Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 7a, 10 Abs. 1 Ziff. 3

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt ein Baugeschäft, dessen Umsatz in II/1948 ca. 88 300 DM und in 1949 ca. 220 000 DM betrug. Daneben betreibt der Bf. noch eine kleine Landwirtschaft, die in diesen Jahren übernormale Gewinne aus Obst- und Schweineverkäufen abwarf. Für II/1948 und 1949 hatte der Bf. Steuervergünstigungen beantragt, und zwar:

Zusammenrechnung und zeitliche Aufteilung der in II/1948 und 1949 erzielten Gewinne (ß 15 des Gesetzes zur Durchführung der Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerveranlagungen für die Veranlagungszeiträume vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1948 (II. Halbjahr 1948) und das Kalenderjahr 1949 - Veranlagungsgesetz - vom 23. März 1950),

Bewertungsfreiheit für Ersatzbeschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter (ß 7a des Einkommensteuergesetzes - EStG -),

Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns (ß 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG).

Das Finanzamt lehnte die Bewilligung dieser Vergünstigungen ab, weil es der Buchführung des Bf. die Ordnungsmäßigkeit absprach. Bei einer Betriebsprüfung im November 1951 war hinsichtlich der Buchführung des Bf. festgestellt worden:

Der Bf. hatte für sein Baugeschäft eine doppelte Buchführung. Es wurde ein Tagebuch geführt, in das der Bf. oder seine Familienangehörigen die Grundaufzeichnungen über Bareinnahmen und Barausgaben, den Bankverkehr und die Kunden- und Lieferantenrechnungen eintrugen. Daneben wurde noch ein Baukontobuch geführt, in welchem die Lieferungen und Leistungen getrennt für jeden Auftraggeber aufgezeichnet wurden; ein besonderes Kassenbuch wurde neben dem Tagebuch nicht geführt. In jeweils etwa monatlichen Abständen übertrug der Steuerhelfer des Bf. die Grundaufzeichnungen des Tagebuchs in das Journal, das unter anderem auch ein Kassenkonto enthielt. Dabei wurden von dem Steuerhelfer Mängel in den Grundaufzeichnungen, die sich durch unrichtige Zeitfolge der Eintragungen, Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten ergaben, soweit dies irgend möglich war, auf Grund von Notizen und Belegen sowie durch Herbeiziehung der Kunden- und Lieferantenkartei beseitigt.

Einspruch und Berufung des Bf. blieben erfolglos. Das Finanzgericht kam zu dem Ergebnis, daß der Buchführung des Bf. die Ordnungsmäßigkeit abzusprechen sei, weil eine ordnungsmäßige Kassenführung fehle, was der Buchführung den Charakter einer kaufmännischen Buchführung nehme.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird eingewandt: Da das Finanzamt trotz Bemängelung der Grundaufzeichnungen und der Kassenführung die ausgewiesenen Umsätze und Gewinne anerkannt, der Veranlagung zugrunde gelegt und sich dabei mit höchst unbedeutenden Hinzuschätzungen von 200 DM für II/1948 und 300 DM für 1949 begnügt habe, könne der Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nicht versagt werden. Die festgestellten Mängel seien so geringfügig, daß eine Verwerfung der Buchführung nicht zu rechtfertigen sei. Die Zubilligung der Vergünstigungen könne deshalb nicht versagt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Die vom Bf. begehrten Vergünstigungen der zeitanteiligen Aufteilung der Gewinne auf die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949, der Bewertungsfreiheit für Ersatzbeschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und der Absetzung des nicht entnommenen Gewinns erfordern das Vorhandensein einer ordnungsmäßigen Buchführung.

Streitig ist, ob die vom Bf. geführten Bücher als ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung anzuerkennen sind.

Durch die Betriebsprüfung vom November 1951 ist zwar festgestellt worden, daß die geführten Grundaufzeichnungen gewisse Unvollständigkeiten und Unrichtigkeiten enthielten. Andererseits stellt der Betriebsprüfer aber selbst fest, daß diese Mängel durch gründliche überarbeitung der Notizen, Belege und der Kunden- und Lieferantenkartei allmonatlich durch den Helfer in Steuersachen bei den Journaleintragungen ausgeglichen wurden. Der Betriebsprüfer stellt ferner fest, daß es zu den Fehlern in den Grundaufzeichnungen durch die oft vorkommenden Gegenrechnungen, die zu Unübersichtlichkeiten führten, gekommen sei.

Als wie geringfügig der Prüfer selbst und ihm folgend das Finanzamt und das Finanzgericht die vorgekommenen Fehler angesehen haben, zeigt sich in den vorgenommenen Unsicherheitszuschlägen. Der Prüfer wie das Finanzamt und Finanzgericht haben sich damit begnügt, für II/1948 einen Betrag von 200 DM, für 1949 einen solchen von 300 DM den Buchergebnissen hinzuzusetzen, das heißt also für II/1948 etwa 2,5 v. T. des Umsatzes, für 1949 gar nur etwa 1,5 v. T.

Allein schon diese Folgerungen, die die Vorbehörden aus dem Zustand der Buchführung gezogen haben, zeigen, daß die vorgekommenen Fehler im Bereich der allgemeinen menschlichen Unzulänglichkeit liegen, nicht aber gegen die Grundgesetze der kaufmännischen Buchführung verstoßen. Es ist ferner in Betracht zu ziehen, daß der Barverkehr in einem Unternehmen wie dem des Bf. - Bauunternehmung - nicht annähernd die gleiche wichtige Rolle spielt, wie etwa in einem Einzelhandelsgeschäft. Endlich ist zu beachten, das sämtliche Barzahlungen namentlich aufgezeichnet wurden, so daß es an Hand der Grundaufzeichnungen und des Journals möglich war, für jeden Tag eine Kontrolle des Kassenbestandes vorzunehmen.

Somit betreffen die Beanstandungen, die gegen die Buchführung des Bf. zu erheben sind, nicht so wesentliche Fehler, daß sie der Buchführung den Charakter einer kaufmännischen Buchführung zu nehmen imstande sind. Da das Finanzamt im übrigen die Ergebnisse der Buchführung - lediglich unter Hinzuschätzung höchst belangloser Beträge - der Veranlagung zugrunde gelegt hat, können dem Bf. auch die Steuervergünstigungen nicht vorenthalten werden. Dem steht nicht entgegen, daß der Bf. für seinen sehr kleinen landwirtschaftlichen Betrieb keine Bücher geführt hat. Es handelt sich dabei um einen nach Durchschnittsätzen zu veranlagenden landwirtschaftlichen Betrieb (VOL-Betrieb), hinsichtlich dessen den Bf. keine Buchführungspflicht traf (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 99/53 U vom 25. März 1954, Slg. Bd. 59 S. 84, Bundessteuerblatt 1954 Teil III S. 241).

Demgemäß sind die angefochtene Entscheidung sowohl wie die Einspruchsentscheidung des Steuerausschusses beim Finanzamt vom 26. Februar 1952 aufzuheben; die Sache ist an das Finanzamt zurückzuverweisen, das dem Bf. nunmehr die von ihm begehrten Vergünstigungen zu gewähren hat.

 

Fundstellen

BStBl III 1956, 3

BFHE 1956, 6

BFHE 62, 6

DB 1956, 35

StRK, EStG:4 R 95

FR 1956, 256

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