Leitsatz (amtlich)
1. Die ZWVO der EWG läßt die Wahl zwischen der Bemessung des Zollwerts nach dem Rechnungspreis oder nach dem Normalpreis.
2. Solange die Art und Weise der Ausübung der Wahl zwischen den beiden Bewertungsmethoden durch Rechtsakte der EWG noch nicht geregelt ist, gelten §§ 31 Abs. 3, 11 ZG weiter.
3. Der Antrag auf Bewertung nach dem Normalpreis (§ 31 Abs. 3 ZG) bezieht sich auf die beantragte Zollbehandlung im Sinne des § 11 Abs. 1 ZG. Er kann nachträglich nur unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 ZG gestellt werden.
Normenkette
ZWVO Art. 1, 5, 9, 14, 20; ZG §§ 11, 31 Abs. 3, § 33 a; UStG §§ 11, 21 Abs. 2; AbsichG § 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ in der Zeit vom 21. November 1968 bis 17. Januar 1969 zahlreiche Partien von Rohkakao der Tarifnr. 18.01 aus der EWG assoziierten Staaten (zollfrei; Einfuhrumsatzsteuer 11 %; Einfuhrvergütung von 4 % nach § 1 des Absicherungsgesetzes vom 29. November 1968 – AbsichG –, BGBl I 1968, 1255) zum freien Verkehr abfertigen. In den schriftlichen Zollanmeldungen meldete die Klägerin jeweils den Rechnungspreis an. Das Zollamt (ZA) legte als Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer und für die Einfuhrvergütung die angemeldeten Rechnungspreise zugrunde und erhob unter Verrechnung der zu zahlenden Einfuhrumsatzsteuer mit der Einfuhrvergütung die entsprechenden Eingangsabgaben.
Gegen die Bescheide des ZA legte die Klägerin Einspruch ein mit dem Begehren, als Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer und die Einfuhrvergütung nicht den angemeldeten Rechnungspreis, sondern jeweils den im maßgebenden Zeitpunkt geltenden höheren Tagespreis zugrunde zu legen. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1972 S. 293 – EFG 1972, 293 –).
Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Rechtsanwendung und mangelhafte Sachaufklärung. Zur Begründung führt sie aus, daß die Auffassung des Finanzgerichts (FG) rechtsirrig sei, aus den Art. 1 und 9 der Verordnung (EWG) Nr. 803/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über den Zollwert der Waren – ZWVO – (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 148/6 vom 28. Juni 1968) folge schon deshalb ein Wahlrecht des Importeurs zwischen der Anwendung des Rechnungspreises und der Anwendung des Normalpreises bei der Feststellung des Zollwertes, weil diese Vorschriften zwei Bewertungsmöglichkeiten zur Verfügung stellten. Ein rechtsgestaltendes Wahlrecht mit Bindungswirkung für den Wählenden setze die Möglichkeit zweier voneinander verschiedener Ansprüche voraus, von denen aber nur der eine oder andere bestehen solle. Ein solches Wahlrecht liege also nicht schon immer dann vor, wenn ein Gesetz überhaupt zwei Möglichkeiten eröffne. Vielmehr müsse hinzukommen, daß nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers von vornherein nur die eine oder andere der beiden Möglichkeiten bestehen solle. Erst recht liege ein „Wahlrecht” nicht vor, wenn das Gesetz für ein und denselben Anspruch lediglich zwei Berechnungsmöglichkeiten eröffne.
Das FG habe sich bei der Auslegung der Art. 1 und 9 ZWVO offensichtlich allein von § 31 ZG leiten lassen, der den Rechnungspreis als Bewertungsmaßstab für den Zollwert gleichwertig neben den Normalpreis stelle und mithin zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Bewertungsmaßstäbe für den Zollwert und damit auch zwei Zollwerte kenne. Das FG habe verkannt, daß gerade § 31 in Verbindung mit § 11 ZG gegen das Brüsseler Zollwertabkommen und die Erläuternden Anmerkungen dazu (BGBl II 1952, 8, 14, 15) verstoße und deshalb nicht herangezogen werden dürfe. Nach Art. 1 Abs. 1 des Brüsseler Zollwertabkommens gelte nämlich als Zollwert der eingeführten Waren ausschließlich der Normalpreis. Dieser stelle somit den grundlegenden und einzigen Bewertungsmaßstab für den Zollwert dar. Nach der Erläuternden Anmerkung 5 zu Art. I des Abkommens sei der Rechnungspreis eindeutig nicht als ein gleichwertiger Bewertungsmaßstab neben den Normalpreis gestellt worden.
§ 9 ZWVO sei ebenso wie § 7 Abs. 1 ZTG 1951 als Kann-Vorschrift gefaßt worden. Daraus folge, daß auch die ZWVO den Normalpreis als alleiniges Bewertungsprinzip für den Zollwert kenne und den Rechnungspreis lediglich als Hilfsmittel zur Auffindung des Normalpreises. Die ZWVO kenne also auch kein Wahlrecht zwischen der Anwendung des Rechnungspreises und der Anwendung des Normalpreises. Folglich müsse der Importeur wieder wie zur Zeit der Geltung des Zolltarifgesetzes 1951 das Recht haben, noch im Einspruchsverfahren darauf hinzuweisen, daß ein dem Zollwert zugrunde gelegter Rechnungspreis dem Normalpreis nicht entspreche.
Aber auch wenn der erkennende Senat der Auffassung des FG beitreten und ein Wahlrecht des Importeurs zwischen der Rechnungspreis- und der Normalpreisverzollung auch nach der ZWVO anerkennen sollte, würde das nur bedeuten, daß die Klägerin in ihrer durch Willensbildungsmängel nicht beeinflußten Entscheidungsfreiheit gebunden wäre. Unabhängig davon tauche dann die Frage auf, ob die Klägerin ihre „Anträge” auf Rechnungspreisverzollung nicht wenigstens bis zur Rechtskraft der Zollbescheide „anfechten” und das „Wahlrecht” noch im Rechtsbehelfsverfahren ausüben könne. Die Klägerin habe nicht in voller Freiheit und ungestört selbstverantwortlich entscheiden können, weil sie nach der Auskunft des Abfertigungsleiters des ZA davon habe ausgehen müssen, daß ihr ein Wahlrecht nicht zustehe und vielmehr nur eine Verzollung zum Rechnungspreis in Betracht komme. Diese unrichtige Auskunft sei für die Willensbildung der Klägerin ursächlich gewesen. Sie könne daher nicht an ihre Willenserklärung bei der Antragstellung gebunden werden, sei also auch noch im Rechtsbehelfsverfahren berechtigt, das „Wahlrecht” auszuüben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Streitig ist, ob die Klägerin noch im Einspruchsverfahren beanspruchen kann, daß als Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer und damit auch für die Höhe der Einfuhrvergütung nach § 1 AbsichG der Normalpreis und nicht, wie bei der Abfertigung im vorliegenden Fall, der Rechnungspreis zugrunde gelegt wird. Die Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer ergibt sich nach § 11 UStG aus den „jeweiligen zollrechtlichen Vorschriften über den Zollwert und seine Feststellung”, soweit es sich nicht – was hier ausscheidet – um Waren aus dem freien Verkehr eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaften handelt. Das bedeutet, daß die jeweils im Geltungsbereich des Umsatzsteuergesetzes geltenden Zollwertvorschriften anzuwenden sind. Das sind nach § 33 a ZG auch in jenen Fällen die Vorschriften der ZWVO, in denen diese nicht unmittelbar gelten können, weil – wie im vorliegenden Fall – die zu bewertenden Waren keinem Zoll nach dem Gemeinsamen Zolltarif (GZT) unterliegen.
Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß die ZWVO zwei Möglichkeiten für die Bewertung eingeführter Waren vorsieht. Nach Art. 1 Abs. 1 ZWVO ist Zollwert der Normalpreis; nach Art. 9 Abs. 1 ZWVO kann jedoch auch der gezahlte oder zu zahlende Preis als Zollwert anerkannt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind hierin nicht nur zwei Berechnungsmöglichkeiten für den Normalpreis als alleinigem Bewertungsmaßstab für den Zollwert zu sehen. Die Bewertung nach dem Rechnungspreis unterscheidet sich vielmehr in einem wesentlichen Punkt von der Bewertung nach dem Normalpreis, nämlich hinsichtlich des Bewertungszeitpunktes (vgl. auch BFH-Urteil vom 28. November 1967 VII 243/64, BFHE 91, 210 [212], Bundeszollblatt 1968 S. 357 [358] – BZBl 1968, 357 [358] –). Zeitpunkt für die Ermittlung des Normalpreises ist nach Art. 1 Abs. 1 i. V. mit Art. 5 Buchst. a ZWVO der Zeitpunkt, an dem die Zollstelle die Willenserklärung des Zollbeteiligten über die Abfertigung der Waren zum freien Verkehr annimmt. Der Normalpreis ist also ein Preis, „der für die eingeführte Ware bei einem Zug-um-Zug-Geschäft im maßgebenden Bewertungszeitpunkt (Auslieferung der Ware an den Käufer gegen sofortige Bezahlung in diesem Zeitpunkt) erzielbar ist” (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1958 V z 34/58 U, BFHE 67, 251, BStBl III 1958, 369, das zu den in diesem Punkt der ZWVO entsprechenden Vorschriften des Zollgesetzes ergangen ist). Abweichend hiervon wird bei der Bewertung nach dem Rechnungspreis ein Preis anerkannt, der im Zeitpunkt des Kaufabschlusses vereinbart worden ist (vgl. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b ZWVO), also mehr oder weniger lange vor dem nach Art. 1 ZWVO maßgebenden Zeitpunkt liegt. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann dieser Preis nicht nur dann der Zollwertbemessung zugrunde gelegt werden, wenn er der Normalpreis ist. Wegen des anderen Bewertungszeitpunktes entspricht der Rechnungspreis gerade nicht zwangsläufig dem Normalpreis. Die normalen Preisschwankungen auf dem Markt führen vielmehr im Regelfall dazu, daß Rechnungspreis und Normalpreis auseinanderfallen. Das zeigt auch der vorliegende Fall. Der bei der Zollabfertigung nach Art. 9 ZWVO anerkannte Rechnungspreis lag wegen der starken Preissteigerungen für Rohkakao auf dem Weltmarkt zwischen Kaufabschluß und maßgebendem Zeitpunkt erheblich unter dem Tagespreis, dem Normalpreis. Dennoch brauchte er deswegen nicht als Grundlage für die Zollwertbemessung verworfen zu werden.
Diese Auslegung der Art. 1 und 9 ZWVO entspricht der einhelligen Auffassung im Schrifttum (vgl. Zepf-Recker, Wertverzollung, 3. Aufl., Anm. 1.2 zu Art. 9 ZWVO; Schwarz-Wockenfoth, Zollgesetz, Anm. 1 zu Art. 9 ZWVO; Bail-Schädel-Hutter, Zollgesetz, Vorbemerkung zu Art. 9 ZWVO; Krockauer, Zollwert, 3. Aufl., Anm. 1 zu Art. 9 ZWVO). Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (BGH) vom 10. Dezember 1970 in der Rechtssache 27/70 (EGHE 1970, 1035) nichts Gegenteiliges. Dort war ein Fall zu beurteilen, in dem ausdrücklich „Abfertigung zum Tagespreis” (Normalpreis) beantragt worden war. Die von der Klägerin zur Stützung ihrer Auffassung zitierten Stellungnahmen des Generalanwalts und der Kommission gingen daher zu Recht von Art. 1 ZWVO als Ausgangspunkt für die Lösung der aufgeworfenen Frage aus. Im übrigen ist auch der Generalanwalt in dieser Rechtssache von zwei Bewertungsmöglichkeiten im Rahmen der ZWVO ausgegangen; denn nach seinen Ausführungen verstand das ZA in dieser Rechtssache den Antrag des Beteiligten auf Abfertigung zum Tagespreis „zutreffend dahin, die Abfertigung zum Normalpreis im Sinne von Art. 1 der Ratsverordnung Nr. 803/68 vorzunehmen” (a. a. O. S. 1047).
Der erkennende Senat kann nicht der Auffassung der Klägerin folgen, ein solches Bewertungssystem verstoße gegen das Brüsseler Zollwertabkommen. Nach der Erläuternden Anmerkung 5 zu Art. I des Abkommens „kann der gezahlte oder zu zahlende Preis unbedenklich als Bewertungsgrundlage herangezogen werden, und es wird den Zollverwaltungen empfohlen, ihn als Wert der betreffenden Waren anzuerkennen, vorbehaltlich …”. Diese Anmerkung (zitiert nach deren Neufassung von 1967 – BGBl II 1969, 1951 –, die fast wörtlich mit der ursprünglichen Fassung von 1950 übereinstimmt) besagt zwar nicht völlig eindeutig, daß damit eine zweite Bewertungsmethode eröffnet werden sollte. Daß dem aber so ist, belegen die Erläuterungen, die vom Ausschuß für den Zollwert des Brüsseler Zollrats im Rahmen des dem Ausschuß in Art. VI des Abkommens über den Zollwert erteilten Auftrags ausgearbeitet und von den ihm angehörenden 29 Staaten einstimmig angenommen worden sind. Nach Kap. VI dieser Erläuterungen (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1974 S. 238 – ZfZ 1974, 238 –) „ermöglicht die Brüsseler Begriffsbestimmung des Zollwerts, den Zollwert von Waren auf der Grundlage von Preisen zu ermitteln, die unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs tatsächlich gezahlt worden oder zu zahlen sind … Um den gezahlten oder zu zahlenden Preis möglichst weitgehend als Bewertungsgrundlage verwenden zu können, muß eine gewisse Toleranz hinsichtlich des Elementes „Zeit” zugelassen werden.” Insbesondere die letztere Erläuterung zeigt deutlich, daß ein Unterschied zwischen der Zollwertbemessung nach dem Normalpreis und der nach dem Rechnungspreis gemacht wird. Dasselbe ergibt sich auch aus dem Avis XVII des Brüsseler Zollwertausschusses über die zeitliche Toleranz (abgedruckt bei Zepf-Recker, a. a. O., Teil IV, S. 15). Deshalb hat der erkennende Senat keine Zweifel daran, daß die Regelung der ZWVO ebenso mit dem Brüsseler Abkommen über den Zollwert vereinbar ist wie die entsprechende Regelung des Zollgesetzes 1961.
Nach allem muß davon ausgegangen werden, daß die ZWVO zwei Methoden der Zollwertbemessung kennt, die Bemessung nach dem Normalpreis (Tagespreis) und jene nach dem Rechnungspreis. Da beide Bewertungsmethoden von unterschiedlichen Voraussetzungen hinsichtlich des jeweils maßgebenden Zeitpunkts ausgehen und daher zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, bedarf es zur Feststellung des Zollwerts in jedem Einzelfall der Entscheidung über die anzuwendende Bewertungsmethode. Die Art und Weise des Zustandekommens dieser Entscheidung regelt die ZWVO jedoch nicht.
Art. 9 ZWVO besagt lediglich, daß der Rechnungspreis anerkannt werden „kann”. Diese Bestimmung eröffnet damit die zweite Methode für die Bemessung des Zollwerts. Sie regelt damit jedoch noch nicht die Art und Weise der Ausübung der Wahl zwischen den beiden Methoden. Auch die übrigen Bestimmungen der ZWVO lassen eine solche Regelung vermissen. Daß sie fehlt, ergibt sich deutlich auch aus Art. 14 ZWVO.
Nach Art. 14 ZWVO werden die „zur Anwendung dieser Verordnung der Zollstelle zu liefernden Angaben” erforderlichenfalls durch eine Verordnung der Kommission bestimmt. Die Lieferung dieser Angaben soll die Zollwertbemessung ermöglichen. Zu den zu diesem Zweck erforderlichen Angaben müssen also zwangsläufig auch jene über die anzuwendende Bewertungsmethode gehören. Es ist nicht ersichtlich, wo anders als in der Zollwertanmeldung – die Art. 14 ZWVO meint – diese Erklärungen enthalten sein sollen. Diese Auffassung wird bestätigt durch die aufgrund Art. 14 ZWVO erlassene Verordnung (EWG) Nr. 375/69 der Kommission vom 27. Februar 1969 über die Anmeldung der Angaben über den Zollwert der Waren (ABlEG Nr. L 52/1 vom 3. März 1969). Nach Artikel 1 dieser Verordnung müssen die Anmelder die Angaben über den Zollwert entsprechend dem der Verordnung beigefügten Fragebogen machen. Nach den Nrn. 9 und 10 dieses Fragebogens steht es dem Anmelder offen, als Bemessungsgrundlage den Rechnungspreis oder einen anderen Preis, z. B. den Tagespreis, anzugeben. Die Auffassung der Klägerin, zu den Angaben im Sinne des Art. 14 ZWVO könnten „Anträge” nicht gehören, trifft also nicht zu. Sie findet auch im Wortlaut keine Stütze; der Begriff „Angaben” (im französischen Text „elements”) umfaßt sowohl Wissens- als auch Willenserklärungen.
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Verordnung (EWG) Nr. 375/69 eine erschöpfende Regelung über die Ausübung des Wahlrechts für die anzuwendende Bewertungsmethode gebracht hat. Jedenfalls ist sie erst am 1. Juli 1969 in Kraft getreten. Sie galt also für die Einfuhren des vorliegenden Falles noch nicht. Nach Art. 20 ZWVO galten daher für diese Einfuhren die entsprechenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten weiterhin. Zu diesen weitergeltenden Vorschriften zählen die §§ 31 Art. 3, 11 ZG, die mangels entsprechender gemeinschaftlicher Vorschriften durch die ZWVO nicht verdrängt und daher auch nicht gegenstandslos geworden sind. Diese Vorschriften finden nach §§ 11 Satz 1, 21 Abs. 2 UStG auch auf die Einfuhrumsatzsteuer Anwendung. Die Klägerin hatte also nach § 31 Abs. 3 ZG die Möglichkeit, für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer die Bewertung der eingeführten Waren nach dem Normalpreis zu beantragen. Nach § 11 Abs. 1 ZG gehörte dieser Antrag zum Zollantrag (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1968 VII 332/64, BFHE 92, 540 [542]). Die Klägerin hat in den Zollanmeldungen jeweils den Rechnungspreis angemeldet und keine davon abweichenden Preisunterlagen vorgelegt. Sie hat damit, wie das FG zutreffend festgestellt hat, den Antrag gestellt, die Ware nach dem Rechnungspreis zu bewerten.
Erst im Einspruchsverfahren, also lange nach der Freigabe der Waren, hat die Klägerin die Zugrundelegung des Tagespreises beansprucht. Dies wäre aber nur dann zu berücksichtigen gewesen, wenn die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 ZG vorgelegen hätten. Danach darf der Zollbeteiligte Zollanträge, die zur Zollerhebung führen, nicht mehr zurücknehmen oder ändern, nachdem das Zollgut freigegeben worden ist. Diese Bestimmung ist nach § 21 Abs. 2 UStG sinngemäß auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden. Sie gilt also auch, wenn es sich um Anträge handelt, die nicht nur Erhebung von Zoll, wohl aber zur Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer führen, was vorliegend der Fall war. Der Antrag auf Wertbemessung nach dem Normalpreis ist ein Antrag, der sich auf die beantragte Zollbehandlung bezieht (§ 11 Abs. 1 ZG). Er stellt eine Änderung des ursprünglichen Antrags der Klägerin auf Bewertung nach dem Rechnungspreis dar. Da dieser neue Antrag erst gestellt wurde, nachdem das Zollgut freigegeben worden war, hat das FG zutreffend entschieden, daß er nicht mehr berücksichtigt werden kann (vgl. auch das zitierte Urteil VII 332/64).
Der erkennende Senat hielt eine Vorlage an den EGH nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht für geboten. Seine Auffassung zur Gültigkeit und Auslegung der ZWVO gründet sich auf den klaren Wortlaut der betreffenden Bestimmungen. Diese lassen keine Zweifelsfragen offen, die zu verschiedenen gleichwertigen Auslegungen führen könnten.
Die Klägerin sieht in der zeitlichen Beschränkung für die Ausübung des Wahlrechts einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, da die Zollverwaltung noch bis zum Ablauf der Verjährungsfrist von der Rechnungspreisverzollung zur Normalpreisverzollung übergehen könne, während der Importeur eine Frist von allenfalls wenigen Tagen habe, sich zu entscheiden. Die Klägerin geht hier von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Hat der Zollbeteiligte einmal seine Wahl getroffen, so kann die Zollstelle nicht nachträglich den Zollbescheid ändern und an die Stelle der vom Zollbeteiligten gewählten Berechnungsmethode die andere Methode setzen, falls diese zu einer höheren Abgabenbelastung führt. Auch die abfertigende Zollstelle ist an die Wahl des Zollbeteiligten gebunden. Eine Änderung des Zollbescheides nach § 94 AO wäre nur dann möglich, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die vom Zollbeteiligten getroffene Wahl im Einzelfall gefehlt hätten.
Die Klägerin hat ferner vorgetragen, daß sie sich wegen der – von ihr behaupteten, vom HZA bestrittenen – Auskunft des Abfertigungsleiters des ZA, eine Verzollung zum Tagespreis sei nicht möglich, gar nicht bewußt gewesen sei, eine Wahlerklärung abzugeben, als sie die Verzollung nach dem Rechnungspreis beantragte. Wille und Erklärung seien somit auseinandergefallen. Dieser „Willensbildungsmangel” müsse berücksichtigt werden. Der erkennende Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen. Die Klägerin hat den Antrag gestellt, den Rechnungspreis der Zollwertbemessung zugrunde zu legen. Der Inhalt dieser Erklärung war nicht zweifelhaft. Zwar mag Beweggrund für die Abgabe dieser Erklärung die irrige – nach Angaben der Klägerin durch die falsche Auskunft des Abfertigungsleiters des ZA verursachte – Rechtsauffassung der Klägerin gewesen sein, der Antrag auf Abfertigung zum Tagespreis sei rechtlich unzulässig. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob ein Motivirrtum bei der Abgabe von Willenserklärungen des Bürgers im Bereich des öffentlichen Rechts überhaupt beachtlich sein kann. Ist ein solcher Irrtum bei der Abgabe des Zollantrags oder zum Zollantrag gehöriger Anträge unterlaufen, so kann er jedenfalls nur im Rahmen der ausdrücklichen und erschöpfenden Regelung des § 11 Abs. 3 ZG (in Verbindung mit § 21 Abs. 2 UStG) berücksichtigt werden. Der Zollbeteiligte kann also den Antrag, der Gegenstand eines solchen Willensmangels war, aus diesem – oder jedem anderen – Grund bis zu den in § 11 Abs. 3 ZG näher genannten Zeitpunkten zurücknehmen oder ändern. Danach dürfen dagegen Zollantrag und gleichgestellte Anträge nicht mehr zurückgenommen oder geändert werden. Der Zollbeteiligte soll nach diesem Zeitpunkt an seinen Zollantrag, falls er rechtswirksam gestellt worden ist, gebunden sein, d. h. auch bei Auseinanderfallen von innerem Willen und Erklärung soll grundsätzlich die Erklärung des Beteiligten maßgebend sein. Der vollen Dispositionsfreiheit des Zollbeteiligten über die zweckmäßigste Art der Zollbehandlung entspricht die feste Bindung des Beteiligten an eine einmal getroffene Wahl. Diese Rechtslage ist vergleichbar mit der Regelung des § 8 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes, wonach der Prämienberechtigte wählen kann, ob er die Aufwendungen als Sonderausgaben geltend machen oder eine Prämie beanspruchen will, eine Änderung der einmal getroffenen Wahl aber nicht möglich ist. Es ist ständige Rechtsprechung des BFH, daß hier eine Anfechtung der getroffenen Wahl wegen Irrtums über die Rechtslage und die steuerlichen Folgen der Wahl nicht in Betracht kommt (Urteile vom 4. Mai 1965 VI 296/64 U, BFHE 83, 29, BStBl III 1965, 511, und vom 10. November 1967 VI R 251/66, BFHE 91, 31, BStBl II 1968, 99).
Fundstellen
Haufe-Index 514724 |
BFHE 1975, 126 |