Leitsatz (amtlich)

1. Für die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gegen ein im Wiederaufnahmeverfahren ergangenes Urteil des BFH ist der BFH zuständig.

2. Die Nichtigkeitsklage ist auch gegen ein im Wiederaufnahmeverfahren ergangenes Endurteil gegeben.

 

Normenkette

FGO § 134; ZPO §§ 578-579, 584 Abs. 1

 

Tatbestand

Nachdem über das Vermögen des Klägers im Januar 1961 das Konkursverfahren eröffnet worden war, meldete das Finanzamt - FA - Steuerforderungen zur Konkurstabelle an. Mit diesen Forderungen erklärte das FA die Aufrechnung gegen Erstattungsansprüche des Klägers.

Das Finanzgericht (FG) hob die Aufrechnungsverfügung - und die Beschwerdeentscheidung - durch Urteil vom 30. August 1967 auf. Die Revision des genannten FA führte durch Urteil des erkennenden Senats vom 12. Mai 1970 VII R 61/68 zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der diesem Urteil zugrunde liegenden Klage. Gegen dieses Urteil wandte sich der Kläger mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Der erkennende Senat wies diese Klage durch Urteil vom 19. Januar 1971 VII K 20/70 mit der Begründung ab, daß in dem Vorbringen des Klägers das Vorliegen eines der in den §§ 579, 580 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erschöpfend aufgezählten Wiederaufnahmegründe nicht schlüssig behauptet sei.

Danach beantragte der Kläger gegen das Revisionsurteil erneut die Wiederaufnahme des Verfahrens. In diesem Verfahren stellte er den Antrag, die Sache an das zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen, da er den Bundesfinanzhof (BFH) nicht für zuständig hielt.

Der erkennende Senat wies die Klage durch Urteil vom 9. Oktober 1974 VII K 21/71 ab.

1974 erhob der Kläger Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO. In diesem Schriftsatz wies er darauf hin, daß er die Urteile VII K 20/70 und VII K 21/71 für nichtig halte.

 

Entscheidungsgründe

Die vom Kläger erhobene Nichtigkeitsklage gegen das Urteil des erkennenden Senats VII K 21/71, mit dem die erneute Klage zur Wiederaufnahme des Verfahrens VII R 61/68 abgewiesen wurde, ist unzulässig.

Für die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage ist der BFH zuständig. Da die Nichtigkeitsklage gegen ein im Wiederaufnahmeverfahren und nicht gegen ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil gerichtet ist, folgt die Zuständigkeit zwar nicht unmittelbar aus der Regelung in § 584 ZPO i. V. m. § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO), nach der das Revisionsgericht zuständig ist, wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aufgrund des § 579 ZPO angefochten wird. Sie ergibt sich aber aus dem aus § 584 Abs. 1 ZPO zu entnehmenden Grundsatz, daß für die Entscheidung über eine Klage im Wiederaufnahmeverfahren das Gericht ausschließlich zuständig ist, dessen Urteil mit der Klage angefochten wird (vgl. Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl., S. 918; Jauernig, Zivilprozeßrecht, 18. Aufl., S. 254).

Die Klage ist auch an sich statthaft (§§ 578, 589 ZPO). Das im Wiederaufnahmeverfahren ergangene Urteil VII K 21/71, gegen das die Nichtigkeitsklage gerichtet ist, kann gem. § 578 ZPO mit dieser Klage angefochten werden, da es ein rechtskräftiges Endurteil ist (vgl. Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 578 Rdnr. 1, § 591 Rdnr. 1).

Gegen die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage gegen ein im Wiederaufnahmeverfahren ergangenes Endurteil kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, daß sogleich die Wiederaufnahme des Hauptverfahrens betrieben werden könne und die Nichtigkeitsklage gegen ein im Wiederaufnahmeverfahren ergangenes Urteil deshalb nicht erforderlich sei. Über die Anfechtungsgründe, die Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens waren, das durch das mit der Nichtigkeitsklage angefochtene Urteil abgeschlossen worden ist, kann nämlich wegen der Rechtskraftwirkung grundsätzlich nicht mehr entschieden werden (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, Zivilprozeßordnung, 37. Aufl., § 591 Anm. 1; Thomas-Putzo, Zivilprozeßordnung, 10. Aufl., Anm. zu § 591). Dieses Ziel kann nur durch einen Erfolg in dem erneuten Wiederaufnahmeverfahren erreicht werden.

Auch der Zweck der Nichtigkeitsklage gebietet es, daß im Wiederaufnahmeverfahren ergangene rechtskräftige Endurteile grundsätzlich mit der Nichtigkeitsklage angefochten werden können. Dieser Zweck besteht darin, dem unterlegenen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zu geben, die Unrichtigkeit eines inzwischen rechtskräftig gewordenen Urteils geltend zu machen, wenn es mit einem in § 579 ZPO genannten Verfahrensfehler behaftet ist. Aus § 579 ZPO ist der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, daß es einem unterlegenen Verfahrensbeteiligten grundsätzlich nicht zugemutet werden soll, sich mit einem derartigen Urteil zufrieden zu geben (vgl. Stein-Jonas, a. a. O., vor § 578 Rdnr. 18). Im Schrifttum wird mit Recht darauf hingewiesen, daß das Vertrauen der Verfahrensbeteiligten in die Rechtspflege und auch deren Rechtsgefühl in unerträglicher Weise verletzt würde, wenn sie für sie nachteilige Urteile, die mit einem der in § 579 ZPO genannten schwerwiegenden Verfahrensfehler behaftet sind, hinnehmen müßten (Jauernig, a. a. O., S. 252). Da auch ein im Wiederaufnahmeverfahren ergangenes Endurteil mit den in § 579 ZPO genannten schwerwiegenden Verfahrensfehlern behaftet sein kann, muß aus diesen Gründen auch ein derartiges Urteil mit der Nichtigkeitsklage angefochten werden können (im Ergebnis ebenso Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, a. a. O.; Zöller, Zivilprozeßordnung, 12. Aufl., § 591 Anm. II).

 

Fundstellen

Haufe-Index 73272

BStBl II 1979, 777

BFHE 1979, 487

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