Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinns setzt auch bei freien Berufen (z. B. einem Arzt) ab 21. Juni 1948 ordnungsmäßige Buchführung mit gesonderter Betriebskassenführung und mit Ausweis der beruflichen Forderungen und Schulden voraus.

§ 5 BuchfVO vom 5. September 1949 enthält keine unzulässige (verbösernde) Rückwirkung.

EStG II/1948 und 1949 § 10 Abs. 1 Ziff. 3; Verordnung über die Buchführung der Handwerker,

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 3; EStDV § 8 Abs. 2; BuchfVO § 5

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Frauenarzt. Im Rechtsbeschwerdeverfahren für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 ist noch strittig, ob der Bf. die Vergünstigung des § 10 Abs. 1 Ziff. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) II/1948 und 1949 wegen nicht entnommenen Gewinns in Anspruch nehmen kann.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde (Rb.) ergibt folgendes:

Die Vorbehörden haben zutreffend die beanspruchte Vergünstigung für den nicht entnommenen Gewinn aus der ärztlichen Tätigkeit (§ 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG II/1948 und EStG 1949) versagt, weil die vom Bevollmächtigten des Bf. vorgelegten buchlichen Aufzeichnungen nicht den Erfordernissen einer ordnungsmäßigen Buchführung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG entsprechen. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts sind weder die jeweils am Jahresende ausstehenden Honorarforderungen ausgewiesen worden, noch sind die Privatentnahmen laufend aufgezeichnet worden.

Schon der zuletzt genannte Mangel rechtfertigt es, die Vergünstigung zu versagen. Der Senat hat in der Entscheidung IV 182/53 U vom 10. Dezember 1953 (Bundessteuerblatt - BStBl. - III 1954 S. 82) die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung für die Frage des nicht entnommenen Gewinns eines Arztes verneint, wenn der Arzt kein der kaufmännischen Buchführung entsprechendes betriebliches Kassenbuch führt, welches die laufenden Kasseneingänge und Kassenausgänge mit ausreichender Bezeichnung des betrieblichen Vorfalls derart ausweist, daß es jederzeit möglich ist, den Soll- Bestand nach dem Kassenbuch mit dem inventurmäßigen Ist-Bestand der Kasse auf die Richtigkeit nachzuprüfen. Selbst eine am Schlusse jedes Monats durchgeführte Ermittlung der Entnahmen wäre nicht ausreichend. Ohne eine laufende Betriebskassenbuchführung ist es nicht möglich, die für die Vergünstigung des § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG II/1948 und 1949 bzw. § 10 a EStG 1950 wesentliche Grundlage, das Ausmaß der Entnahmen und der Einlagen, genau zu ermitteln und zu überprüfen und die gesetzlich bei späteren Mehrentnahmen vorgeschriebene Nachversteuerung (vgl. § 31 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - 1949) durchzuführen.

Der Bevollmächtigte des Bf. glaubt, das von ihm anwendete System, den Privatverbrauch anhand monatlich zusammengestellter Einnahmen und Ausgaben und eines Vergleichs des gesamten Vermögens zu Beginn und Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraums zu ermitteln und dabei auf jegliche Trennung von privaten und betrieblichen Geldbeständen zu verzichten, sei ein ausreichender Ersatz oder sogar ein Mehr gegenüber der Buchführung gemäß § 4 Abs. 1 EStG; bei freien Berufen gebe es kein betriebliches Umlaufvermögen; man müsse den nicht verbrauchten Gewinn dem nicht entnommenen Gewinn gleichsetzen. Dem kann nach dem vorher Ausgeführten nicht zugestimmt werden. Denn es fehlt bei diesem Buchführungssystem an dem für die Steuervergünstigung wesentlichen Grunderfordernis des buchlichen Festhaltens der betrieblichen Entnahmen. Die Ermittlung des Privatverbrauchs ist kein ausreichender Ersatz für das Nichtfesthalten der Geldbewegung zwischen betrieblicher und privater Sphäre. Der mit der Vergünstigung verfolgte Zweck, die Stärkung des Betriebskapitals zu fördern; würde bei Verzicht auf eine Trennung von Betriebs- und Privatsphäre auf dem geldlichen Sektor nicht erreicht werden. Dafür, daß bereits die alleinige Tatsache des Nichtverbrauchs von Gewinnteilen über die betriebliche Sphäre hinaus begünstigt werden sollte, bieten die klaren gesetzlichen Bestimmungen keinerlei Handhabe. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber bei der Einbeziehung der freien Berufe in das Vergünstigungssystem ab 21. Juni 1948 die Voraussetzung für die Vergünstigung im Grundsatz nicht anders als bei den sonstigen schon zuvor in Betracht kommenden Personengruppen hat gestalten wollen. Der freiberuflich Tätige, der die Vergünstigung in Anspruch nehmen will, muß deshalb seine Buchführung entsprechend den Erfordernissen des § 4 Abs. 1 EStG gestalten (vgl. dazu auch "Die Steuern des Arztes", 2. Aufl. 1952 Werkverlag Dr. Edmund Banaschewski S. 99 ff., S. 154). Bestätigt wird dies durch die dahingehende ausdrückliche Vorschrift in § 5 der Verordnung über die Buchführung der Handwerker, Kleingewerbetreibenden und freien Berufe vom 5. September 1949 - BuchfVO - (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets - WiGBl. - S. 313). Sie ist nur eine Klarstellung des bereits aus dem Wesen und dem Zweck der Vergünstigung sich ergebenden gesetzgeberischen Willens.

Die Rechtsbeständigkeit des § 5 BuchfVO ist auch nicht deshalb in Frage gestellt, weil diese Vorschrift eine unzulässige Rückwirkung im Hinblick auf § 8 Abs. 1 Buchst. b EStDV 1949 beinhalte. Diese Bestimmung ließ allerdings erkennen, daß der Gesetzgeber grundsätzlich auch eine Buchführung der freien Berufe, die einer noch zu erlassenden BuchfVO entspreche, als Erfüllung der Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Vergünstigung wegen nicht entnommenen Gewinns gelten lassen wollte. Die übergangsregelung des § 8 Abs. 2 EStDV 1949 zeigte aber schon, daß außer der Einnahmen- und Ausgabenrechnung des § 4 Abs. 3 EStG mindestens der Nachweis der Geld- und Wertpapierbestände, der Forderungen und Schulden sowie der Anlagegegenstände für den Anfang und den Schluß des Steuerabschnitts erforderlich war. Damit wurde bereits eine solche Umgestaltung der reinen überschußrechnung des § 4 Abs. 3 EStG verlangt, die der Forderung nach einer Buchführung gemäß § 4 Abs. 1 fast gleichkam. So gesehen, brachte der § 5 BuchfVO keine grundsätzliche Abkehr von der im § 8 EStDV 1949 aufgezeigten Entwicklung, so daß von einer den Steuerpflichtigen schädigenden Rückwirkung nicht gesprochen werden kann.

Aus dem Vorstehenden und der Maßgeblichkeit des § 4 Abs. 1 EStG ist weiter zu folgern, daß auch Forderungen und Schulden aus der freiberuflichen Tätigkeit auszuweisen sind, wenn von der Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinns Gebrauch gemacht werden soll. § 8 Abs. 2 EStDV 1949 hat dies noch besonders herausgestellt.

Die Rb. war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407961

BStBl III 1954, 282

BFHE 1955, 187

BFHE 59, 187

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge