Leitsatz (amtlich)

Der Senat tritt der Auffassung der Länderregierungen der amerikanischen Zone hinsichtlich der Währungsverluste in Verbindung mit der Umstellung der Geldansprüche des Rückerstattungsverpflichteten bei. Etwaige Währungsverluste, die sich bei der Rückgewähr des Entgelts nach Art. 44 (MilRegG Nr. 59) für den Rückerstattungsverpflichteten ergeben, dürfen nach § 18 UGDV das zu versteuernde Einkommen des Rückerstattungsverpflichteten nicht mindern.

 

Normenkette

AmerikREG 44; UGDV § 18

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die steuerpflichtige AG im Zuge zweier Rückerstattungsverfahren steuerlich nicht anzuerkennende Währungsverluste nach § 18 der Ersten Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens (UGDV) erlitten hat.

Am 9. Mai 1951 schlossen die AG und die Rückerstattungsberechtigten vor dem Schlichter für Wiedergutmachungssachen beim Amtsgericht einen Vergleich. Die AG verpflichtete sich, nominal 154.800 RM eigene Aktien an die Rückerstattungsberechtigten entschädigungslos zu leisten. Der Entziehungsvorgang hat sich in 1935 abgespielt. Damals erwarb die AG nominal 100.000 RM eigene Aktien zum Preise von 205.000 RM (Kurswert der Aktien 205 %). Der Anspruch der Antragsteller ging infolge der Verdoppelung des Grundkapitals der AG in 1941 auf die Herausgabe von Aktien im Betrag von nominal 250.000 RM.

Ein weiteres Rückerstattungsverfahren zwischen der AG und den Rückerstattungsberechtigten kam schon am 18. Januar 1950 zum Abschluß. In dem Vergleich vor dem Schlichter für Wiedergutmachungssachen beim Amtsgericht verpflichtete sich die AG, nominal 23.760 RM Aktien der X-AG zurückzugeben und 330 DM für gezogene Nutzungen zu zahlen. Die Rückerstattungsberechtigten vergüteten für den zurückzugewährenden Kaufpreis 2.500 DM. Der Kaufpreis für den Erwerb in 1937 hatte 25.200 RM betragen.

Die Forderung auf Rückerstattung von nominal 250.000 eigene Aktien der AG wurde durch Anmeldung beim Zentralmeldeamt am 17. Oktober 1949 erhoben und der Rückerstattungsverpflichteten am 2. Januar 1950 zugestellt. Die DM-Eröffnungsbilanz enthält keine Rückstellung für Rückerstattung. In der Handelsbilanz zum 31. Juni 1949 ist eine Rückstellung für Rückerstattung in Höhe von 150.000 DM zu Lasten des Erfolges des Wirtschaftsjahres 1948 / 1949 gebildet worden. Der Buchwert der 154.800 RM eigene Aktien betrug 159.942 DM. Auf Grund ihrer Rückerstattung im Wirtschaftsjahr 1950 / 1951 wurden 150.000 DM zu Lasten der im Wirtschaftsjahr 1948 / 1949 gebildeten Rückstellung und 9.942 DM zu Lasten des Erfolges gebucht.

Die nominell 23.760 RM X-Aktien hatten einen Buchwert von 14.250 DM. Es wurde durch die Rückerstattung dieser Aktien das Ergebnis des Wirtschaftsjahres 1949 / 1950 um den Betrag von 14.250 DM abzüglich 2.500 DM = 11.750 DM gemindert. Unter dem 24. Mai 1948 hatten die Rückerstattungsberechtigten bei der Steuerpflichtigen Auskunft über die Bedingungen des Kaufes der Aktien im Jahre 1937 erbeten. Die Anmeldung der Rückerstattungsberechtigten beim Zentralmeldeamt wurde unter dem 19. November 1948 vorgenommen.

Das Finanzamt war der Ansicht, daß der durch die Rückerstattung eingetretene Verlust ein Währungsverlust sei, der nach § 18 UGDV das Ergebnis nicht mindern dürfe. Der Verlust sei lediglich darauf zurückzuführen, daß die Gegenansprüche der Rückerstattungsverpflichteten infolge der Währungsumstellung sich entsprechend gemindert hätten.

In der Sprungberufung machte die AG geltend, bei der Festsetzung des Betrages von nominal 154.800 RM-Aktien habe der Kaufpreisrückgewährungsanspruch keine Rolle gespielt. Dies ergebe sich daraus, daß der Betrag von 250.000 RM-Aktien sich nicht um den auf 10 : 1 umzustellenden Gegenanspruch, sondern um einen höheren Betrag gemindert habe. Im übrigen vertrat sie den Standpunkt, daß die Bestimmungen des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) zur Folge hätten, daß § 18 UGDV gegenstandslos geworden sei und bezog sich hierzu auf Ausführungen von Zitzlaff in Steuer und Wirtschaft 1950 Spalte 837 und Camerer in Steuer und Wirtschaft 1950 Spalte 261, 262.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt und begründete dies wie folgt:

Die Rückerstattungsberechtigten hätten ihren Anspruch erst am 17. Oktober 1949 angemeldet. Am 21. Juni 1948 habe die AG mit einem Rückerstattungsanspruch nicht zu rechnen brauchen. Es sei deshalb ein Passivierungszwang zum 21. Juni 1948 zu verneinen. Hinsichtlich der Rückerstattung der Aktien der X-AG habe wohl eine Anfrage von seiten der Rückerstattungsberechtigten kurz vor der Währungsreform vorgelegen. Die Steuerpflichtige habe jedoch in ihrem Antwortschreiben vom 21. August 1948 die unrechtmäßige Entziehung mit beachtlichen Gründen bestritten. Eine Klärung sei erst durch den nach der Bilanzaufstellung abgeschlossenen Vergleich vom 18. Januar 1950 eingetreten.

Der Prüfer unterstelle im Falle der Rückerstattung der eigenen Aktien von nominal 154.800 RM, daß die Kaufgeldforderung 10 : 1 umgestellt, der Umstellungsverlust gleich dem Buchverlust sei. Tatsächlich sei der gezahlte Kaufpreis im Verhältnis von etwa 10 : 2 verrechnet worden. Eine Verrechnung des Kaufpreises werde man entgegen den Angaben der AG anzunehmen haben. Bei der Rückerstattung der Aktien der X-AG sei die Berechnung des Prüfers nicht folgerichtig. Der Umstellungsverlust betrage hier 25.180 DM abzüglich 2.500 DM = 22.680 DM. Dem stehe ein Buchwert von 14.250 DM gegenüber, so daß sich sogar ein Ertrag aus der Rückerstattung von 8.430 DM zuzüglich 2.500 DM = 10.930 DM ergebe, wenn man § 18 UGDV anwende. Diese Folgerung habe der Prüfer offenbar vermeiden wollen. Er habe es bei erfolgsneutraler Auswirkung der Rückerstattung bewenden lassen.

Ob die Kaufgeldforderung der Steuerpflichtigen nach § 44 des Rückerstattungsgesetzes (REG) den Bestimmungen von §§ 13, 16 des Umstellungsgesetzes (UmstG) unterliege, sei stark umstritten (vgl. Harmening-Duden, Währungsgesetze, Ergänzungsband 1949 S. 37; Oberlandesgericht Freiburg vom 26. Oktober 1950 mit ausführlicher übersicht über die Rechtsprechung zur Umstellung, Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht - RzW - 1951 S. 23). Nach der in der amerikanischen Zone maßgeblichen Rechtsprechung des Court of Restitution Appeals (CoRA) sei zumindest mit dem Erlaß des Gesetzes Nr. 59 der Kaufpreisrückgewährungsanspruch als Geldsummenanspruch entstanden und daher 10 : 1 umzustellen (vgl. z. B. CoRA vom 21. November 1950, RzW 1951 S. 104). In der britischen Zone sei jedoch an Stelle der schematischen Umstellung 10 : 1 oder 100 : 6,5 abweichend von der Regelung der amerikanischen Zone ein angemessener Betrag festzusetzen.

Der umzustellende Kaufpreisrückgewährungsanspruch des Rückerstattungsverpflichteten bemesse sich nicht nach dessen Leistung. Es komme auf das vom Rückerstattungsberechtigten tatsächlich erlangte Entgelt an. Soweit das Entgelt durch Judenvermögensabgabe, Reichsfluchtsteuer, Transferverluste geschmälert werde, könne § 18 UGDV zu Lasten des Rückerstattungsverpflichteten nicht eingreifen. Insoweit komme somit ein Währungsverlust nicht in Frage. Es erscheine nicht vertretbar, den Rückerstattungsverpflichteten, der allein im Interesse des Rückerstattungsberechtigten das Rückerstattungsobjekt herausgeben müsse, an dem RM-Betrag des in DM umgestellten Kaufpreisrückgewährungsanspruchs steuerlich festzuhalten. § 18 UGDV führe bei seiner wörtlichen Anwendung zu einem sinnwidrigen Ergebnis (vgl. Henniger, Deutsche Steuer-Rundschau - DStR - 1953 S. 444). Die Kaufgeldforderung sei mit dem Herausgabeanspruch des Rückerstattungsberechtigten gekoppelt und könne auf seiten des Rückerstattungsverpflichteten nicht für sich betrachtet werden. Hierzu komme, daß in der britischen Zone die Kaufgeldforderung des Rückerstattungsverpflichteten anders umgestellt werde als es dem UmstG entspreche. Die Anwendung des § 18 UGDV führe zu einer unbilligen und ungleichmäßigen Behandlung der Rückerstattungsverpflichteten der amerikanischen Zone gegenüber den Rückerstattungsverpflichteten der britischen Zone.

Das Finanzgericht sei der Ansicht, daß § 18 UGDV im Streitfall nicht anzuwenden sei. Hierfür spreche auch, daß zwischen den Beteiligten pauschal abgerechnet werde und es sich vielfach sehr schwer feststellen lasse, welcher Betrag als Währungsverlust innerhalb dieser Berechnung enthalten sei. Im übrigen erklärten die Bestimmungen in Abschnitt V Ziff. 12 des Erlasses des Finanzministeriums Württemberg-Baden vom 20. Mai 1950 (Amtsblatt des Finanzministeriums Württ.-Bad. - WBFBl. - S. 280), daß Währungsverluste infolge Umstellung des Kaufpreisrückgewährungsanspruches durch die Wiedergutmachungsbehörde oder das Wiedergutmachungsgericht den Gewinn nicht mindern dürften. Im vorliegenden Fall handle es sich aber um eine Regelung durch einen Vergleich.

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts ist im Gegensatz hierzu der Ansicht, daß § 18 UGDV der Berücksichtigung des Verlustes entgegenstehe. Der Verlust sei dadurch entstanden, daß die Gegenansprüche der Firma abgewertet worden seien. Dieser Auffassung seien auch die Ländererlasse der amerikanischen Zone. Bestärkt wurde die Auffassung durch die Entscheidung des Finanzgerichts München II 58, 59/52 vom 16. Oktober 1952 (besprochen in der Deutschen Steuerzeitung Eildienst 1953 S. 245).

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde ergibt folgendes:

Nach § 18 UGDV haben Vermögensänderungen, die durch die Vorschriften des UmstG und ihrer Durchführungsverordnungen entstehen, bei den Steuern vom Einkommen außer Betracht zu bleiben. Wird tatbestandsmäßig festgestellt, daß ein Währungsverlust auf diese gesetzlichen Vorschriften zurückzuführen ist, so muß hiernach der Verlust bei der Ermittlung der Einkünfte außer Ansatz bleiben. Die Bestimmung ist unabhängig vom DMBG. Sie gilt uneingeschränkt auch für Vorgänge, die sich erst nach dem 21. Juni 1948 abspielen. Das UmstG und die UGDV sind bereits vor dem DMBG ergangen. Das DMBG hat sie nicht abgeändert. § 18 UGDV beschränkt sich nicht auf Folgerungen und Schulden, die bereits am 21. Juni 1948 bestehen, sondern erfaßt ganz allgemein alle Währungsverluste und damit auch die nach dem Stichtage liegenden Vorgänge. Siehe hierzu auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs V ZR 109/53 vom 14. Januar 1955 (Deutsche Notar-Zeitschrift 1955 S. 250). Die Entscheidung der Höhe der Umstellung obliegt den ordentlichen Gerichten. Ergibt sich hieraus ein Währungsverlust im Sinne des § 18 UGDV, so muß er erfolgsneutral behandelt werden. Des weiteren ist es rechtlich nicht von Bedeutung, ob der Währungsverlust sich auf ein Urteil oder eine vergleichsweise Regelung gründet, soweit er auf das UmstG und seine Durchführungsverordnungen zurückgeht.

Der Beurteilung des Finanzgerichts liegen Erwägungen zugrunde, die sozialer Natur sind und im Ergebnis im Widerspruch zu den Auffassungen des Gesetzgebers in den Gesetzen über die Währungsumstellung und die Rückerstattung stehen. Der Gesetzgeber des REG hatte die Entscheidung zu treffen, ob der Rückerstattungsberechtigte oder der Rückerstattungsverpflichtete die Währungsverluste bei Barzahlungen in Verbindung mit der Entziehung zu tragen hatte. Er ging von der Ansicht aus, daß bei Entziehungen dem Rückerstattungsberechtigten der Währungsverlust nicht zugerechnet werden könne. Auch für diese Währungsverluste müssen die allgemein für Währungsverluste vorgesehenen steuerlichen Vorschriften angewendet werden.

Es kann auch nicht anerkannt werden, daß es sich um einen Sonderfall im Sinne der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 57/52 U vom 8. September 1953 (Slg. Bd. 58 S. 138, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 344) handelt, der nach Sinn und Zweck des Gesetzes anders zu beurteilen wäre als die große Masse der Fälle des § 18 UGDV. Wird der Rückerstattungsvorgang, wie es den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Buchführung im allgemeinen entsprechen wird, bei der Bilanzierung in der DM-Eröffnungsbilanz berücksichtigt, so berührt der Währungsverlust das einkommensteuerliche Ergebnis nicht. Auch Währungsverluste in Verbindung mit Rückerstattungsvorgängen, die sich nicht im Rahmen eines Betriebs abspielen, können steuerlich nicht berücksichtigt werden. Eine Sonderregelung im Sinne der Entscheidung des Finanzgerichts würde dem Wortlaut des § 18 UGDV widersprechen und wohl auch mit Art. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) schwerlich zu vereinbaren sein.

Auch den Erwägungen des Finanzgerichts über die Ungleichmäßigkeit der Umstellung in der amerikanischen und britischen Zone kann nicht gefolgt werden. Es mag zutreffen, daß die Umstellung der Forderungen und Schulden nicht in allen Fällen nach dem Verhältnis 10 : 1 erfolgt. Vielfach haben auch die übrigen Schuldner in ein anderes Umstellungsverhältnis eingewilligt. Das kann aber nicht dazu führen, einen Währungsverlust steuerlich mit der Begründung zu berücksichtigen, daß ungünstig umgestellt worden ist.

An einer von der obigen Rechtsauffassung abweichenden Ansicht in einer nicht bekanntgegebenen Entscheidung hält der Senat bei erneuter Prüfung der Sache nicht fest.

Die Vorentscheidung muß aufgehoben werden. Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß Verluste bei der Rückerstattung, die nicht auf die Währungsumstellung, sondern auf andere Vorgänge zurückzuführen sind, so insbesondere darauf, daß die Leistungen des Rückerstattungsverpflichteten seinerzeit dem Rückerstattungsberechtigten nur teilweise zugeflossen sind, nicht unter § 18 UGDV fallen. Bei Vergleichen wird sich häufig nicht genau feststellen lassen, inwieweit die vereinbarte Gegenleistung des Rückerstattungsberechtigten durch einen Währungsverlust des Rückerstattungsverpflichteten berührt wird. In derartigen Fällen muß geschätzt werden. Wenn hierbei, um die Härte des Währungsverlustes zu beschränken, zweifelhafte Tatbestände zugunsten des Rückerstattungsverpflichteten entschieden werden, so ist dies unbedenklich.

Des weiteren ist es vertretbar, als Währungsverlust lediglich den buchmäßigen Verlust anzusehen, wie dies von seiten des Finanzamts in dem Rückerstattungsfall hinsichtlich der X-Aktien geschehen ist.

Im übrigen erscheint die Würdigung des Finanzgerichts nicht unbedenklich, daß es im Streitfall mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vereinbar sei, in der DM-Eröffnungsbilanz im vollen Umfange von Rückstellungen für die drohende Rückerstattung abzusehen. Der Rückerstattungsvorgang hat sich innerhalb weniger Jahre nach der Währungsumstellung abgespielt. Es ist kaum anzunehmen, daß sich die Rückerstattungsverpflichtete, insbesondere bei Berücksichtigung der Höhe ihrer Rückerstattungsleistungen, am 21. Juni 1948 nicht der Gefahr hinsichtlich des umstrittenen jüdischen Vermögens bewußt gewesen sei. Sie hat vielleicht seinerzeit die Gefahr geringer eingeschätzt. Aber eine angemessene Rückstellung wird man nach den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Buchführung, die auf den Grundsätzen der Vorsicht aufgebaut sind, verlangen müssen.

Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Würdigung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408191

BStBl III 1955, 226

BFHE 1956, 76

BFHE 61, 76

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