Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Benutzt ein Zahnarzt mit Einkünften aus selbständiger Arbeit einen zu seinem Betriebsvermögen gehörenden Kraftwagen für mittägliche Zwischenheimfahrten, so gehören die Aufwendungen für diese Fahrten im allgemeinen auch dann zu den Kosten der Lebensführung, wenn die Behandlungspause beruflich bedingt ist.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei einem Zahnarzt die Kosten für eine Zwischenheimfahrt als Betriebsausgaben anerkannt werden können oder ob sie zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung gehören.

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist praktizierender Zahnarzt mit Wohnsitz in O. Er übt seine Praxis im 11 km entfernten A. aus. Die täglichen Sprechstunden liegen in der Zeit von 9 bis 13 Uhr und von 15 bis 18 Uhr. Zur Fahrt vom Wohnsitz zur Praxis und umgekehrt benutzt er seinen eigenen PKW. In der zweistündigen Behandlungspause fuhr der Stpfl. nach Hause und benutzte hierzu ebenfalls seinen PKW.

In den Einkommensteuererklärungen 1956 und 1957 machte der Stpfl. geltend, daß auch die Fahrtkosten für die Zwischenheimfahrten als Betriebsausgaben zu berücksichtigen seien. Die Teilung der Arbeitszeit durch eine längere Mittagspause sei betrieblich bedingt, weil er mit Rücksicht auf die arbeitende Bevölkerung die Praxis bis in die Abendstunden hinein ausübe. Außerdem sei er von schwacher körperlicher Konstitution, so daß er ohne Entspannung in seiner Wohnung während einer längeren Mittagspause nicht in der Lage sei, seinen Beruf voll auszuüben. Für den Veranlagungszeitraum 1957 komme hinzu, daß er am Anfang dieses Jahres einen schweren Autounfall erlitten habe, der als dauernde Folgeerscheinung eine erhebliche Einschränkung der Geh- und Stehfähigkeit zur Folge habe (Verkürzung des rechten Beines).

Das Finanzamt lehnte diesen Antrag des Stpfl. bei der Veranlagung sowie im Einspruchsverfahren ab.

Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht ging bei seiner Entscheidung im wesentlichen davon aus, daß Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte begrifflich zu den Betriebsausgaben gehörten. Es sei grundsätzlich dem Unternehmer überlassen, welche Aufwendungen er für seinen Betrieb mache. Er könne daher auch darüber entscheiden, ob er anläßlich der Mittagspause Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte machen wolle. Der steuerliche Abzug der durch die Zwischenheimfahrten bedingten Fahrtkosten könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt versagt werden, daß es sich dabei um Aufwendungen für die Lebensführung im Sinne des § 12 Ziff. 1 EStG handle. Der Stpfl. arbeite mit der geteilten Arbeitszeit nicht aus persönlichen, sondern aus beruflichen Gründen. Bei Zahnärzten entspreche es sowohl einer alten übung als auch der Zweckmäßigkeit, in der Mittagszeit eine längere Behandlungspause einzulegen. Dies geschehe vor allem deshalb, weil der Zahnarzt in aller Regel am Abend über die Sprechstundenzeit hinaus arbeite. Es erscheine mit Rücksicht hierauf sinnvoll, die vorausgehende Mittagspause in geeigneter Weise zur Erholung zu benutzen, was am zweckmäßigsten in der eigenen Wohnung erreicht werden könne.

Mit der Rb. wendet sich der Vorsteher des Finanzamts gegen die vom Finanzgericht ausgesprochene Anerkennung des Aufwandes für Mittagsheimfahrten als Betriebsausgaben. Der vom Finanzgericht in den Vordergrund gestellte Erholungszweck werde durch die Zwischenheimfahrt nicht erreicht. Der Stpfl. brauche für die Hin- und Rückfahrt zwischen O. und A. an Zeit ungefähr 40 Minuten. Es handle sich hierbei um eine besonders schwierige, ja sogar gefährliche Fahrtstrecke, die auf der Hin- und Rückfahrt den Erholungseffekt in den verbleibenden 80 Minuten Pause zunichte mache.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

Wohl hat der Senat in seiner Entscheidung IV 404/53 U vom 10. Februar 1955 (BStBl 1955 S. 99, Slg. Bd. 60 S. 254) ausgeführt, daß grundsätzlich der Unternehmer nach seinem Ermessen entscheidet, welche Aufwendungen er für den Betrieb macht, und daß es für die Abzugsfähigkeit nicht notwendig ist, daß die Aufwendungen objektiv erforderlich oder zweckmäßig sind. Der Senat hat aber, wie auch der I. und VI. Senat, wiederholt entschieden, daß die Bestimmung der Grenze zwischen betrieblichem Aufwand und Kosten der Lebensführung nicht Sache des Steuerpflichtigen ist, sondern daß hier das Gesetz die objektive Grenze in § 12 Ziff. 1 EStG zieht (vgl. unter anderem Urteile des Bundesfinanzhofs IV 352/53 U vom 14. Oktober 1954, BStBl 1954 III S. 358, Slg. Bd. 59 S. 383; IV 19/55 U vom 12. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 205, Slg. Bd. 61 S. 18; IV 633/54 U vom 10. März 1955, BStBl 1955 III S. 131, Slg. Bd. 60 S. 343; VI 117/56 U vom 10. Mai 1957, BStBl 1957 III S. 230, Slg. Bd. 64 S. 613; VI 39/56 U vom 5. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 328, Slg. Bd. 65 S. 246). Bei der Ermittlung des privaten Anteils eines zum Betriebsvermögen gehörenden Kraftfahrzeugs können daher nur die Aufwendungen für die Fahrten außer Betracht bleiben, die in keinem Zusammenhang mit der Lebensführung des Steuerpflichtigen stehen. Im Urteil des Senat IV 382/54 U vom 31. März 1955 (BStBl 1955 III S. 156, Slg. Bd. 60 S. 407) ist ausgesprochen worden, daß bei Arbeitnehmern in der Regel nur die Kosten für eine Fahrt zur und von der Arbeitsstätte täglich als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Die Kosten für die zusätzlichen mittäglichen Heimfahrten seien als Kosten der Lebensführung anzusehen. Dieser Auffassung hat sich auch der I. Senat in seinem Urteil I 227/54 U vom 12. Juli 1955 (BStBl 1955 III S. 280, Slg. Bd. 61 S. 213) für derartige Aufwendungen bei Gewerbetreibenden angeschlossen. Der Senat bestätigt für den vorliegenden Fall eines Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbständiger Arbeit die von ihm in der Entscheidung IV 382/54 U (a. a. O.) für die Zwischenheimfahrten von Arbeitnehmern ausgesprochenen Rechtsgrundsätze. Die im amtlich nicht veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofs IV 183/57 vom 19. Dezember 1957 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 247) vertretene Auffassung wird nicht aufrechterhalten.

Der Senat geht hierbei von folgenden Erwägungen aus: Die Kraftfahrzeugkosten, die dadurch entstehen, daß Steuerpflichtige mit gewerblichen Einkünften oder mit Einkünften aus selbständiger Arbeit zur Einnahme des Mittagessens nach Hause fahren, sind im allgemeinen zu den Kosten der Lebensführung zu rechnen. Es ist eine Frage der persönlichen Lebensgestaltung, ob Steuerpflichtige, die Wohnung und Betrieb (Praxis) nicht im gleichen Hause haben, zur Einnahme der Mittagsmahlzeit nach Hause fahren. Bei denen, die zur Einnahme der Mittagsmahlzeit nach Hause fahren, stehen wenigstens im allgemeinen private Lebenshaltung und persönliche Annehmlichkeit im Vordergrund, und zwar selbst dann, wenn die Arbeitspause vorwiegend oder ausschließlich betrieblich bedingt sein sollte. Eine klare Trennung, inwieweit betriebliche oder private Gründe für Zwischenheimfahrten gegeben sind, ist nicht möglich (vgl. unter anderem Urteile des Bundesfinanzhofs IV 633/54 U vom 10. März 1955, a. a. O., und IV 91/50 U vom 24. November 1950, BStBl 1951 III S. 23, Slg. Bd. 55 S. 59). Diese Grundsätze stehen auch im Einklang mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 159/58 S vom 18. März 1960 (BStBl 1960 III S. 255, Slg. Bd. 71 S. 21), in dem ausgesprochen ist, daß bei Arbeitnehmern, die mit einem eigenen Kraftfahrzeug zur Arbeitsstätte fahren, die im § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1955 festgelegten Pauschsätze grundsätzlich auch nur dann einmal als Werbungskosten berücksichtigt werden können, wenn die Arbeitnehmer an einem Arbeitstag mehrfach von einer Wohnung zur Arbeitsstätte und zurückfahren. Auch der VI. Senat geht bei dieser Entscheidung im wesentlichen davon aus, daß bis auf gewisse Ausnahmefälle, die den typischen Arbeitsverhältnissen nicht zuzuordnen sind (z. B. bei Opernsängern, Bühnenangehörigen, Artisten, bei Teilschichtarbeit, bei Arbeitnehmern mit mehreren Arbeitsverhältnissen an verschiedenen räumlich getrennten Arbeitsstätten), die durch Zwischenheimfahrten verursachten Kosten im allgemeinen den nach § 12 Ziff 1. EStG nicht berücksichtigungsfähigen Lebenshaltungskosten zuzurechnen sind.

Nach den Feststellungen der Vorinstanz benutzt der Stpfl. die zweistündige Behandlungspause zur Einnahme des Mittagessens und zur Entspannung in seiner Wohnung. Die mittäglichen Fahrten von A. in das 11 km entfernte O. und zurück hängen somit unmittelbar mit der Einnahme der Mittagsmahlzeit zusammen und gehören deshalb wie die Kosten der Mahlzeit selbst gemäß § 12 Ziff. 1 Satz 2 EStG zu den Kosten der Lebensführung. Sie sind nicht Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG, zumal hier nach dem von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt ein den in der Entscheidung VI 159/58 S (a. a. O.) angedeuteten Ausnahmefällen ähnlicher Fall offenbar nicht vorliegt. Von einer ungewöhnlich langen Unterbrechung der Arbeitszeit, die eine andere Beurteilung ausnahmsweise rechtfertigen könnte, kann jedenfalls bei der vom Stpfl. eingelegten zweistündigen Behandlungspause nicht gesprochen werden. Der Nichtabzugsfähigkeit dieser Aufwendungen steht auch nicht entgegen, daß der Stpfl., wie er angibt, von schlechter körperlicher Konstitution sei, so daß er ohne Entspannung in seiner Wohnung während einer längeren Mittagspause seinen Beruf nicht voll ausüben könne. Zieht der Stpfl. es vor, die Behandlungspause statt in den Praxisräumen in seiner 11 km entfernten Privatwohnung zur Ruhe und Entspannung zu nutzen, so sind hierfür nach der Lebenserfahrung vorwiegend Gründe der privaten Lebenshaltung maßgeblich. Diese gehören aber nach § 12 Ziff. 1 Satz 2 EStG selbst dann zu den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung, wenn sie gleichzeitig zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Stpfl. gedient haben sollten. Das gleiche gilt für den Hinweis des Stpfl., daß er im Jahre 1957 mit Rücksicht auf eine durch einen Autounfall erlittene erhebliche Einschränkung der Geh- und Stehfähigkeit in der Behandlungspause besonderer Ruhe bedurft habe. Diesem zusätzlichen Ruhe- und Erholungsbedürfnis hätte der Stpfl. auch in seinen Praxisräumen Rechnung tragen können, dies um so mehr, als die in der Behandlungspause zurückgelegten Fahrkilometer eine weitere körperliche und nervliche Anspannung des Stpfl. zur Folge gehabt haben dürften.

Die Zwischenheimfahrtkosten können auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer vom Stpfl. im übrigen nicht beantragten Steuerermäßigung nach § 33 EStG im Zusammenhang mit dem Autounfall als erweiterte Krankheitskosten für das Jahr 1957 berücksichtigt werden. Es wird insoweit auf die im zur Veröffentlichung bestimmten Urteil des Bundesfinanzhofs VI 98/61 S vom 7. Dezember 1962 entwickelten Rechtsgrundsätze, denen sich der Senat anschließt, verwiesen.

Die Vorentscheidung, die mit diesen Rechtsgrundsätzen nicht im Einklang steht, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Berufung des Stpfl. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts war als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410700

BStBl III 1963, 91

BFHE 1963, 255

BFHE 76, 255

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