Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsaustausch zwischen Gesellschaftern und Familienpersonengesellschaft

 

Leitsatz (NV)

1. Selbständig ausgeübte nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen als Voraussetzung der Unternehmereigenschaft i. S. v. § 2 Abs. 1 UStG 1973 wird durch Ausführung von Leistungen gegen Entgelt erfüllt.

2. Da die bloße Absicht, sich nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen zu betätigen, nicht ausreicht, ist bei der Prüfung der Unternehmereigenschaft ggf. ein längerer (über einen Besteuerungszeitraum hinausreichender) Zeitraum zu berücksichtigen.

3. Bei Gründung einer Familien-Personengesellschaft ist die (behauptete) entgeltliche Nutzungsüberlassung von Betriebsgegenständen an die Gesellschaft (statt als Gesellschafterbeitrag) anhand zeitnahmer Indizien (z. B. Mietzahlungen, Erklärung von Vermietungsumsätzen in USt-Anmeldungen) zu prüfen.

 

Normenkette

UStG 1973 §§ 15, 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Grundstücksgemeinschaft und Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Ihre beiden Gesellschafter (Brüder) sind gleichzeitig persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (KG), an deren Kapital noch der Vater als Kommanditist mit 50 v. H. beteiligt ist. Die Klägerin errichtete auf einem ihr gehörenden Grundstück ein für den Betrieb der KG geeignetes Gebäude und überließ es dieser ab 1. März 1977 zur Nutzung. Für das Streitjahr 1977 kam es vom Nutzungsbeginn an weder zu laufenden noch zu nachträglichen Mietzahlungen der KG. Diese wies auch bei den Abschlußarbeiten für 1977 keinen Vorabgewinn der Gesellschafter der Klägerin aus, ebensowenig passivierte sie eine Verbindlichkeit gegenüber der Klägerin. Erst 1979, bei den Abschlußarbeiten für das Folgejahr 1978, wies die KG den Gesellschaftern der Klägerin einen ,,Vorabgewinn" von je ‹ der Jahresmietsumme zu. Diese sog. Jahresmietsumme beruhte (nach dem Vortrag der Klägerin) auf einem - entgegen der Datumsangabe 24. Februar 1977 - später ausgefertigten und im Einspruchsverfahren vorgelegten schriftlichen Mietvertrag zwischen KG und Klägerin.

In der (1978 abgegebenen) Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1977 wies die Klägerin keinen Umsatz aus, machte aber Vorsteuerbeträge aus den Baukosten geltend und erklärte gleichzeitig sowohl den Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer nach § 19 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973) als auch den Verzicht auf die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 UStG 1973 (§ 9 UStG 1973).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, die Klägerin sei mangels Einnahmeerzielung nicht Unternehmerin und könne daher den Vorsteuerabzug nicht geltend machen.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit dem Antrag, die Umsatzsteuer 1977 auf ./. . . . DM festzusetzen, statt.

Das FG ging davon aus, die Klägerin sei bereits für das Jahr 1977 als Unternehmerin zu beurteilen, weil sie schon beim Bau des Gebäudes eine planvolle, auf spätere Vermietungsumsätze abzielende Tätigkeit entfaltet habe. Zwar sprächen einige Umstände dafür, daß nicht eine Vermietung, sondern eine nicht steuerbare, auf Leistungsvereinigung abzielende unentgeltliche Überlassung des Gebäudes an die KG durch die Gesellschafter beabsichtigt gewesen sein könnte. Die Vernehmung des steuerlichen Beraters der Klägerin als Zeugen habe jedoch den Eindruck ergeben, daß die Klägerin vom Nutzungsbeginn an das Gebäude an die KG habe vermieten wollen. Das Fehlen eines schriftlichen Mietvertrags bei Nutzungsbeginn spreche nicht für das Fehlen eines rechtlichen Bindungswillens. Die sich während des Baus schrittweise entwickelnde Festlegung (der Parteien) entspreche den Anforderungen des Zivilrechts an einen Mietvertrag. Es seien die zu überlassende Sache und die Höhe der Mietzahlung eindeutig geregelt. Die erst spätere Unterzeichnung eines schriftlichen Vertrags lasse auch nicht zwingend auf eine Sinnesänderung der Parteien schließen. Dieser Umstand könne ebensogut mit dem vergeblichen Bestreben erklärt werden, angesichts des Interessengegensatzes innerhalb der KG nicht nur die vertretungsberechtigten Komplementäre, sondern auch den Kommanditisten den Vertrag unterzeichnen zu lassen. Das FG kam ,,bei Abwägung aller Umstände" zu der Überzeugung, es sei von einem Vertragsbeginn bereits zum 1. März 1977 auszugehen. Die Bedenken aufgrund der späten schriftlichen Festlegung der mündlichen Übereinkunft, der Nichtzahlung des Mietzinses während der ersten Zeit und der zumindest mißverständlichen Datumsangabe im schriftlichen Mietvertrag erscheine zwar bedeutsam, im Ergebnis aber nicht durchschlagend.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 15 Abs. 1 und 2 UStG 1973.

Dazu trägt es im wesentlichen vor: Unstreitig sei die Grundstücksgemeinschaft (Klägerin) im Streitjahr Unternehmerin gewesen, weil sie anderweitig steuerfreie Vermietungsumsätze ausgeführt habe (Vermietung eines Mietwohngrundstücks). Streitig sei daher, ob das 1977 errichtete und zur Nutzung durch die KG bestimmte Betriebsgebäude im Rahmen dieses Unternehmens mit der Absicht, steuerpflichtige Vermietungsumsätze zu erzielen, angeschafft worden sei.

Nach dem Urteil des FG und dem Protokoll über die mündliche Verhandlung im Rahmen der Beweisaufnahme stelle sich der Sachverhalt so dar, daß im Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung des Gebäudes durch die KG keine Mietzahlungen, wie sie dem angenommenen Willen der Beteiligten entsprochen hätten, geleistet worden seien. Erst nachdem das FA in der Angelegenheit tätig geworden sei und bei der Umsatzsteuerfestsetzung 1977 den Vorsteuerabzug aus der Gebäudeerrichtung versagt habe, sei tatsächlich Miete gezahlt und für die ,,zurückliegende Zeit" den Komplementären der KG in Form eines Vorabgewinns von je ‹ der Jahresmietsumme bei den Abschlußarbeiten 1978 zugewiesen worden. Absprachen über eine Stundung (oder dergleichen) des Mietzinses für 1977, 1978 und teilweise 1979 zwischen der Grundstücksgemeinschaft (Klägerin) und der KG seien offenbar nicht getroffen worden.

Das Vorgehen der an der Grundstücksgemeinschaft und der KG beteiligten Personen sei im Hinblick auf die fehlende Durchführung des vorgegebenen Willens in tatsächlicher Hinsicht nur durch die Gesellschafterstellung in der KG zu erklären. Sowohl Errichtung als auch Überlassung des Gebäudes seien somit im nichtunternehmerischen Bereich der Gesellschafter der KG mit dem Ziel der Leistungsvereinigung erfolgt. Das Gebäude sei also nicht im Rahmen des Unternehmens der Grundstücksgemeinschaft errichtet und als solches an die KG vermietet worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 kann ,,der Unternehmer" die ihm von anderen Unternehmern in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, ,,die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind", als Vorsteuerbeträge abziehen, sofern er diese Leistungen nicht zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet bzw. in Anspruch nimmt (§ 15 Abs. 2 UStG 1973). Dieses negative Tatbestandsmerkmal ist im Streitfall nicht gegeben.

Das FG hat die zwischen den Beteiligten streitige Voraussetzung, ob die Klägerin im Streitjahr 1977 Unternehmer gewesen ist und die Leistungen zur Errichtung des Gebäudes für ihr Unternehmen bezogen hat, bejaht. Die Entscheidung hält insoweit im Ergebnis den Angriffen der Revision stand. Soweit das FA mit der Revision geltend macht, die Klägerin sei ohnehin bereits aufgrund anderer Umsatztätigkeit als Unternehmer anzusehen, so daß nur streitig sei, ob allein Errichtung und Überlassung des Gebäudes an die KG der unternehmerischen Sphäre zuzuordnen sei, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das durch die Feststellungen des FG und die im Urteil in Bezug genommenen Aktenstücke nicht belegt ist (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG 1973, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Unter Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ist die Ausführung von Leistungen gegen Entgelt, also Umsätze i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973, zu verstehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juni 1989 V R 37/84, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913, mit Nachweisen). Leistung gegen Entgelt in diesem Sinne (Leistungsaustausch) liegt vor, wenn zweckgerichtet in Erwartung einer Gegenleistung geleistet wird. Voraussetzung ist danach, daß die Leistung tatsächlich erbracht wird. Letzteres ist wohl Regelfall. Erfüllt sich hingegen die begründete Entgeltserwartung nicht, weil das Entgelt uneinbringlich wird oder sich nachträglich mindert, so wird dadurch nicht die Entgeltlichkeit der Leistungsausführung i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973, sondern die Bemessungsgrundlage des steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatzes i. S. von § 10 Abs. 1 UStG 1973 berührt.

In der vorbezeichneten Entscheidung hat der Senat ferner ausgeführt, daß (je nach den Umständen des Einzelfalles) bei der Prüfung der für den Unternehmerbegriff erforderlichen tatsächlichen Verhältnisse ggf. ein längerer Zeitraum, der insbesondere nicht auf den einzelnen Besteuerungszeitraum beschränkt sein muß, einzubeziehen ist. Das gilt insbesondere für die künftige Entwicklung bei Beginn unternehmerischer Tätigkeit.

Ausgangspunkt für diese Erwägung ist, daß Unternehmereigenschaft i. S. von § 15 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 UStG 1973 nicht durch die bloße Absicht, sich nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen zu betätigen, begründet werden kann (vgl. bereits BFH-Urteil vom 8. Dezember 1988 V R 28/84, BFHE 155, 427, BStBl II 1989, 250), sondern daß die (nachhaltige) tatsächliche Ausführung entgeltlicher Umsätze erforderlich ist.

Im Streitfall, in dem die Umsatzsteuerfestsetzung 1977 aufgrund der Anfechtung noch nicht bestandskräftig ist, konnte das FG daher zutreffend die Entwicklung der Verhältnisse bis in das Jahr 1979 (so weit reichen die Feststellungen des FG) einbeziehen. Nach seinen Feststellungen überließ die Klägerin das von ihr hergestellte Gebäude an die KG zur Nutzung. Damit führte die Klägerin nachhaltig sonstige Leistungen an die KG aus.

Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Klägerin bereits bei Beginn dieser Überlassung (also der erstmaligen tatsächlichen Verwendung) diese sonstigen Leistungen als entgeltliche Leistungen ansah, weil sie ein Mietentgelt dafür erwartete oder ob diese sonstigen Leistungen unentgeltlich als Gesellschafterbeitrag an die KG (sog. Leistungsvereinigung) ausgeführt werden sollten, beurteilte das FG dahingehend, daß es von vornherein entgeltliche Leistungen annahm. Diese Annahme beruht auf einer Sachverhaltswürdigung nach Durchführung einer Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung des steuerlichen Beraters der Klägerin). Bei dieser Würdigung hat das FG die Umstände, die für eine unentgeltliche Überlassung des Gebäudes nach Art eines Gesellschafterbeitrags an die Gesellschaft sprachen, als zwar bedeutsam, aber im Ergebnis nicht durchschlagend angesehen.

Dem FA ist zuzugeben, daß diese Würdigung im Hinblick auf die steuerrechtliche Behandlung dieses Vorgangs sowohl bei der Klägerin als auch bei der KG gekünstelt wirkt, zumal erst nach der Umsatzsteuerprüfung und überdies erst 1979 für die Nutzungsüberlassung bei der Gewinnverteilung der KG ein sog. Vorweggewinn für die Gesellschafter der Klägerin in Erscheinung tritt. Die Würdigung durch das FG kann gleichwohl revisionsrechtlich nicht als unhaltbar beurteilt werden, da sie noch als möglich erscheint. Zwingend braucht die Gesamtwürdigung nicht zu sein, um das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO zu binden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 19. März 1982 VI R 25/80, BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442).

Daß die Nutzungsüberlassung entsprechend der nach der Würdigung des FG von Anfang an bestehenden Absicht tatsächlich entgeltlich war, hat das FG der Zeugenaussage des steuerlichen Beraters der Klägerin über die schon bei Nutzungsbeginn bestehende Einigung der Beteiligten über eine Vermietung zu einer Monatsmiete von . . . DM entnommen. Dagegen sprechende - nach Ansicht des Senats gewichtige - zeitnahe Indizien wie das Fehlen der Mietzahlung im Streitjahr und insbesondere die Nichtangabe der Vermietungsumsätze in der Umsatzsteuererklärung 1977 traten nach Ansicht des FG deshalb zurück, weil diese Vorgänge im Buchungsbereich der Klägerin vergessen worden seien. Daß das FG den entsprechenden Angaben des Zeugen glaubte und seine Würdigung darauf stützte, ist revisionsrechtlich hinzunehmen. Die Würdigung, daß der sog. Vorabgewinn das vereinbarte Mietentgelt für die Nutzungsüberlassung durch die Klägerin (bestehend aus den beiden Gesellschaftern) sei, weil es eine leistungsbezogene Vergütung (entsprechend der zwischenzeitlichen Festlegung der Mietvereinbarung) sei, ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

Unter diesen Gesichtspunkten konnte das FG davon ausgehen, daß die Klägerin die Leistungen zur Errichtung des der KG überlassenen Gebäudes im Jahr 1977 für ihr Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973) in Anspruch genommen hat, daß die Klägerin also diese Leistungen ihrem (geplanten) unternehmerischen Bereich zuordnen konnte.

Schließlich ist das Urteil des FG auch insoweit nicht zu beanstanden, als es das Bestehen des Mietverhältnisses von Anfang an nicht mit der Begründung versagte, der Vertrag sei zwischen ,,nahestehenden Personen" geschlossen und nicht entsprechend durchgeführt worden. Das FG hat dazu ausgeführt, die ertragsteuerrechtliche Rechtsprechung zur Nichtanerkennung von Verträgen zwischen sog. nahen Angehörigen, wenn die Durchführung nicht der Vereinbarung entspreche, sei auf das Umsatzsteuerrecht nicht übertragbar. Dieser Ausgangspunkt entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 912; vgl. dazu Wagner, Umsatzsteuer-Rundschau 1990, 40).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417694

BFH/NV 1992, 204

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