Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Ermittlung anrechenbarer eigener Einkünfte und Bezüge i.S. von § 33a Abs. 1 S. 3 EStG (bis 1985)

 

Leitsatz (NV)

1. Als anrechenbare eigene Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, kommen auch Unterhaltsleistungen des Ehegatten in Betracht (Bestätigung von BFH 146, 386, BStBl II 1986, 554).

2. Einkünfte und Bezüge i.S. von § 33a Abs. 1 S. 3 EStG sind für Veranlagungszeiträume vor 1986 jahresbezogen zu ermitteln.

 

Normenkette

EStG i.d. bis 1985 geltenden Fassung § 33a Abs. 1 S. 3; EStG i.d. bis 1985 geltenden Fassung § 33a Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ausländischer Staatsangehöriger; er war im Streitjahr (1983) als . . . in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) tätig. In seiner Einkommensteuererklärung für 1983 beantragte er u.a., Unterhaltszahlungen an seine im Ausland lebende Schwester A als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zuzulassen. Die Unterhaltszahlungen wurden für die Zeit vom Januar bis Juli 1983 geltend gemacht, da die Schwester Ende Juli 1983 geheiratet hatte. Im Vorjahr hatte der Kläger seine Schwester während ihrer Ausbildung in England unterstützt. Er legte eine Bedürftigkeitsbescheinigung der Schwester und Zahlungsnachweise über höhere als die zulässigen Höchstbeträge vor.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen für die Schwester ab.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der der Kläger die Berücksichtigung einer zusätzlichen außergewöhnlichen Belastung in Höhe von 1200 DM begehrte, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:

Dem Kläger stehe wegen der Unterstützungsleistungen an seine Schwester - bei nachgewiesener Bedürftigkeit für die ersten sechs Monate - ein Ermäßigungsbetrag von 1200 DM zu. Zu Unrecht gehe das FA davon aus, daß sich dieser Betrag um die eigenen, den Betrag von 1400 DM übersteigenden Bezüge der Schwester vermindere (unschädlicher Jahresbetrag grundsätzlich 4200 DM, davon 2/3 im Hinblick auf Ländergruppeneinteilung, davon 6/12 wegen der Beschränkung auf das erste Halbjahr). Zwar habe die Schwester nach ihrer Heirat Bezüge erhalten, weil sie im Zweifel von ihrem Ehemann unterhalten worden sei. Unterhaltsleistungen in Form von Gewährung von Wohnung, Essen, Dienst- und Geldleistungen seien Bezüge i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. März 1986 III R 177/80, BFHE 146, 386, BStBl II 1986, 554; vom 6. Juni 1986 III R 211/81, BFH/NV 1986, 660).

Diese Bezüge, die nach dem Urteil in BFHE 146, 386, BStBl II 1986, 554 etwa mit der Hälfte des Nettoeinkommens des verdienenden Ehegatten bewertet werden könnten und hier mit mindestens monatlich 1040 DM anzusetzen seien, könnten nicht angerechnet werden, weil die Schwester sie erst zu einem späteren Zeitpunkt bezogen habe. Dadurch habe die zuvor gegebene Unterstützungsbedürftigkeit nicht rückwirkend beseitigt werden können. Zwar habe der BFH hinsichtlich der Anrechnung von eigenen Einkünften und Bezügen auf den Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG entschieden, daß auf das Kalenderjahr abzustellen sei. Die dabei vom BFH angestellten Erwägungen ließen sich jedoch nicht auf § 33a Abs. 1 EStG übertragen.. . .

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 33a Abs. 1 EStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung für Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder auf andere Leistungen für Kinder hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 3600 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Voraussetzung ist, daß die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Hat die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so vermindert sich der Betrag von 3600 DM um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 4200 DM übersteigen (§ 33a Abs. 1 Sätze 1 bis 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung).

Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß als Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, auch Unterhaltsleistungen nach § 33a Abs. 1 EStG in Betracht kommen (BFH-Urteil in BFHE 146, 386, BStBl II 1986, 554). Der Senat folgt dem FG jedoch nicht darin, daß die nach Ablauf des Unterstützungszeitraums der Schwester zugeflossenen Unterhaltsleistungen ihres Ehemannes hier nicht mindernd berücksichtigt werden können. Er ist vielmehr der Auffassung, daß die anzurechnenden Bezüge i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG für Veranlagungszeiträume vor 1986 jahresbezogen zu ermitteln sind.

Für die entsprechende Frage in § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG in den vor 1986 geltenden Fassungen hat der früher für Rechtsstreitigkeiten betreffend außergewöhnliche Belastungen vornehmlich zuständige VI.Senat im Urteil vom 23. September 1980 VI R 53/79 (BFHE 131, 486, BStBl II 1981, 92) entschieden, daß eigene Einkünfte bei der Berechnung des Minderungsbetrages auch dann nicht ausscheiden, wenn diese erst nach Abschluß der Berufsausbildung, aber innerhalb des Kalenderjahres der Berufsausbildung erzielt werden; dies gelte auch dann, wenn die Ein- künfte während der Ausbildungszeit nicht zur Verfügung gestanden hätten. Der VI.Senat hat seine Auffassung eingehend, insbesondere mit dem innerhalb des Systems des EStG geltenden jahresbezogenen Einkünftebegriff begründet. Der erkennende III.Senat hat sich dieser Rechtsauffassung im Urteil in BFHE 146, 386, BStBl II 1986, 554 angeschlossen und sie auf Bezüge i.S. des § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG ausgedehnt. Diese Ausdehnung erschien dem Senat geboten, weil eine unterschiedliche Behandlung von im Kalenderjahr zugeflossenen Einkünften einerseits und Bezügen andererseits nicht sachgerecht wäre. Wegen der Begründung im einzelnen, an der der Senat festhält, wird auf das vorerwähnte Urteil Bezug genommen.

Der Senat geht davon aus, daß die Frage, ob auch Einkünfte außerhalb des Unterstützungszeitraums freibetragsmindernd anzurechnen sind, für § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG - wegen der auch hier zu beachtenden Jahresbezogenheit des Einkünftebegriffs - nicht anders beantwortet werden kann als für § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG (jeweils in der vor 1986 geltenden Fassung). Auch für Bezüge kann dann aber nichts anderes gelten. Soweit das FG und ihm folgend der Kläger in diesem Zusammenhang hervorheben, daß für Unterhaltszahlungen ein Rückbeziehungsverbot gelte und dieser Umstand ggf. auch dem Unterhaltsempfänger und damit mittelbar dem Unterhaltsleistenden zugute kommen müsse, ist dem entgegenzuhalten, daß es sich dabei um zwei verschiedene Fragen handelt.

Zuzugeben ist, daß eine entsprechende Behandlung der Unterhaltsleistungen in beiden Fällen denkbar wäre. Dies würde jedoch wiederum dazu führen, daß Einkünfte, die zweifellos jahresbezogen zu verstehen sind, und Bezüge verschieden behandelt würden. Das muß mit den gleichen Erwägungen ausgeschlossen werden, mit denen der Senat ein solches Ergebnis im Urteil in BFHE 146, 386, BStBl II 1986, 554 für § 33a Abs. 2 EStG abgelehnt hat.

Von einer Gleichbehandlung von Einkünften und Bezügen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um den Unterhaltsfreibetrag nach § 33a Abs. 1 EStG oder den Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG handelt, ist offenbar auch der Gesetzgeber ausgegangen, als er im Steuerbereinigungsgesetz 1986 (BGBl I, 2436, BStBl I, 735) dem § 33a Abs. 4 EStG einen Satz 2 angefügt hat. Nach dieser Regelung dürfen Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person oder des Kindes nur insoweit mindernd berücksichtigt werden, als sie auf Kalendermonate entfallen, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung des Unterhaltsfreibetrags bzw. des Ausbildungsfreibetrags vorliegen. Insbesondere unter dem Eindruck der gesetzlichen Neuregelung hat der Senat im Urteil vom 12. Juli 1991 III R 52/89 (BFH/NV 1991, 814 a.E.) ausgesprochen, daß für Veranlagungszeiträume vor 1986 mangels einer dem § 33a Abs. 4 Satz 2 EStG entsprechenden Vorschrift für die Gegenrechnung eigener Einkünfte und Bezüge auch hinsichtlich des § 33a Abs. 1 EStG noch das Jahresprinzip gilt. Nach den obigen Ausführungen sieht der Senat keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzurücken.

Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das FG hat festgestellt, daß sich das monatliche Nettoeinkommen des Ehemanns der Schwester des Klägers in der Zeit von August bis Dezember 1983 auf mindestens 1040 DM belief, insgesamt also auf mindestens 5200 DM. Hieran ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da der Kläger insoweit keine Gegenrügen erhoben hat. Bei gleichmäßiger Verteilung des Betrages von 5200 DM auf das ganze Streitjahr 1983 ergeben sich im ersten Halbjahr für die Schwester Bezüge von mindestens 2600 DM. Dieser Betrag ist insoweit gegenzurechnen, als er 1400 DM übersteigt. Der danach anzurechnende Minderungsbetrag ist mithin mindestens ebenso hoch wie der vom Kläger geltend gemachte Betrag von 1200 DM.

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 598

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