Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Verwendung eines Anhängers; Anhängerzuschlag

 

Leitsatz (NV)

1. Der Anhängerzuschlag kann nicht rückwirkend festgesetzt, ein festgesetzter Zuschlag nicht mit einem höheren Zuschlag verrechnet werden.

2. Eine die KraftSt-Pflicht begründende unzulässige Anhängerverwendung liegt auch vor, wenn ein Anhängerzuschlag für das Zugfahrzeug zwar erhoben ist, dieser aber für die Gewichtsklasse des gezogenen Anhängers nicht ausreicht.

3. Die -- zulässige -- rückwirkende Wiedereinführung des nach Gewicht gestaffelten Anhängerzuschlags macht eine unter der Geltung des früheren einheitlichen Anhängerzuschlags zulässige Nutzung des Anhängers nicht nachträglich zu einer unzulässigen Verwendung.

 

Normenkette

KraftStG 1979 § 10 Abs. 1, 4, 6 a. F; AufhVO vom 7. 6. 1991 Art. 2; AO 1977 § 38

 

Tatbestand

Für die Klägerin und Revisionsbeklagte (im Verfahren VII R 1/96) sowie Revisionsklägerin (im Verfahren VII R 6/96) -- Klägerin --, die ein Fuhrunternehmen betreibt, wurden am 6. März 1991 eine Sattelzugmaschine sowie ein Sattelanhänger (3 Achsen, 24 000 kg) zum Verkehr zugelassen. Für die Zugmaschine war eine um einen Anhängerzuschlag für Anhänger bis zu einem Gesamtgewicht von 16 000 kg erhöhte Kraftfahrzeugsteuer mit vierteljährlichem Entrichtungszeitraum beantragt, für den Anhänger die Zuteilung eines Kennzeichens nach § 10 Abs. 1 Satz 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1979. Der Beklagte und Revisionskläger (im Verfahren VII R 1/96) sowie Revisionsbeklagte (im Verfahren VII R 6/96) -- Finanzamt (FA) -- setzte für das Halten des Zugfahrzeugs unter Berücksichtigung des damaligen einheit lichen Anhängerzuschlags von jährlich 300 DM Kraftfahrzeugsteuer fest (Bescheid vom 4. April 1991), die nach Wiederinkraftsetzung der früheren gewichtsabhängigen Zuschläge durch die Verordnung zur Aufhebung kraftfahrzeugsteuerlicher Sondervorschriften (AufhVO) vom 7. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1223, BStBl I 1991, 662) rückwirkend auf die Zulassung, jedoch bezogen auf Anhänger bis 16 000 kg Gewicht, erhöht wurde (Bescheid vom 31. Juli 1991). Hinsichtlich des Anhängers erging ein Freistellungsbescheid (vom 11. April 1991). Beide Fahrzeuge wurden am 20. Dezember 1991 abgemeldet.

Für den Anhänger setzte das FA die Steuer für die Zeit der Zulassung später neu fest, weil das Fahrzeug unzulässig -- hinter einer Zugmaschine, für deren Halten die Besteuerung unter Berücksichtigung nur eines Zuschlags für Anhänger mit niedrigerer Gewichtsklasse erfolgt war -- verwendet worden sei (Bescheid vom 3. Dezember 1993, bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 2. Februar 1994).

Vor dem Finanzgericht (FG) wandte sich die Klägerin sowohl gegen diese Festsetzung als auch gegen die vom FA ausgesprochene Ablehnung einer Neufestsetzung der Steuer für das Zugfahrzeug mit höherem, dem zutreffenden Gesamtgewicht des Anhängers entsprechenden Zuschlag. Das FG ermäßigte die Steuer für den Anhänger von 5619 DM um 1809 DM, weil es für den Zeitraum vom 6. März bis 6. Juni 1991 keine steuerschädliche Verwendung für gegeben hielt, und wies die Klage im übrigen ab. Es führte aus, die beantragte nachträgliche Neufestsetzung scheide aus, weil das FA unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt änderungsbefugt sei. Eine rückwirkende Festsetzung des höheren Anhängerzuschlags sei nicht zulässig. Hingegen sei die Steuerfestsetzung für den Anhänger teilweise rechtswidrig. Da seinerzeit der einheitliche und bei der ursprünglichen Festsetzung berücksichtigte Anhängerzuschlag von 300 DM gegolten habe, habe sich die zu geringe Gewichtsangabe im Zulassungsantrag nicht ausgewirkt. Die verfassungsrechtlich unbedenkliche Rückwirkung der AufhVO führe nicht dazu, daß nunmehr ebenfalls rückwirkend das Mitführen des Anhängers als schädliche Verwendung i. S. von § 10 Abs. 4 KraftStG 1979 angesehen werden könne. Eine seinerzeit rechtmäßige Verwendung werde nicht nachträglich zu einer zweckfremden. Das Mitführen sei ein Realakt, für dessen Beurteilung es auf die Rechtslage im Zeitpunkt dieser Verwendung ankomme. Die Steuerfestsetzung ab 7. Juni 1991 aufgrund der seitens des FA im Juli 1993 erlangten Kenntnis über das Fehlen eines ausreichenden Anhängerzuschlags sei indessen rechtmäßig. Eine Anrechnung des erhobenen Zuschlags scheide aus.

Die Vorentscheidung ist mit Begründung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 505 abgedruckt. Auf die Gründe im einzelnen wird verwiesen.

Beide Beteiligte haben Revision eingelegt.

Das FA trägt vor (VII R 1/96), eine schädliche Verwendung i. S. von § 10 Abs. 4 KraftStG 1979 sei auch gegeben, wenn der Anhänger hinter einer Zugmaschine geführt werde, für die eine um einen Anhängerzuschlag erhöhte Steuer nicht in der zutreffenden Höhe erhoben werde. Dies treffe wegen der Rückwirkung der AufhVO hier zu. Insoweit werde die Verwendung nachträglich zu einer zweckfremden.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage auch in diesem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

Sie trägt vor -- auch zur Begründung ihrer eigenen Revision (VII R 6/96) --, es liege eine offenbare Unrichtigkeit vor. Aus der Sicht eines "normalen" Bürgers werde die Zulassungsstelle auch für die Finanzbehörde tätig. Wäre es anders, so dürfte die Zulassungsstelle keine für die Finanzbehörde bestimmten Auskünfte verlangen. Das FG hätte den angebotenen Zeugenbeweis über die Verantwortung der Zulassungsstelle bezüglich der Antragsangabe erheben müssen.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Abänderung der betreffenden Steuerbescheide die Kraftfahrzeugsteuer mit dem beantragten Anhängerzuschlag festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen, die zu gemeinsamer Entscheidung verbunden werden (§ 121, § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), sind nicht begründet (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Vorentscheidung läßt Rechtsfehler zum Nachteil der Beteiligten nicht erkennen.

1. Ohne Erfolg bleibt zunächst die Revision der Klägerin (VII R 6/96). Es kann sich bereits fragen, ob diese Revision überhaupt zulässig ist. Ihre Statthaftigkeit läßt sich allerdings nicht in Zweifel ziehen. Zwar ist die Revision vom FG im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung der Anhängerverwendung in der Zeit von März bis Juni 1991 zugelassen worden, doch gilt die Zulassung unabhängig von ihrem Grund und auch zugunsten der Klägerin (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 115 Anm. 46). Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revision ergeben sich vielmehr in anderer Beziehung. Soweit sich die Revisionsbegründung lediglich in der Wiederholung der vom FG abgelehnten Rechtsauffassung der Klägerin erschöpft, enthält sie nämlich nicht die nach § 120 Abs. 2 FGO gebotene Auseinandersetzung mit der Vorentscheidung (zu diesem Erfordernis z. B. Gräber/ Ruban, a. a. O., § 120 Anm. 32 f.). Der Senat hält das Begründungserfordernis gleichwohl noch für erfüllt, daß die Klägerin der Rechtsansicht des FG, das Handeln der Zulassungsstelle sei nicht der Finanzbehörde zuzurechnen, mit einem Hinweis auf die Befugnisse der Zulassungsstelle entgegengetreten ist. Dieser Revisionsangriff geht freilich fehl (vgl. nur Senatsurteile vom 17. Oktober 1989 VII R 58/87, BFHE 158, 466, 468, BStBl II 1990, 249, und vom 9. August 1988 VII R 40/85, BFH/NV 1989 260). Eine offenbare Unrichtigkeit (§ 129 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) bei der Festsetzung des Anhängerzuschlags liegt aus den Gründen der Vorentscheidung im übrigen nicht vor, weshalb es auf die Erhebung des von der Klägerin angebotenen Zeugenbeweises (Fehlerhaftigkeit der Gewichtsangabe) nicht ankam. Eine Festsetzungsänderung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 und die rückwirkende Festsetzung eines höheren Anhängerzuschlags schieden, wie von der Vorinstanz richtig erkannt, aus (vgl. auch FG München, Urteil vom 11. Mai 1994 4 K 3743/90, Umsatz- und Verkehrsteuer-Recht -- UVR -- 1994, 282, m. N.), ebenso, gleichfalls aus den Gründen der Vorentscheidung, eine Berücksichtigung des tatsächlich erhobenen Anhängerzuschlags bei der Festsetzung (in diesem Sinne auch Verwaltungserlaß in UVR 1994, 160). Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da der Revisionsvortrag der Klägerin hierzu keine Veranlassung gibt.

Richtig ist das FG auch davon ausgegangen -- von der Revision nicht gerügt --, daß der Tatbestand von § 10 Abs. 4 KraftStG 1979 auch erfüllt ist (mit der aus nachstehender Nr. 2 sich ergebenden Einschränkung), wenn für das Halten des Zugfahrzeugs ein Anhängerzuschlag zwar erhoben worden ist, dieser aber für den gezogenen Anhänger nicht ausreicht (so die herrschende Meinung; vgl. Klein/Olbertz, Kraftfahrzeugsteuergesetz, 2. Aufl. 1987, § 10 Anm. 11; Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, Kraftfahrzeugsteuergesetz § 10 Rdziff. 7; Heinz in Bischoff, Verkehrsteuern, 3. Aufl. 1992, S. 258; Einführungs-Ländererlaß zum Kraftfahrzeugsteuergesetz 1979 -- § 10 --, BStBl I 1979, 463, 467). Der Gegenansicht von Egly/Mößlang (Kraftfahrzeugsteuer, 3. Aufl. 1981, S. 304 f.) ist nicht zu folgen. Wie auch von ihr eingeräumt wird, deckt der Wortlaut des Steuertatbestandes Fälle der vorliegenden Art mit ab. Mit der Erhebung des beantragten Zuschlags ist die Gewichtsklasse des "zulässigen" Anhängers festgelegt. Für eine Änderung ist, wie ausgeführt, kein Raum.

2. Unbegründet ist auch die Revision des FA (VII R 1/96). Das FG hat richtig entschieden, daß die Klägerin für das Halten des Anhängers in der Zeit vom 6. März bis 6. Juni 1991, in die der erste Entrichtungszeitraum fällt, nicht kraftfahrzeugsteuerpflichtig war.

Bei Zulassung der Fahrzeuge galt § 10 Abs. 6 KraftStG 1979 i. d. F. von Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes über Gebühren für die Benutzung von Bundesfernstraßen mit schweren Lastfahrzeugen vom 30. April 1990 (BGBl I 1990, 826, BStBl I 1990, 240). Mit der bezeichneten Vorschrift war der Anhängerzuschlag für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1993 abweichend von § 10 Abs. 3 KraftStG 1979 -- gewichtsabhängiger Zuschlagstarif -- auf einheitlich 300 DM jährlich festgelegt worden. Diese Regelung ist mit der AufhVO (Art. 2) rückwirkend auf den 1. März 1991 entfallen, womit der gestaffelte Zuschlags tarif wieder in Kraft getreten ist. Die rückwirkende Aufhebung von § 10 Abs. 6 KraftStG 1979 hat der Senat für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (Urteil vom 11. Mai 1993 VII R 133/92, BFHE 171, 91, BStBl II 1993, 684; vgl. auch Beschluß vom 21. Dezember 1992 VII B 128/92, BFHE 169, 486, BStBl II 1993, 201).Ü

ber die aufgrund dieser Rechtslage ergangene Neufestsetzung vom 31. Juli 1991 (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1979), die möglicherweise bestandskräftig geworden ist, wird nicht gestritten. Hinsichtlich des Anhängers ist die von der Klägerin angegriffene Neufestsetzung vom 3. Dezember 1993 (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG 1979; dazu Senat, Urteil vom 20. August 1985 VII R 182/82, BFHE 144, 465, BStBl II 1985, 716) grundsätzlich nicht zu beanstanden, da insoweit der Steuertatbestand nach § 10 Abs. 4 KraftStG 1979 eingreift (vorstehend Nr. 1). Das gilt jedoch nicht für den ersten Entrichtungszeitraum. Während dieser Zeit lag eine die Steuerpflicht begründende Verwendung nicht vor. Wie der Senat entschieden hat (Urteil vom 28. November 1995 VII R 106/94, BFHE 180, 188, BStBl II 1996, 168), enthält § 10 Abs. 4 KraftStG 1979 eine Spezialregelung für die Fälle unzulässiger Verwendung eines inländischen Kraftfahrzeuganhängers, für den die Steuer gemäß § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 nicht erhoben wird. Nicht erhoben ist die erhöhte Steuer auch, wenn der Anhängerzuschlag für die Gewichtsklasse des Anhängers nicht ausreicht (vorstehend Nr. 1). Besteht jedoch für alle Gewichtsklassen ein einheitlicher Zuschlag, so ist die Verwendung eines mit niedrigerem als dem tatsächlichen Gewicht angemeldeten Anhängers hinter einem Zugfahrzeug, für dessen Halten die Steuer unter Einbeziehung des einheitlichen Zuschlags festgesetzt worden ist, nicht "unzulässig". Die rückwirkende Wiedereinführung des gewichtsabhängigen Zuschlagstarifs macht eine zulässige Nutzung nicht nachträglich zu einer unzulässigen (FG und FA: "zweckfremden") Verwendung. Knüpft der Steuertatbestand an die Unzulässigkeit eines Handelns an, so kann diese nur nach den zur Zeit des Geschehens vorliegenden Umständen beurteilt werden. Dies folgt für den Senat aus dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (vgl. auch § 38 AO 1977). Der Steuertatbestand muß in diesem Sinne ein für allemal festliegen, spätere Ereignisse können sich nur auf die Höhe der Steuer auswirken (zu letzterem etwa Bundesfinanzhof, Urteil vom 30. Januar 1985 I R 12/82, BFHE 143, 213, 215 f., BStBl II 1985, 386).

Den Entscheidungen in BFHE 169, 486 und BFHE 171, 91 können gegenteilige Gesichtspunkte nicht entnommen werden. Beide Senatsentscheidungen betreffen nur die bereits in der Fahrzeughaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1979) tatbestandsmäßig begründete Kraftfahrzeugbesteuerung unter Bemessung nach dem zulässigerweise rückwirkend wieder eingeführten höheren alten Steuersatz. Auch der Hinweis des FA auf die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Behandlung eines Halters, der in der Zeit von März bis Anfang Juni 1991 ein zutreffendes höheres Anhängergewicht angemeldet hat, führt nicht weiter. Die rückwirkende Höherbelastung eines solchen Steuerpflichtigen rechtfertigt sich aus der Tatbestandsverwirklichung (dem Halten eines Fahrzeugs mit der angemeldeten Beschaffenheit), während es im Falle der Klägerin an der Erfüllung des Steuertatbestandes nach § 10 Abs. 4 KraftStG 1979 in der fraglichen Zeit fehlt.

3. Die Kostenentscheidung ist für das Gesamtverfahren einheitlich -- hier gemäß § 136 Abs. 1 FGO -- zu treffen (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 136 Anm. 4). Der zugrunde zu legende Streitwert ist ungeachtet der formell vorliegenden objektiven Klagenhäufung (Anfechtungs- und Verpflichtungsklage) einheitlich auf den im angefochtenen Bescheid vom 3. Dezember 1993 festgesetzten Betrag von 5619 DM zu bestimmen (§ 13 Abs. 1, § 25 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes). Nach dem Maße ihres jeweiligen Teilunterliegens tragen die Beteiligten die Kosten. Insoweit erscheint es angemessen, ihnen, wie in der Vorentscheidung geschehen, die Kosten je zur Hälfte aufzuerlegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421726

BFH/NV 1997, 152

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