.08 entnommen werden. Diese Erläuterungen besagen nicht, daß für die Zuordnung einer Ware unter die Tarifnr. 68.08 Menge, Bedeutung und Charakter der Stoffe, aus denen eine Ware neben dem Asphalt besteht, belanglos sind. Zwar gehören nach den Erläuterungen zur Tarifnr. 68.08 Teil I Rdnr. 1 zu dieser Tarifposition auch Waren, die neben Naturasphalt Zusätze von Sand Holzfasern usw. enthalten. Durch diese Zusätze darf aber der Charakter der Ware als einer solchen aus Asphalt nicht beeinträchtigt werden. Das ist hier jedoch der Fall. Die Ware besteht unstreitig sowohl aus Asphalt als auch u. a. aus Holzfasern. Sie weist nach dem insoweit unstreitigen Gutachten der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) Köln und des Chemikers Dr. F gewichtsmäßig zwischen 35,3 und 36 % Asphalt, zwischen 17 und 25,2 % Mineralkörner und zwischen 39,5 und 47 % Faserstoffe aus. Volumenmäßig machen der Asphalt etwa ⅓, die Faserstoffe etwa ⅔ aus. Hinsichtlich Gewicht und Volumen herrscht also der Faserstoff vor. Eine Ware dieser Zusammensetzung kann nicht unmittelbar der Tarifnr. 68.08 zugeordnet werden.

Aus den gleichen Gründen fällt die Ware auch nicht unmittelbar unter die Tarifnr. 48.09. Es handelt sich zwar um Bauplatten, die u. a. auch aus Fasern von Holz bestehen. Der nicht unbedeutende Anteil von Asphalt kann aber nicht unberücksichtigt bleiben.

Schließlich erfüllt die streitige Ware auch nicht die Voraussetzungen der VO (EWG) 1592/71, denn sie besteht nicht „aus einem Trägerstoff aus Papier oder Filzpappe”, sondern aus einer mit Asphalt beschichteten Holzfaserplatte. Das ist etwas wesentlich anderes. Die Verordnung grenzt, wie auch ihre Erwägungsgründe zeigen, nicht das ganze Kap. 48 GZT von der Tarifnr. 68.08 ab, sondern nur die Tarifnr. 48.07 (Papier und Pappe), die hier nicht in Betracht kommt. Auch eine entsprechende Anwendung der genannten Verordnung scheidet aus. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen ergibt, enthält die Verordnung eine Interpretation der ATV 3 b, d. h. sie geht davon aus, daß eine Ware ihren Charakter als Ware des Kap. 48 (Papier und Pappe) verloren hat, wenn Papier und Pappe nur als „Trägerstoff” für Asphalt dienen, der die Ware vollkommen umgibt. Diese Interpretation erscheint auch möglich, da sich schon aus der Qualifizierung von Papier und Pappe als „Trägerstoff” ergibt, daß dieses ohnehin wenig widerstandsfähige Material nur dazu bestimmt ist, den Asphalt oder die anderen in der Tarifnr. 68.08 genannten Stoffe erst verwendungsfähig zu machen. Die vorliegende Ware ist damit nicht zu vergleichen. Die 10 mm dicke gepreßte Platte aus Holzfasern kann nicht nur als Trägerstoff angesehen werden. Für den Charakter der Ware ist sie sicherlich nicht so unbedeutend wie das Papier oder die Pappe für die in der VO (EWG) 1592/71 näher beschriebene Ware.

Es liegt also eine gemischte oder zusammengesetzte Ware i. S. der ATV 2 b vor, die nach den Grundsätzen der ATV 3 zu tarifieren ist. Für die Ware kommen zwei Tarifnummern in Betracht, nämlich die Tarifnr. 48.09 und die Tarifnr. 68.08. Nach der ATV 3 a geht die Nummer mit der genaueren Warenbezeichnung der Nummer mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die Warenbezeichnung in einer Vorschrift der Erläuterungen an, sondern auf den Wortlaut des Tarifs selbst. Bei einem Vergleich der beiden in Betracht kommenden Tarifnummern ergibt sich, daß die Warenbezeichnung der Tarifnr. 48.08 (Bauplatten) im Hinblick auf den Verwendungszweck der Ware die genauere ist. Die ATV 3 a ist jedoch dahin auszulegen, daß von zwei oder mehr Tarifnummern, von denen sich jede auf einen der Stoffe der Ware bezieht, keine deshalb als genauer als die andere anzusehen ist, weil sie die betreffende Ware genauer oder vollständiger beschreibt (vgl. EGH-Urteil vom 25. September 1975, Rs. 28/75, EGHE 1975, 989).

Da die ATV 3 a also nicht zutrifft, greift die ATV 3 b ein, d. h. entscheidend für die Tarifierung ist der charakterbestimmende Bestandteil oder Stoff der Ware. Das ist im vorliegenden Fall die Holzfaserplatte. Sie macht mit ihrer Stärke von 10 mm und ihrem Gewichtsanteil – trotz des gegenüber dem Asphalt geringeren spezifischen Gewichts der Holzfasern – von mindestens 39,5 % die Ware erst zur Fassadenplatte. Sie gibt ihr die Form und die notwendige Festigkeit. Sie ist nicht nur als interne Verstärkung oder zu vernachlässigende Stütze des Asphalts anzusehen. Darüber hinaus hat sie nach den Angaben der Klägerin in den Prospekten die wesentliche Aufgabe der Hitze- und Schallisolierung. Nach den genannten Prospekten hat die Dämmplatte einen Dämmwert, der einem Hohlblock-Mauerwerk von ca. 90 mm oder einem Vollziegelmauerwerk von ca. 170 mm entspricht.

Sicherlich hat daneben auch die Asphaltbeschichtung eine Aufgabe, insbesondere zum Wetter- und Feuchtigkeitsschutz, die im Hinblick auf den Verwendungszweck der Ware nicht unwesentlich ist. Als charakterbestimmend ist aber dennoch die Holzfaserplatte anzusehen. Die Ware ist also so zu tarifieren, als bestünde sie ganz aus der Holzfaserplatte. Sie fällt daher unter die Tarifnr. 48.09 (Bauplatten aus Fasern von Holz). Diese Tarifierung wird bestätigt durch den Brüsseler Tarifavis in den Erläuterungen zur Tarifnr. 48.09 (Teil IV Rz. 1 bis 3). Dort ist eine Fassadenplatte, deren Zusammensetzung der hier streitigen Ware ähnlich ist, der Tarifnr. 48.09 zugeordnet worden.

Nach allem kommt es also nicht entscheidend darauf an, ob die Ware auch auf der Rückseite eine Asphaltschicht trägt. Etwas anderes kann nicht aus den Erläuterungen zur Tarifnr. 68.08 Teil I Rdnrn. 5 und 6 entnommen werden. Diese Bestimmungen stellen – wie auch die VO (EWG) 1592/71 – eine Anwendung der ATV 3 b auf bestimmte Warenalten dar. Aus ihnen ergibt sich nur, daß Unterlagen wie Filzpappe, Glasfasergewebe, sonstiges Gewebe, Aluminiumfolie, Papier oder dgl., die völlig mit Asphalt umgeben oder beidseitig damit beschichtet sind, nicht den Charakter der Ware bestimmen, sondern der Asphalt. Aus diesen Erläuterungen kann aber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geschlossen werden, daß alle völlig von Asphalt umgebenen Waren unabhängig von dem von Asphalt umgebenen Stoff unter die Tarifnr. 68.08 fallen. Vielmehr kommt es auch insoweit nach der ATV 3 b darauf an, welcher der Stoffe charakterbestimmend ist. Die streitige Ware weist wesentliche Unterschiede zu den in den zitierten Erläuterungen genannten Waren auf. Sie besteht nicht aus solchen im Verhältnis zum umgebenden Asphalt mehr oder weniger unbedeutenden Trägermaterialien, sondern enthält als Kern eine solide, 10 mm dicke Dämmplatte aus Holzfasern.

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Klägerin, die Ware falle nach den Erläuterungen zur Tarifnr. 68.08 Teil I Rdnr. 4 unter die genannte Tarifposition. Nach dieser Erläuterung gehören zur Tarifnr. 68.08 „Boden- und Wandplatten, Mauersteine usw., die durch Pressen oder Schmelzen hergestellt werden und zum Verkleiden, Belegen oder Pflastern dienen”. Es kann dahinstehen, ob die streitige Ware ohne weiteres unter den Tatbestand dieser Erläuterung fällt. Denn auch diese Bestimmung kann nicht isoliert betrachtet werden. Auch Waren der in ihr genannten Art können nur der Tarifnr. 68.08 zugeordnet werden, wenn sie tatsächlich Waren aus Asphalt sind bzw wenn der Asphalt der charakterbestimmende Stoff ist. Das ist hier aber nicht der Fall.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510449

BFHE 1976, 391

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