Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte; Kosten eines Unfalls auf beruflich veranlaßter Fahrt

 

Leitsatz (NV)

1. Fahrten zwischen dem Mittelpunkt der Lebensführung eines Steuerpflichtigen und seinem Arbeitsort sind unabhängig von der Entfernung Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG.

2. Die Kosten eines Unfalls, der sich auf einer solchen Fahrt ereignet, sind Werbungskosten.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der im Streitjahr 1982 ledige Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Zeitsoldat mit einer vierjährigen Verpflichtungszeit. Seine Dienststelle war im Ausland. Von dieser Dienststelle war der Kläger zu drei Lehrgängen abgeordnet, und zwar nach A (5. Januar bis 17. März 1982) sowie nach B (31. März bis 30. April 1982 und vom 7. November bis 17. Dezember 1982), wo er jeweils an der Gemeinschaftsverpflegung teilnahm. Im Zusammenhang mit diesen drei Lehrgängen machte der Kläger Verpflegungsmehraufwand nach den Grundsätzen einer doppelten Haushaltsführung (jeweils 14 Tage x 35 DM; 3 x 490 DM = 1 470 DM) zum Werbungskostenabzug geltend. Dies lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ab, da der Kläger als lediger Arbeitnehmer keinen doppelten Haushalt geführt habe.

Ferner machte der Kläger Fahrtkosten in Höhe von 6 938,64 DM (0,36 DM je Entfernungskilometer) für Fahrten zwischen dem Stationierungsort bzw. den Lehrgangsorten und seiner Wohnung im Hause seiner Eltern ebenso geltend wie Kosten einer Autoreparatur (1 455, 47 DM) nach einem Unfall, den die Polizei in C aufgenommen hatte. Auch bezüglich dieser Kosten versagte das FA den Werbungskostenabzug.

Schließlich machte der Kläger noch Kosten für die Unterstützung seiner Mutter (Eltern) in Höhe von 2 000 DM als außergewöhnliche Belastung geltend; diese Kosten behandelte das FA als nichtabzugsfähige Kostenerstattung des Klägers für seine Aufenthalte im elterlichen Haushalt an den Wochenenden.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung u. a. aus: Der Kläger könne keine Mehraufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung zum Werbungskostenabzug geltend machen, da er am Heimatort nicht einen eigenen Hausstand mit von ihm finanziell abhängigen Angehörigen geführt habe. Das FA habe daher einen Abzug der Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu Recht abgelehnt. Verpflegungsmehraufwendungen seien dem Kläger im übrigen deshalb nicht entstanden, weil er an der Gemeinschaftsverpflegung teilgenommen habe. Die vorgenannten Kosten könnten auch nicht ausnahmsweise nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG im Rahmen einer vorübergehenden auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer zum Abzug zugelassen werden. Der Kläger sei infolge seiner vierjährigen Stationierung im Ausland nicht nur vorübergehend von seinem Heimatort abwesend gewesen. Schließlich könnten die Fahrtkosten auch nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anerkannt werden. Zwar könne davon ausgegangen werden, daß der Kläger am Heimatort weiterhin den Mittelpunkt seiner Lebensführung gehabt habe. Die Entfernungen zwischen dem Heimatort und dem Stationierungsort bzw. den Lehrgangsorten sei aber zu groß gewesen, als daß es ein Arbeitnehmer auf Dauer auf sich nehmen würde, diese Strecken arbeitstäglich mit dem Pkw zurückzulegen und außerdem noch am Beschäftigungsort seiner Arbeit nachzugehen. Auch die Reparaturkosten könnten nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Zum einen habe der Kläger nicht dargetan, daß der Unfall auf einer Fahrt zwischen Heimatort und Arbeitsort oder umgekehrt passiert sei. Im übrigen könnten die Kosten selbst dann aus den zuvor dargelegten Gründen nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Die Aufwendungen des Klägers für den Unterhalt seiner Mutter (Eltern) seien nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, weil der Kläger nicht dargetan habe, daß die Mutter kein oder nur geringes Vermögen besitze und ihre Einkünfte den Betrag von 4 200 DM im Jahr nicht überstiegen.

Mit seiner - vom Senat zugelassenen - Revision beantragt der Kläger die Abänderung der Vorentscheidung und der Verwaltungsentscheidungen insoweit, als er nur noch den Abzug des Verpflegungsmehraufwandes in Höhe von 1 470 DM und der Unfallkosten in Höhe von 1 455,47 DM als Werbungskosten sowie den Abzug des Betrages in Höhe von 2 000 DM als außergewöhnliche Belastung für die Unterstützung seiner Mutter (Eltern) begehrt.

Bezüglich der Fahrtkosten ist ein Teilabhilfebescheid ergangen, der zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht worden ist (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im Hinblick auf diesen Teilabhilfebescheid ist die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt worden.

Der Kläger führt zur Begründung seiner Revision im wesentlichen aus: Der Verpflegungsmehraufwand sei anläßlich von Fortbildungsveranstaltungen außerhalb des Dienstortes angefallen. Der Hinweis auf die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung werde der besonderen Situation auf Lehrgängen nicht gerecht, die einen Mehrbedarf gegenüber der Verpflegung am ständigen Dienstort durch die Kürze des Aufenthalts und den erhöhten Bedarf mit sich brächten. Die Unfallkosten seien als Werbungskosten abzugsfähig. Der Unfall habe sich auf der Fahrt zwischen Heimatort und Stationierungsort im Ausland ereignet. Das FG habe den Sachverhalt insoweit nicht hinreichend aufgeklärt, weil es sich ihm hätte aufdrängen müssen, ihn, den Kläger, spätestens in der mündlichen Verhandlung näher dazu zu befragen. Die Unterstützung der Eltern sei laufend erfolgt. Von den gezahlten Beträgen würden 2 000 DM geltend gemacht, weil dieser Betrag von der Leistung der Arbeitslosenhilfe des Vaters als Unterhaltsleistung des Klägers abgesetzt worden sei. Auch insoweit hätte das FG dem klägerischen Vortrag weiter nachgehen müssen.

Das FA tritt der Revision entgegen. Es ist u. a. der Auffassung, daß dem Kläger ein Verpflegungsmehraufwand, abgesehen von einer fehlenden doppelten Haushaltsführung, schon wegen der Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung, nicht entstanden sei. Die Unfallkosten könnten nicht abgezogen werden, da der Kläger im Revisionsverfahren erstmals Angaben zu dem Unfallgeschehen gemacht habe, was als ein neues tatsächliches Vorbringen unbeachtlich sei. Ein Abzug als außergewöhnliche Belastung scheide ebenfalls aus, da der Kläger selbst im Revisionsverfahren noch nicht dargelegt habe, ob die Eltern im Hinblick auf Vermögen und Einkünfte bzw. zum Unterhalt bestimmte Bezüge unterhaltsbedürftig gewesen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Das FG hat den Abzug der Unfallkosten aus Rechtsgründen deshalb abgelehnt, weil es die Fahrten zwischen dem Heimatort des Klägers und dem Stationierungsort wegen der weiten Entfernung nicht als beruflich veranlaßt angesehen hat. Diese Auffassung steht im Widerspruch zu der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der Kosten für Fahrten zwischen dem Mittelpunkt der Lebensführung eines Steuerpflichtigen und dem Arbeitsort unabhängig von der Entfernung als Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abzugsfähig sind (Urteil vom 13. Dezember 1985 VI R 7/83, BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221). Das FG wird nunmehr Feststellungen zum Unfallhergang zu treffen haben. Vom Ergebnis dieser Feststellungen hängt es ab, ob die Reparaturkosten als Kosten eines Unfalls auf dem Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abzugsfähig sind. Daß der Heimatort des Klägers dessen Mittelpunkt der Lebensführung gewesen ist, hat das FG bereits entschieden; diese Frage war im bisherigen Verfahren auch nie streitig.

Die Aufhebung der Vorentscheidung und die Zurückverweisung der Sache erfolgt auch bezüglich des begehrten Abzuges von Verpflegungsmehraufwendungen. Wie aus dem Urteil des Senats vom 4. Mai 1990 VI R 93/86, BFHE 160, 542, BStBl II 1990, 859 folgt, hatte der Kläger nach A und B Dienstreisen durchgeführt. Regelmäßige Arbeitsstätte war der Stationierungsort des Klägers im Ausland. Von dieser regelmäßigen Arbeitsstätte war der Kläger dreimal für jeweils weniger als drei Monate aus beruflichen Gründen abwesend. Bei der Berechnung des als Werbungskosten abzugsfähigen Verpflegungsmehraufwands gelten die Grundsätze des Urteils des Senats vom 18. Mai 1990 VI R 67/88, BStBl II 1990, 909.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417184

BFH/NV 1991, 33

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