Leitsatz (amtlich)

Begehrt ein Steuerpflichtiger die Genehmigung eines Verfahrens zur Erleichterung der Trennung der Entgelte unter Zulassung eines Verlustabschlages für die von der Einkaufsseite (Wareneingang) her ermittelten Entgelte, so kann das FA von dem Steuerpflichtigen für einen begrenzten Zeitraum Aufzeichnungen zur Ermittlung der Höhe der Verluste verlangen, wenn Erfahrungswerte oder andere Unterlagen für die Höhe der Verluste nicht vorhanden sind.

 

Normenkette

UStG 1967 § 22 Abs. 2 Nr. 1; 1. UStDV § 9 Abs. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtige), der den Einzelhandel mit Lebensmitteln, Spirituosen, Tabakwaren und anderen in dieser Branche üblichen Waren betreibt, beantragte im Jahre 1968 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) gemäß § 9 Abs. 5 1. UStDV vom 26. Juli 1967 (BGBl I 1967, 801, BStBl I 1967, 292) in der Fassung der Verordnung zur Änderung dieser Verordnung vom 3. April 1968 (BGBl I 1968, 249, BStBl I 1968, 556) Erleichterungen hinsichtlich der Trennung der Entgelte nach verschiedenen Steuersätzen entsprechend Abschn. B Abs. 1 Nr. 2 des Erlasses des BdF vom 2. Januar 1968 - IV A 3 - S 7381 - 14/67 (BStBl I 1968, 179) mit der Maßgabe, daß der Durchschnittsaufschlagssatz für die Artikel ermittelt werden sollte, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegen und unter Berücksichtigung eines Abschlags von 2 v. H. für Verluste aller Art. In dem Antragschreiben verzichtete der Steuerpflichtige auf eine Mitteilung, wenn seinem Antrag entsprochen würde.

Das FA genehmigte den Antrag zunächst stillschweigend. Am 20. Juni 1968 widerrief es die Genehmigung, die Trennung unter Berücksichtigung eines Abschlags von 2 v. H. durchzuführen.

Nach erfolgloser Beschwerde begehrte der Steuerpflichtige mit der Klage erneut die Genehmigung der Erleichterung bei der Trennung der Entgelte in der oben bezeichneten Weise. Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG hat folgende Auffassung vertreten: Das FA habe die beantragte Erleichterung der Trennung der Entgelte nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern lediglich die Anerkennung des von dem Steuerpflichtigen begehrten Verlustabschlags von 2 v. H. davon abhängig gemacht, daß der Steuerpflichtige die Verluste durch Anschreibungen für einen begrenzten Zeitraum darlege. Diese Forderung liege im Rahmen der dem FA durch § 9 Abs. 5 der 1. UStDV gezogenen Ermessensgrenzen.

Hiergegen richtet sich die Revision des Steuerpflichtigen, mit der er im wesentlichen folgendes ausführt: Der vom FA geforderte Nachweis der Warenverluste sei unmöglich. Schon bei der Feststellung der Verluste durch Verderb, Bruch und Schwund gebe es erhebliche Unsicherheitsfaktoren. Gänzlich ausgeschlossen sei aber die Feststellung der Diebstahlsquote. Die Forderungen des FA verstießen daher gegen § 2 StAnpG. Da aber unbestritten Warenverluste durch Schwund, Verderb und Diebstahl aufträten, sei das FA gemäß § 217 AO zur Schätzung verpflichtet. Als Ergebnis einer solchen erscheine eine Verlustquote von 2 v. H. angemessen. Im übrigen führe die Nichtberücksichtigung der Verlustquote zu einer ungleichmäßigen steuerlichen Behandlung und verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Der Steuerpflichtige beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, die Aufzeichnung der Warenverluste für einen begrenzten Zeitraum liege im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen. Die Nichtanerkennung einer Verlustquote sei im übrigen kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, da die Typisierungen, Pauschalierungen und Durchschnittssätze ihrer Natur nach sich je nach Lage des Einzelfalles günstiger oder ungünstiger auswirken müßten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Mit Recht hat das FG die ihrem Inhalt nach auf eine Verpflichtung des FA gerichtete Klage, dem Steuerpflichtigen Erleichterungen hinsichtlich der Trennung der Entgelte nach verschiedenen Steuersätzen entsprechend Abschn. B Abs. 1 Nr. 1 des oben bezeichneten BdF-Erlasses unter Berücksichtigung eines Verlustabschlages von 2 v. H. ohne vorherige - zeitlich beschränkte - Anschreibungen der tatsächlichen Verluste zu gewähren, abgelehnt. Da das FA zur Gestattung eines erleichterten Verfahrens zur Trennung der Entgelte nach § 9 Abs. 5 der 1. UStDV und auch zur Gewährung eines Verlustabschlags bereit ist, hat sich die Vorinstanz mit Recht allein auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob das FA im Rahmen seines Ermessensspielraums gehandelt hat, wenn es die Gewährung eines Verlustabschlages von der Führung zeitlich beschränkter Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen über die tatsächlich entstandenen Verluste abhängig gemacht hat.

Es ist nicht zu beanstanden, wenn das FG diese Frage bejaht hat. Gemäß § 9 Abs. 5 der 1. UStDV kann das FA Unternehmern, denen eine Trennung der Entgelte nach Steuersätzen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG - Mehrwertsteuer - 1967) nicht zumutbar ist, gestatten, daß sie die Entgelte nach anderen Merkmalen trennen; es dürfen nur solche Verfahren zugelassen werden, deren steuerliche Ergebnisse nicht wesentlich vom Ergebnis einer Aufzeichnung der Entgelte, getrennt nach Steuersätzen, abweichen. In dem oben bezeichneten Erlaß vom 2. Januar 1968 hat der BdF mehrere solcher Verfahren aufgezeigt. Das FA ist jedoch nach § 9 Abs. 5 der 1. UStDV unmittelbar ermächtigt, auch andere als die vom BdF aufgezeigten Verfahren zuzulassen (vgl. auch Abschn. B Abs. 3 des genannten Erlasses). Das vom Steuerpflichtigen beantragte Verfahren entspricht im wesentlichen den in dem BdF-Erlaß unter Abschn. B Abs. 1 Nr. 2 aufgezeigten Erleichterungen mit dem Unterschied, daß zusätzlich ein Verlustabschlag von 2 v. H. bei der nichtbegünstigten Warengruppe genehmigt werden soll.

Die Zulassung eines solchen Verfahrens liegt grundsätzlich im Rahmen der den FÄ erteilten Ermächtigung, da der Verlustabschlag, wie der Steuerpflichtige unwidersprochen vorgetragen hat, den Zweck hat, die Genauigkeit des Verfahrens zu vergrößern.

Mit Recht hat das FA jedoch die Gewährung des Verlustabschlags von der Führung zeitlich begrenzter Aufzeichnungen über die eingetretenen Verluste abhängig gemacht. Nach den Feststellungen des FG liegen allgemeine Erfahrungssätze der Verluste nur im Bereich des Lebensmittel - Einzelhandels vor. Hier aber handelt es sich gerade nicht um Lebensmittel, sondern um sogenannte "Non-food-Artikel". Nach den eigenen Ausführungen des Steuerpflichtigen sind gerade in diesem Bereiche die Verluste je nach Größe des Betriebes und nach Art der Bedienung verschieden hoch. Auch der Hauptverband des Deutschen Lebensmitteleinzelhandels hat in einem Schreiben an den Steuerpflichtigen ausgeführt, daß er im Hinblick auf die Bedeutung solcher Verluste angeraten habe, diese "laufend und möglichst vollständig in einem besonderen Verlustbuch mit Datum, Menge, Geldwert und Ursache des Verlustes festzuhalten ... Bei Einbrüchen wird wohl stets die Polizei eingeschaltet, so daß dann gegenüber dem FA ein Protokoll vorzuweisen ist". Unter diesen Umständen kann nicht beanstandet werden, wenn die Vorinstanz zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die vom FA als Voraussetzung für die Genehmigung eines Verlustabschlages geforderten Verlustaufzeichnungen über einen begrenzten Zeitraum möglich, zumutbar und im Rahmen des Ermessensspielraums des FA liegend anzusehen sind. Unter diesen Umständen braucht auf die weiteren Ausführungen des Steuerpflichtigen, eine Nichtzulassung eines Verlustabschlages verstoße gegen den Gleichheitssatz, nicht eingegangen zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413051

BStBl II 1972, 202

BFHE 1972, 13

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