Leitsatz (amtlich)

1. Das Wort „erkennbar” in § 35 Abs. 2 Nr. 1 AZO bedeutet nicht, daß jeder Abfertigungsbeamte erkennen können muß, daß eine Ware nur als Muster oder Probe geeignet ist. Es genügt, wenn dies für den Fachmann ersichtlich ist.

2. Auch wenn Waren wegen ihres unüblichen Formats nicht ohne weiteres gewerblich verwendet werden können, scheidet ihre Zollfreiheit als Muster oder Proben jedenfalls dann aus, wenn sie in größeren Mengen eingeführt werden und sich deren gewerbliche Verwendung durch entsprechende Zurichtung oder Umstellung der Maschinen lohnen kann.

 

Normenkette

ZG § 24 Abs. 1 Nr. 1a; AZO §§ 34, 35 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Klägerin vertritt unter anderem als Großhändler für grafische Filme in Westeuropa einen japanischen Hersteller. Sie führte 1967 insgesamt 2970 Packungen zu je fünf Stück unbelichtete Filmplatten im Format von ca. 20 × 25 cm aus Japan ein. Jede Packung trug unter anderem die fettgedruckte Aufschritt „Sample” und die Stempel „Samples”! „Have no commercial value!” und „Unverkäufliches Muster”. Die Klägerin liefert die Probepackungen kostenlos an Großhändler, die das Filmmaterial ihrerseits kostenlos an ihre Kunden abgeben. Zum Verkauf bezieht die Klägerin aus Japan Filmplatten der in Deutschland üblichen DIN-Formate. Das Zollamt (ZA) erhob die Eingangsabgaben, weil es die eingeführten Filmplatten als nicht nur zum Gebrauch als Muster geeignet ansah.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt.

Mit der Revision macht das Hauptzollamt (HZA) geltend, daß sich die fraglichen Filmplatten nach dem Sachverständigengutachten nicht nur zum Gebrauch eigneten. Es bestehe die Möglichkeit, mit den Platten so zu arbeiten wie mit dem Material, dessen Erprobung sie dienen sollen. Der Sachverständige habe bekundet, daß Kunden der Klägerin damit Vervielfältigungsaufträge erledigen könnten. Es komme auch nicht darauf an, zu welchem Zweck die als Muster oder Proben bezeichneten Waren tatsächlich verwendet würden. Die Zollverwaltung hätte es im Streitfall weder kontrollieren noch mit gesetzlichen Mitteln verhindern können, wenn die Klägerin die insgesamt 14 850 Filmplatten mit den für diese Größe geeigneten Apparaten entweder selbst wirtschaftlich verwertet oder an eine bestimmte andere Druckerei zur entsprechenden Verwendung weitergegeben hätte.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

Das FG hat zutreffend die eingeführten Filmplatten nicht als zollfreie Werbemittel angesehen, weil sie von der Klägerin nicht unentgeltlich bezogen wurden und der Preis zwar nach Angabe der Klägerin der Selbstkostenpreis des ausländischen Lieferanten, aber so hoch war, daß er nicht als Schutzgebühr angesehen werden kann (§ 34 Abs. 4 der Allgemeinen Zollordnung – AZO –).

Der Ansicht des FG, daß es sich um zollfreie Proben handle, kann jedoch nicht gefolgt werden. In § 35 AZO hat der Bundesminister der Finanzen (BdF) von der Ermächtigung in § 24 Abs. 1 Nr. 1 a ZG Gebrauch gemacht, für Waren, die nicht oder nicht mehr am Güterumsatz und an der Preisbildung teilnehmen, wegen ihrer Beschaffenheit, wie Warenmuster oder -proben, Zollfreiheit anzuordnen. Um diesen Gesetzeszweck sicherzustellen, hat er in § 35 Abs. 1 und 2 AZO bestimmt, daß Muster und Proben solche Waren sind, die nur die Beschaffenheit ausländischer Waren kennzeichnen oder deren Prüfung ermöglichen sollen, daß sie erkennbar nur zum Gebrauch als Muster oder Probe geeignet sind und daß sie nur in Mengen eingeführt werden, die für die Kennzeichnung oder Prüfung erforderlich sind. Wie sich schon aus der Ermächtigungsvorschrift ergibt, sind demnach die objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Ware maßgebend, nicht aber Umstände, die in der Person des Zollbeteiligten oder in der besonderen Gestaltung des Einfuhrgeschäfts liegen.

Diesen Erfordernissen widerspricht es an sich nicht, wenn das FG auf die Auslegung des BdF in der Dienstanweisung zum Zollgesetz und zur allgemeinen Zollordnung (ZollDA) – E Nr. 6 zurückgreift und es für die zur Prüfung erforderliche Menge darauf ankommen läßt, ob der Zollbeteiligte die Ware selbst an Hand der Muster prüfen will oder ob er die Prüfung durch seine Kunden ermöglichen will. Denn insoweit ist auch ein objektiver Maßstab gegeben, wenn sichergestellt ist, daß die eingeführte Warenmenge nur zum Gebrauch oder Probe geeignet ist.

Diese Voraussetzung ist aber gerade im Streitfall nicht erfüllt. Zwar weisen die eingeführten Filmplatten nicht das in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) übliche DIN-Format auf und erfordert ihre Verwendung eine Umstellung der Druckgeräte, die finanziell nicht lohnend wäre, wenn ein Kunde eines von der Klägerin belieferten Großhändlers nur eine Packung mit fünf Platten kostenlos erhält, wie das FG auf Grund des Sachverständigengutachtens feststellt. Das FG hat aber nicht die gutachtliche Äußerung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, auf die es in seinem Urteil Bezug genommen hat gewürdigt, daß nämlich die eingeführten Filmplatten nicht nur in Kleinbetrieben zu Vervielfältigungen verwendet werden können, sondern auch in Großbetrieben, wenn mehr als zehn Packungen zur Verfügung stehen. Damit ist dargetan, daß die Filmplatten nach ihrer Beschaffenheit nicht nur zum Gebrauch als Muster oder Probe wirtschaftlich sinnvoll verwendet werden können. Es kann deshalb dahinstehen, ob nicht bereits die Möglichkeit der Verwendung nur einer Packung in einem Familienbetrieb die Zollfreiheit ausschließt. Kann sonach bei der Einfuhr einer größeren Menge von Waren, die zur Verwendung als Muster oder Proben vorgesehen und wegen ihres unüblichen Formats nicht ohne weiteres gewerblich anders zu verwenden sind, nicht ausgeschlossen werden, daß ihre Verwendung im Hinblick auf die eingeführte Menge oder schon eines Teils derselben wirtschaftlich durchaus sinnvoll sein kann, so kann die Zollfreiheit als Probe nicht in Anspruch genommen werden.

Für diese Auffassung spricht auch folgendes. Die Zollfreiheit nach § 35 AZO ist nicht wie bei anderen auf Grund von § 24 ZG in §§ 32 bis 73 AZO geregelten Fällen der Zollfreiheit, z. B. bei Forschungs- und Bildungsmitteln (§ 37 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 AZO), Heiratsgut (§ 40 Abs. 1 AZO), Liebesgaben für Bedürftige (§ 53 Abs. 1 AZO), von einer Verwendung im Rahmen einer zollamtlichen Überwachung abhängig. Deshalb muß die eingeführte Ware bereits im Zeitpunkt ihrer Abfertigung zum freien Verkehr erkennbar so beschaffen sein, daß sie nur zum Gebrauch als Muster oder Probe geeignet ist. In diesem Zeitpunkt braucht der Zollbeteiligte keinen Verwendungsnachweis zu erbringen noch kann ihm ein solcher für die anschließende Zeit auferlegt werden. Maßgebend ist allein die Beschaffenheit der Ware. Allerdings bedeutet das Wort „erkennbar” nicht, wie das HZA vorträgt, daß jeder Abfertigungsbeamte die Eigenschaft der Ware als Muster oder Probe erkennen können muß. Die Erkennbarkeit richtet sich vielmehr nach der Art der Ware. Diese weist unter Umständen Besonderheiten auf, die nur von Fachleuten beurteilt und erkannt werden können. Würde man hier nur auf die Kenntnisse eines Laien oder auf das Gebot einer schnellen Abfertigung abstellen, so könnte damit gerade das wichtigste in § 35 AZO geforderte objektive Merkmal, nämlich die Beschaffenheit der Ware als Muster oder Probe, außer acht bleiben. So könnte im Streitfall das Abweichen der eingeführten Filmplatten von dem in der BRD üblichen Verwendungsformat einen anderen Gebrauch als Muster oder Probe durchaus erkennbar ausschließen. Dies kann aber in der Regel nur ein Fachmann beurteilen und es genügt daher für die Zollfreiheit, wenn für ihn ersichtlich ist, daß die Ware nur als Muster oder Probe geeignet ist. Deshalb hat auch das FG mit Recht einen Sachverständigen zur Beurteilung dieser Frage herangezogen. Wegen seiner anderen Rechtsauffassung hat es aber dessen gutachtliche Äußerung nicht zutreffend gewürdigt, wie oben ausgeführt wurde.

Entgegen der Ansicht des FG kann es nicht auf das jeweilige Interesse des Zollbeteiligten ankommen, wenn dieser selbst zum Verkauf Filme der üblichen DIN-Formate bezieht und kein Interesse daran hat, daß die von ihm belieferten Großhändler die ihnen kostenlos zur Verfügung gestellten Packungen mit solchen für deutsche Geräte passenden Platten zusammenpacken und verkaufen. Vielmehr mußte im Zeitpunkt der Abfertigung der eingeführten Packungen zum freien Verkehr auch damit gerechnet werden, daß es sich bei der großen eingeführten Menge sowohl für die Klägerin selbst als auch für bestimmte Abnehmer lohnen kann, die Platten gewerblich zu verwenden, nachdem sie unwiderruflich abgabenfrei in den freien Verkehr getreten sind. Hier genügt nicht der vom japanischen Lieferer angebrachte Aufdruck auf den Packungen „Sample” bzw. „Unverkäufliches Muster”, wie auch das FG dies nicht angenommen hat. Für die Klägerin hätte dagegen die Möglichkeit bestanden, entweder selbst die Platten so herzurichten, daß sie erkennbar nur zum Gebrauch als Muster oder Probe geeignet sind, z. B. sie zu lochen oder einen diagonalen Streifen vorzubelichten (§ 35 Abs. 2 Nr. 1 AZO in Verbindung mit § 9 Abs. 3 oder § 54 ZG), oder sie bereits in dieser Aufmachung von ihrem Lieferanten zu beziehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514697

BFHE 1972, 395

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