Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Betriebsprüfung Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Für die bei der Prüfung eines Erstattungsanspruchs bedeutsame Frage, zu wessen Gunsten eine beim Finanzamt eingehende Steuerzahlung zu verrechnen ist, kommt es auf den Willen des Zahlenden an, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt gegenüber erkennbar hervorgetreten ist.

 

Normenkette

AO §§ 124, 150, 152

 

Tatbestand

Streitig ist die für eine etwaige Aufrechnung bedeutsame Frage, ob dem Bg. ein Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuer und Abgabe "Notopfer Berlin" (NOB) zusteht.

Die Ehefrau des Bg. (Frau A.) war laut Vertrag vom 8. April 1948 zur Hälfte stille Teilhaberin der handelsgerichtlich als Einzelfirma eingetragenen Firma (Firma W.), bei der der Bg. Angestellter war. Da das Finanzamt von der Beteiligung zunächst keine Kenntnis hatte, betrachtete es Herrn XW. als Alleinunternehmer. Vorauszahlungen auf Einkommensteuer und NOB wurden auf eine Beschwerde der Firma ab 21. Juni 1948 auf 0 DM festgesetzt.

Ab Januar 1950 gingen beim Finanzamt Einkommensteuer- Vorauszahlungen ein. Die Zahlungsanweisungen trugen den Stempel der Firma W. und waren vom Bg. unterzeichnet. Das Finanzamt verbuchte diese Beträge auf dem Steuerkonto mit der Steuer-Nr. 22/156. Es handelte sich dabei um das persönliche Steuerkonto des Herrn XW., auf dem auch die Umsatzsteuer der Firma verbucht wurde. Auf mindestens einem Teil der Zahlungsanweisungen ist diese Steuer-Nummer auch ausdrücklich im Betreff genannt. Dies gilt jedenfalls für die überweisungen vom 6. April 1950 und 7. Juni 1950 und einer Zahlung, deren Anweisung am 11. Dezember 1950 beim Finanzamt einging.

Am 16. Juni 1950 erging ein Vorauszahlungsbescheid gegen Herrn XW. Daraufhin teilte der die Steuerangelegenheiten der Firma und des Bg. bearbeitende Steuerbevollmächtigte dem Finanzamt mit Schreiben vom 19. Juli 1950 mit, daß Frau A. seit Bestehen der Firma W. zur Hälfte an deren Gewinn und Verlust beteiligt sei, und beantragte, die geleisteten Vorauszahlungen zum Teil auf Frau A. umzubuchen und entsprechende Vorauszahlungsbescheide zu erteilen. Das Finanzamt bat daraufhin am 22. Juli 1950 um Einreichung des Gesellschaftsvertrags. Dies geschah - zusammen mit der Erklärung zur einheitlichen Gewinnfeststellung II/1948 und 1949 - am 29. Dezember 1950. Die Erklärung ist von Frau A. unterschrieben und bezeichnet die Rechtsform der Firma W. als Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Mit Bescheid vom 27. April 1951 erkannte das Finanzamt eine Mitunternehmerschaft zwischen Frau A. und Herrn XW. an. Durch Einkommensteuerbescheid II/1948 und 1949 vom 12. Mai 1951 wurde dem Bg. erstmals eine Steuer-Nummer zugeteilt, unter der er von da an seine Einkommensteuer-Vorauszahlungen leistete.

Die am 19. Juli 1950 beantragte Umbuchung der Vorauszahlungen auf Frau A. wurde nicht vorgenommen. Sie unterblieb auch, nachdem beim Finanzamt eine mit dem Stempel der Firma W. versehene, vom Vater des Herrn XW. mit dem Zusatz "i. V. W." unterzeichnete Mitteilung vom 12. Februar 1951 eingegangen war, daß XW. damit einverstanden sei, daß die Einkommensteuer-Vorauszahlungen insoweit Frau A. gutgeschrieben würden, als seine steuerlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung seines hälftigen Anteils an der Firma W. überzahlt worden seien.

Zum 31. Dezember 1950 veräußerte XW. seinen Anteil an der Firma W. an Frau A. Seine Steuerakten wurden im Laufe des Jahres 1951 mit der Sollkarte an das für ihn zuständige Finanzamt übergeben.

Der Bg. kam in der folgenden Zeit erneut auf die seines Erachtens umzubuchenden Beträge zurück: Am 5. Juli 1952 beantragte er, die Abschlußzahlung an Einkommensteuer und NOB für das Jahr 1950 in Höhe von 2.724 DM durch übertragung vom Konto des Gesellschafters XW. zu decken. Hierauf wurde die Abschlußzahlung zunächst gestundet und nach Widerruf der Stundung vom Bg. im Juni und Oktober 1953 bezahlt.

Die überzahlungen auf dem Steuerkonto des XW. wurden diesem nach Durchführung der Veranlagungen 1950 und 1951 im Jahre 1953 von seinem Wohnsitz-Finanzamt erstattet.

Nachdem eine Betriebsprüfung bei der Firma W. zu einer Nachforderung an Einkommensteuer und NOB für die Jahre II/1948 bis 1950 in Höhe von 2.707,36 DM führte, erklärte der Bg. am 10. November 1954, daß er mit dem ihm aus der überzahlung der Vorauszahlungen zustehenden Erstattungsanspruch in Höhe von 2.868,55 DM aufrechne. Das Finanzamt lehnte den Erstattungsantrag, der die Voraussetzung für die Aufrechnung bildete, unter anderem mit der Begründung ab, auf sämtlichen fraglichen Steuerzahlungsbelegen sei XW. selbst als Einzahlender bezeichnet.

Mit seinem Einspruch machte der Bg. geltend, das Finanzamt hätte spätestens mit dem Bekanntwerden und der Anerkennung des Gesellschaftsverhältnisses die Vorauszahlungsbeträge beiden Gesellschaftern je zur Hälfte anrechnen müssen.

Im Zuge weiterer Nachforschungen erklärte der frühere Gesellschafter XW. in einer mündlichen Verhandlung vor seinem zuständigen Finanzamt, der Steuerbevollmächtigte, der das Schreiben vom 19. Juli 1950 unterzeichnet habe, sei nur für die Firma W. und den Bg., nicht aber für ihn persönlich tätig gewesen. Das Schreiben seines Vaters vom 12. Februar 1951 sei ohne seine Kenntnis und Vollmacht abgesandt worden. Der Einspruch des Bg. wurde daraufhin als unbegründet zurückgewiesen.

Die Berufung des Bg. führte zur Aufhebung des ablehnenden Bescheids und der Einspruchsentscheidung. Das Finanzgericht stellte die Verpflichtung des Finanzamts fest, dem Bg. den Betrag von 2.946,95 DM zu erstatten. Es ging davon aus, daß die von der Firma W. geleisteten Vorauszahlungen zunächst als Zahlungen des XW. in Erscheinung getreten seien. Jedoch habe das Schreiben vom 19. Juli 1950 eindeutig klargelegt, daß die Firma auch für die gleichfalls beteiligte Frau A. habe zahlen wollen. Nachdem die Firma die Zahlungen geleistet habe, könne sie auch bestimmen, auf wessen Rechnung dies geschehen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Da der Bg. mit einem Erstattungsanspruch aufrechnen will, geht es - wie die Vorinstanz nicht verkannt hat - in diesem Rechtsstreit um die Frage, ob ihm ein Erstattungsanspruch nach § 152 Abs. 1 AO zusteht (vgl. § 124 AO). Das Finanzgericht hat auch mit zutreffender Begründung ausgeführt, daß der Erstattungsanspruch innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen geltend gemacht worden ist. Richtig ist ferner, daß der Erstattungsanspruch nur demjenigen zusteht, für dessen Rechnung die Zahlungen zur Tilgung einer Steuerschuld geleistet worden sind. Einem Dritten, der die Steuer an Stelle des Steuerschuldners bezahlt hat, steht der Erstattungsanspruch nicht zu (Urteile des Bundesfinanzhofs II 54/55 U vom 14. Dezember 1955, BStBl 1956 III S. 46, Slg. Bd. 63 S. 122; II 189/56 U vom 9. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 180, Slg. Bd. 70 S. 480; VI 124/60 U vom 12. Mai 1961, BStBl 1961 III S. 377, Slg. Bd. 73 S. 305). Für die Frage, auf wessen Rechnung eine Zahlung geleistet ist, kommt es auf den Willen des Zahlenden an, soweit dieser dem Finanzamt gegenüber erkennbar hervorgetreten ist.

Die Vorinstanz hat aus diesen Grundsätzen zu Recht den Schluß gezogen, daß das Finanzamt - jedenfalls bis zum 19. Juli 1950 - die eingegangenen Beträge als Vorauszahlungen des Herrn XW. betrachten durfte. Das Finanzgericht ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß sämtliche hier in Frage stehenden Zahlungen als Absender die Firma W. erkennen lassen. Die Zahlungsanweisungen tragen, wie sich aus dem klaren Inhalt der Akten ergibt, mindestens teilweise den Vermerk "betrifft Steuer- Nr. 22/156", also die persönliche Steuer-Nummer des XW. Zwar ist die Firma W. nicht Steuerschuldnerin der Einkommensteuer gewesen. Es entspricht jedoch einem häufig geübten Verfahren, daß die Mittel zur Tilgung der persönlichen Steuerschulden des Betriebsinhabers dem Betrieb entnommen und aus Gründen der einfacheren Verrechnung vom Betrieb unmittelbar an das Finanzamt abgeführt werden. Zahlungen können, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt wird, bei verständiger Würdigung nur als für Rechnung des Betriebsinhabers geleistet angesehen werden. Das Finanzamt durfte daher im Streitfall davon ausgehen, daß die Zahlungen dazu bestimmt gewesen sind, die nach den gesetzlichen Vorschriften (vgl. § 3 Abs. 5 Ziff. 1 b StAnpG) bereits entstandene, wenn auch noch nicht festgesetzte Steuerschuld des XW. abzudecken.

Wenn jedoch das Finanzgericht davon ausgeht, daß das Finanzamt durch das Schreiben des Steuerbevollmächtigten vom 19. Juli 1950 in rechtserheblicher Weise angewiesen worden ist, die bis dahin geleisteten Vorauszahlungen teilweise auf Frau A. umzubuchen und künftig eingehende Vorauszahlungen zur Hälfte ihr anzurechnen, so kann ihm darin nicht gefolgt werden.

Soweit es sich um die bis zum Eingang dieses Schreibens bereits geleisteten Vorauszahlungen handelt, muß folgendes gelten: Es kann bei Beurteilung der Frage, für wessen Rechnung eine Zahlung geleistet ist, nur auf den Willen des Zahlenden ankommen, wie er zur Zeit der Zahlung erklärt worden ist. Dagegen kann es keine Rolle spielen, was dieser später als seinen Willen interpretiert. Es kann, wie auch das Urteil des Bundesfinanzhofs II 189/56 U (a. a. O.) ausführt, den Finanzverwaltungsbehörden nicht zugemutet werden, im Einzelfall das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Steuerschuldner und dem Zahlenden daraufhin zu prüfen, wer von ihnen - abweichend von der Willenserklärung zur Zeit der Zahlung - auf die Anrechnung bezahlter Beträge materiell-rechtlich Anspruch hat. Es ist vielmehr Sache der Beteiligten, sich darüber auseinanderzusetzen und gegebenenfalls die Zivilgerichte anzurufen. Daher kann es vom Finanzamt auch nicht verlangt werden, daß es auf Grund der zivilrechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten prüft, ob ein Betrag, der nach dem bei der Zahlung erklärten Willen zu Recht auf dem Konto eines Steuerschuldners gebucht worden ist, auf einen Dritten umzubuchen und zu dessen Gunsten steuerlich zu verrechnen ist. Würde die Umbuchung dagegen auf die bloße Erklärung des Zahlenden hinvorgenommen werden, so könnte dies unter Umständen zu schwerwiegenden Auseinandersetzungen mit dem Steuerschuldner führen, wenn dieser behauptet, daß ihm die Zahlung zu Recht gutgeschrieben worden ist. Deshalb ist es in einem solchen Falle geboten, die Umbuchung von der ausdrücklichen Einwilligung dessen abhängig zu machen, zu dessen Gunsten die Zahlung zutreffend verrechnet worden ist.

Aber auch bei den ab 19. Juli 1950 geleisteten Vorauszahlungen mußte das Finanzamt nicht davon ausgehen, daß sie zur Hälfte für Rechnung der Frau A. bezahlt worden sind. Dies folgt aus der Auslegung des Schreibens vom 19. Juli 1950, das sich nach seinem klaren Wortlaut nur auf die vor dieser Zeit geleisteten Zahlungen bezieht. Es kommt danach auch bei den später geleisteten Vorauszahlungen ausschließlich darauf an, was die Firma W. bei der Zahlung bestimmt hat. Nachdem eine Entscheidung über die Frage der Mitunternehmerschaft zunächst noch nicht getroffen worden ist, mußte die Firma W. nach wie vor damit rechnen, daß das Finanzamt Herrn XW. als Alleininhaber ansehen würde. Es hätte daher an ihr gelegen, deutlich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise bei der Leistung der Vorauszahlungen zum Ausdruck zu bringen, wie diese nach ihrem Willen zu verrechnen seien. Da dies nicht geschehen ist, kann die Verbuchung der eingezahlten Beträge zugunsten des XW. nicht beanstandet werden.

Unter diesen Umständen wäre eine Umbuchung der geleisteten Vorauszahlungen auf Frau A. von der Einwilligung des XW. abhängig. Diese ist nicht erteilt worden. Nach dessen unwiderlegt gebliebenen Einlassungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß sein Vater und der Steuerbevollmächtigte bevollmächtigt gewesen sind, der Umbuchung zugunsten der Frau A. zuzustimmen. Aber auch der Bg. kann nicht als hierzu berechtigt angesehen werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Generalvollmacht, die er nach seinem Vortrag im Rechtsbeschwerdeverfahren für die Firma W. besessen haben will, ihn auch berechtigt hätte, in den persönlichen steuerlichen Angelegenheiten des XW. rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, hätte sie mindestens zu der Zeit, als eine Erstattung der zuviel gezahlten Beträge an XW. noch hätte verhindert werden können, dem Finanzamt gegenüber in eindeutiger und nachprüfbarer Form geltend gemacht werden müssen. Dies ist nicht geschehen. Auch das der Bilanz auf 31. Dezember 1950, in der die vom Betrieb gezahlten persönlichen Steuern den Gesellschaftern je zur Hälfte als Privatentnahmen belastet worden sind, läßt sich eine Zustimmung des Gesellschafters XW. zur teilweisen Umbuchung der Vorauszahlungen auf Frau A. nicht herleiten. Die Bilanz ist erst nach dem Ausscheiden des XW. aus der Firma W. aufgestellt und von diesem nicht unterzeichnet worden.

Ob der frühere Gesellschafter XW. durch die Verbuchung der Vorauszahlungen zu seinen Gunsten und die spätere Erstattung der zuviel gezahlten Beträge im Sinne der §§ 812 ff. BGB ungerechtfertigt bereichert worden ist, kann in diesem Verfahren nicht entschieden werden. Jedenfalls steht dem Bg. ein Erstattungsanspruch nicht zu. Es war daher, wie geschehen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts wieder herzustellen.

 

Fundstellen

BStBl III 1963, 545

BFHE 1964, 619

BFHE 77, 619

StRK, AO:152 R 19

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