Entscheidungsstichwort (Thema)

Veruntreute Beträge keine Betriebseinnahmen

 

Leitsatz (NV)

1. Verwaltet jemand fremdes Vermögen und verwendet er Teile dieses Vermögens pflichtwidrig für eigene Zwecke, so sind die veruntreuten Beträge keine Betriebseinnahmen und die aufgrund der Veruntreuung geleisteten Schadensersatzbeträge keine Betriebsausgaben.

2. Die in solchen Fällen zu Schadensersatzzwecken gemachten Aufwendungen können auch nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, §§ 12, 33

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1975 bis 1978 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Der Kläger (Ehemann) ist Justizamtmann. In den Jahren 1971 bis 1974 war der Kläger nebenberuflich als Pfleger (Nachlaß- und Abwesenheitspfleger) tätig, so u. a. in den Pflegschaftssachen E und L; er erzielte hieraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Der Wirkungskreis des Klägers umfaßte in der Pflegschaftssache E die Verwaltung eines Nachlasses und in der Pflegschaftssache L die Verwaltung eines Vermögens.

Bei einer Überprüfung der Nebentätigkeit des Klägers im Jahr 1974 wurde festgestellt, daß der Kläger in den Pflegschaftssachen E und L von Sparkonten, die zu den verwalteten Vermögen gehörten, erhebliche Beträge abgehoben hatte, ohne den Verbleib der Gelder nachweisen zu können. Der Kläger erklärte hierzu, er könne über den Verbleib der Fehlbeträge keine Angaben machen, weil ihm infolge einer Erkrankung jegliche Erinnerung fehle.

Gegen den Kläger wurde Ende 1974 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren und im Dezember 1975 ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Beide Verfahren wurden wieder eingestellt, weil nicht ausgeschlossen werden könne, daß der Kläger wegen krankhafter seelischer Störungen schuldunfähig gewesen sei.

Die entstandenen Vermögensschäden hat der Kläger - nach seiner Darstellung aufgrund einer Verpflichtung nach § 829 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) - ersetzt. Hierdurch sind dem Kläger in den Streitjahren 1975 bis 1978 erhebliche Aufwendungen entstanden (Ersatzleistungen; Refinanzierungszinsen; Rechtsanwaltskosten). Diese Aufwendungen machten die Kläger im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre 1975 bis 1978 als Verlust aus selbständiger Arbeit geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die Schadensersatzleistungen, die Refinanzierungszinsen und die Rechtsanwaltskosten - abgesehen von einem bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten abzugsfähigen Teilbetrag - unter Berufung auf § 12 EStG nicht zum Abzug zu.

Die Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1978, mit der die Kläger den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als Betriebsausgaben, hilfsweise als außergewöhnliche Belastungen begehrten, war erfolglos. Die Schadensersatzleistungen seien keine Betriebsausgaben, da sich nicht habe feststellen lassen, daß sie durch die Pflegertätigkeit des Klägers und damit betrieblich veranlaßt gewesen seien. Auch außergewöhnliche Belastungen i. S. von § 33 EStG lägen nicht vor.

Mit der Revision beantragen die Kläger sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1975 bis 1978 die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit den Schadensersatzleistungen als Betriebsausgaben, hilfsweise als außergewöhnliche Belastungen zum Abzug zuzulassen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; die Aufwendungen des Klägers aus seiner pflichtwidrigen Amtsführung können weder als Betriebsausgaben noch als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

1. Ein Abzug der genannten Aufwendungen als Betriebsausgaben hätte nach § 4 Abs. 4 EStG zur Voraussetzung, daß sie durch den Betrieb, d. h. im Streitfall durch die nebenberufliche selbständige Tätigkeit des Klägers als Vermögenspfleger, veranlaßt waren. Das Finanzgericht (FG) hat dies verneint, weil die Veruntreuung von verwaltetem Vermögen kein Betriebsvorgang sei. Im Streitfall liege diese Möglichkeit nahe, weil der Kläger die verschwundenen Gelder von den Sparkonten der Pflegebefohlenen abgehoben, sie ihnen auch nicht wieder zugewendet und sich wegen seines Fehlverhaltens zum Schadensersatz verpflichtet habe. Lasse man diese Frage aber unentschieden, so müsse der Kläger doch den Beweis führen, daß der Schaden durch seine Pflegertätigkeit veranlaßt sei; dieser Beweis sei ihm nicht gelungen. Diesen Ausführungen des FG ist beizutreten.

a) Die Leistung von Schadensersatz kann betrieblich veranlaßt sein und führt dann zu Betriebsausgaben. Dabei kann die Ursache auch in einer zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung des Betriebsinhabers liegen. Dazu genügt jedoch nicht, daß die Handlung in irgendeinem Zusammenhang mit der betrieblichen oder beruflichen Betätigung des Inhabers steht. Vielmehr muß das die Schadensersatzpflicht auslösende Ereignis im wesentlichen unmittelbare Folge der betrieblichen und beruflichen Betätigung sein (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. April 1980 IV R 207/75, BFHE 130, 491, BStBl II 1980, 639; vom 6. Februar 1981 VI R 30/77, BFHE 132, 461, BStBl II 1981, 362). Dies beurteilt sich danach, ob die den Schadensersatz verursachende Handlung noch im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung lag oder aber auf privaten, den betrieblichen Zusammenhang aufhebenden Vorgängen beruhte (BFH-Beschluß vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105).

Danach sind auch die Folgen eines Fehlverhaltens bei der Verwaltung fremden Vermögens zu beurteilen. Wird der Verwalter mit dem Ziele tätig, Vermögen für die Pflegebefohlenen anzulegen und daraus Erträge zu erzielen, unterlaufen ihm hierbei aber Fehler, die zu einer Schadensersatzpflicht führen, bilden die daraus entstehenden Aufwendungen Betriebsausgaben. Verwendet er dagegen das Vermögen pflichtwidrig für eigene Zwecke, hebt dieser Vorgang den betrieblichen Zusammenhang auf; die hieraus entstehenden Aufwendungen sind keine Betriebsausgaben, wie auch die veruntreuten Beträge keine Betriebseinnahmen bilden.

b) Im Streitfall hat der Kläger verwaltetes Vermögen den Pflegebefohlenen entzogen. Obwohl der Kläger an sein früheres Handeln keine Erinnerung mehr haben will, konnte es das FG als naheliegend bezeichnen, daß der Kläger die Beträge für eigene Zwecke verwendet habe. Dies entspricht der Lebenserfahrung, da es für eine spätere Verwendung der abgehobenen Beträge zugunsten der Pflegebefohlenen keine Anhaltspunkte gibt. Für eine solche Verwendung hätte es nicht der Abhebung des Geldes von den Sparkonten bedurft; eine andere Anlageform hätte der Kläger mittels einer Banküberweisung wählen können. Das FG brauchte auch deshalb nicht zu einem anderen Ergebnis zu gelangen, weil der Kläger in der Folge als schuldunfähig angesehen worden ist. Daß er, obwohl nach wie vor im Justizdienst beschäftigt, zu einem zweckgerichteten Verhalten nicht in der Lage gewesen wäre, ist nicht vorgetragen.

Letztlich hat das FG allerdings eine konkrete Feststellung unterlassen und den Sachverhalt als ungeklärt bezeichnet. Ihm ist hierbei kein Verfahrensfehler unterlaufen. Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, daß das FG einen von ihm im Klageverfahren mitgeteilten Auszug aus dem Abschlußbericht im Disziplinarverfahren nicht berücksichtigt habe. Aus diesem Bericht ergibt sich nur, daß der Verbleib der abgehobenen Gelder nicht aufzuklären gewesen sei. Hiervon ist auch das FG ausgegangen. Der Nachteil dieser Unaufklärbarkeit muß vom Kläger getragen werden, da er für das Auftreten und die Höhe von Betriebsausgaben die Beweislast hat (BFH-Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562).

2. Zu Recht hat das FG auch entschieden, daß die Ausgaben des Klägers nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt werden können.

Das FG hat nicht feststellen können, daß die Schädigung der Pflegebefohlenen und die darauf beruhenden Ausgleichsleistungen des Klägers zwangsläufige Folge einer ihn treffenden geistigen Erkrankung sind. Die Tilgung einer Schuld kann nur dann nach § 33 EStG berücksichtigt werden, wenn sie auf Ausgaben beruht, die ihrerseits die Voraussetzungen des § 33 EStG erfüllen (vgl. BFH-Urteile vom 19. April 1974 VI R 63/71, BFHE 112, 274, BStBl II 1974, 516; vom 20. November 1979 VI R 78/77, nicht veröffentlicht). Nach den Feststellungen des FG ist es aber möglich, wenn nicht naheliegend, daß der Kläger die abgehobenen Beträge für private Zwecke verwendet hat. Leistungen, die die dadurch erlangten Vorteile ausgleichen, würden keine außergewöhnliche Belastung i. S. von § 33 EStG darstellen. Daß sich die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Anwendung dieser begünstigenden Vorschrift nicht feststellen lassen, geht zu Lasten des Klägers. Die dem Kläger in dieser Sache erwachsenen Anwaltskosten teilen diese Beurteilung.

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 577

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