Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen eines Versandhauses zur Herstellung von Katalogen brauchen nicht aktiv abgegrenzt zu werden. Das gilt auch, soweit die Aufwendungen Kataloge betreffen, die am Bilanzstichtag noch nicht versandt sind, es sei denn, es handelt sich um auf Vorrat hergestellte Kataloge für spätere Werbeaktionen. 2. Macht ein Steuerpflichtiger bei einer nur auf § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO gestützten Berichtigungsveranlagung von seinem Wahlrecht Gebrauch, Betriebssteuern durch Rückstellungen in der Bilanz des Jahres zu berücksichtigen, zu dem sie wirtschaftlich gehören, so kann ihm, falls hierdurch die bei der ursprünglichen Veranlagung dieses Jahres festgesetzte Steuer unterschritten wird, nicht die Schranke des § 234 AO entgegengehalten werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, §§ 5, 6/1/1; AO § 234

 

Tatbestand

Streitig ist die bilanzmäßige Behandlung von Katalogkosten eines Versandhauses (OHG).

Das Finanzamt grenzte bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streitjahre 1957 und 1958 die Katalogkosten zum 30. September 1957 (Bilanzstichtag) mit 335 000 DM und zum 30. September 1958 mit 484 250 DM aktiv ab. In diesen Beträgen steckten für den bereits versandten Herbst-Winter-Katalog 253 000 DM und 323 000 DM und für die an den Stichtagen noch in Vorbereitung befindlichen Weihnachts- und Hauptkataloge 96 000 DM und 162 500 DM. Bei den letztgenannten Kosten handelt es sich um die jeweils bis zum 30. September angefallenen Herstellungskosten; bei den Kosten für den bereits versandten Herbst-Winter-Katalog um eine Rechnungsabgrenzung, weil die an den Stichtagen versandten Kataloge einen über diese hinausreichenden Nutzen hätten. Den von der Steuerpflichtigen begehrten Abzug als Betriebsausgaben ließ das Finanzamt insoweit nicht zu.

Auf die Berufung hat das Finanzgericht den Abzug der vollen Kosten als Betriebsausgaben anerkannt. Es handele sich, so führt das Finanzgericht im wesentlichen aus, um Werbeaufwendungen, die als Vertriebskosten nicht aktivierungspflichtig seien. Es lägen keine aktivierungspflichtigen Wirtschaftsgüter im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vor. Selbst wenn man dem IV. Senat des Bundesfinanzhofs im Urteil IV 222/56 U vom 22. Mai 1958 (BStBl 1958 III S. 333, Slg. Bd. 67 S. 160) folgen würde, daß für den Ansatz eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens der Begriff des Wirtschaftsguts nicht erfüllt zu sein brauche, so käme eine Aktivierung unter dem Gesichtspunkt der Periodenabgrenzung gleichwohl nicht in Betracht, weil sich keine einigermaßen zuverlässigen Schätzungsgrundlagen ermitteln ließen. In einem solchen Falle könne der Steuerpflichtige zu einer Rechnungsabgrenzung nicht verpflichtet werden. Das gelte um so mehr, als es sich um jährliche, wenn auch in unterschiedlicher Höhe laufend wiederkehrende Aufwendungen handele und damit zu rechnen sei, daß die dadurch entstehenden Gewinnveränderungen über einen längeren Zeitraum gesehen sich im wesentlichen ausglichen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet.

Der Senat schließt sich der Auffassung des Finanzgerichts an und verweist noch auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 167/62 U vom 9. Oktober 1962 (BStBl 1963 III S. 7, Slg. Bd. 76 S. 16). Die Ausführungen des Finanzgerichts entsprechen den dort zur Aktivierungspflicht von wiederkehrenden Werbeaufwendungen angestellten überlegungen. Für die streitigen Aufwendungen kommt somit eine Aktivierung unter dem Gesichtspunkt der aktiven Rechnungsabgrenzung besonders deshalb nicht in Betracht, weil es sich um regelmäßig wiederkehrende und nicht in einzelnen Wirtschaftsjahren zusammengeballte Werbeaufwendungen handelt und keine Gewinnverzerrungen eintreten.

Der vom Finanzgericht betonte Grundsatz, daß Vertriebskosten im Rahmen der Herstellungskosten nicht zu aktivieren sind, ist zwar richtig, hat hier aber keine Bedeutung. Denn von diesen nicht aktivierungsfähigen Vertriebskosten sind Aufwendungen für solche Wirtschaftsgüter zu unterscheiden, die für Werbezwecke hergestellt werden und am Bilanzstichtag im Betriebsvermögen des Unternehmens noch vorhanden sind. Mit derartigen Wirtschaftsgütern lassen sich nach Auffassung des Senats die Kataloge selbst aber nicht vergleichen. Das zeigt sich schon darin, daß ein Erwerber des Unternehmens für die aufgewendeten Werbeaufwendungen des Veräußerers auch dann ein Entgelt entrichten würde, wenn die Kataloge am Bilanzstichtag bereits versandt sind. Die Höhe dieses Entgelts richtet sich nach den Aufwendungen, die dem Veräußerer durch die Werbeaktion als solche erwachsen sind und danach, mit welchem Nutzen der Erwerber noch rechnen kann. Eine andere Beurteilung wäre dann gerechtfertigt, wenn ein Unternehmer seinen Vorrat an Katalogen für mehrere Jahre im voraus deckt. Der Erwerber solcher Kataloge macht Ausgaben für erst künftig entstehenden Aufwand. Sie sind daher als Wirtschaftsgüter zu aktivieren.

Der Vorsteher des Finanzamts rügt hilfsweise, daß das Finanzgericht, obwohl es sich bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1958 um einen Berichtigungsbescheid zuungunsten der Steuerpflichtigen (§ 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO) gehandelt habe, unter Verletzung der Vorschrift des § 234 AO den im ursprünglichen berichtigten Bescheid 1958 festgestellten Gewinn dadurch unterschritten habe, daß es erst in der Vorentscheidung die von der Steuerpflichtigen verlangte Gewerbesteuerrückstellung in die Bilanz des abweichenden Wirtschaftsjahres 1957/58 in Höhe von 47 000 DM nach Maßgabe des Gutachtens des Bundesfinanzhofs I D 1/60 S vom 24. Januar 1961 (BStBl 1961 III S. 185, Slg. Bd. 72 S. 505) eingesetzt habe.

Diese Rüge ist unbegründet. Im Urteil I 248/60 U vom 21. August 1962 (BStBl 1962 III S. 501, Slg. Bd. 75 S. 643) hat der I. Senat des Bundesfinanzhofs in einem ähnlich liegenden Fall einer Umsatzsteuerrückstellung anerkannt, daß die Schranke des § 234 AO nicht gelte. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Auch er hält es nicht für gerechtfertigt, einerseits dem Steuerpflichtigen bei der Berücksichtigung eines Betriebssteueraufwands durch Bildung von Rückstellungen in den Bilanzen der durch die Berichtigungen betroffenen Wirtschaftsjahre ein Wahlrecht einzuräumen, ihm andererseits aber bei Ausübung dieses Wahlrechts die Schranke des § 234 AO entgegenzuhalten, so daß sich die Rückstellung bei der Veranlagung nur teilweise auswirken würde. Es erscheint in diesem besonders gelagerten Fall vertretbar, § 234 AO insoweit nicht anzuwenden. Andernfalls müßte dem Steuerpflichtigen gestattet werden, die Rückstellungen nur in der Höhe in die Bilanzen der Jahre einzustellen, zu denen die Steuerlast wirtschaftlich gehört, in der sie sich bei den Berichtigungsveranlagungen (§ 222 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit § 234 AO) steuerlich auswirken können. Das würde zu einer rechnungsmäßig komplizierten Aufteilung der Rückstellungen führen, deren Auswirkung der Steuerpflichtige bei Ausübung des Wahlrechts wegen der Unsicherheit eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens schwer übersehen könnte. Aus diesen Gründen hält es der Senat für gerechtfertigt, sich der Auffassung des I. Senats im Urteil I 248/60 U anzuschließen. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht für den Veranlagungszeitraum 1958 nach dem Ergebnis des abweichenden Wirtschaftsjahrs 1957/58 einen Gewinn einheitlich festgestellt hat, der wegen der inzwischen vorgenommenen Gewerbesteuerrückstellung von 47 000 DM den ursprünglich festgestellten einheitlichen Gewinn des Veranlagungszeitraums 1958 unterschreitet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410997

BStBl III 1964, 138

BFHE 1964, 355

BFHE 78, 355

BB 1964, 293

DB 1964, 571

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