Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zuwendung einer lebenslänglichen Unterhaltsrente unter Lebenden kann erbschaftsteuerfrei sein, wenn von vornherein feststeht, daß der Zuwendungsempfänger wegen seines hohen Alters und seiner Vermögenslosigkeit keine Aussicht mehr hat, Einkommen zu beziehen und aus eigenen Mitteln seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, und auch kein Anhalt dafür besteht, daß sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse in Zukunft wesentlich verbessern werden oder können.

 

Normenkette

ErbStG § 18 Abs. 1 Ziff. 14, § 18/1/15

 

Tatbestand

In notarieller Verhandlung vom 30. Oktober 1951 verpflichtete sich der Kaufmann Max P. gegenüber der vermögenslosen, damals 76 Jahre alten Steuerpflichtigen, ihr mit Wirkung ab 1. Januar 1951 monatlich 250 DM Unterhalt auf die Dauer ihres Lebens zu zahlen. Er nahm hierbei darauf Bezug, daß die Steuerpflichtige (an Stelle seiner sehr früh verstorbenen Eltern) viele Jahre bei ihm Mutterstelle vertreten habe.

Abweichend von dem Steuerbescheid und dem Einspruchsbescheid des Finanzamts hat das Finanzgericht auf Antrag der Beschwerdeführerin die Zuwendung der Unterhaltsrente wegen § 18 Abs. 1 Ziff. 14, hilfsweise Ziff. 15 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) als erbschaftsteuerfrei erachtet.

 

Entscheidungsgründe

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts, der die volle Versteuerung beantragt. Die Steuerpflichtige hat gebeten, die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

Nach § 18 Abs. 1 Ziff. 14 ErbStG, auf den sich die Entscheidung des Finanzgerichts stützt, sind Zuwendungen unter Lebenden erbschaftsteuerfrei, wenn sie zum Zwecke des angemessenen Unterhalts erfolgt sind. Angemessen in diesem Sinne ist nach § 18 Abs. 3 ErbStG eine den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten entsprechende Zuwendung; eine dieses Maß übersteigende Zuwendung ist in vollem Umfange steuerpflichtig.

Gegenstand der notariellen Verhandlung vom 30. Oktober 1951 ist nicht nur die Zuwendung einzelner Unterhaltszahlungen gewesen, sondern das Versprechen der Gewährung des Unterhalts bis an das Lebensende der Steuerpflichtigen. Die Lebensverhältnisse der Steuerpflichtigen auf der einen Seite und des Unterhalt Leistenden auf der anderen Seite sowie die gesamten Umstände, aus denen heraus er die Zusage gegeben hat, lassen es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß es sich hier um eine feste Verpflichtung gehandelt hat, und daß ihr nicht der stillschweigende Vorbehalt gleichbleibender Verhältnisse zugrunde gelegen hat (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs V e A 757/27 vom 7. April 1928 - Steuerrechtskartei, Erbschaftsteuergesetz 1925 § 18 Abs. 1 Ziff. 14 Nr. 2 - und III e 43/40 vom 26. Juni 1941 - Reichssteuerblatt 1941 S. 766 -). Indessen kann die Frage, ob es sich um ein für immer bindendes Leibrentenversprechen gehandelt hat, im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben; denn selbst wenn, was nach den Umständen des Falles nahe liegt, diese Frage zu bejahen ist, kann zwar im allgemeinen nicht verkannt werden, daß die Gewährung eines auf die Lebenszeit des Empfängers ausgedehnten Rentenstammrechts über den Begriff des angemessenen Unterhalts im Sinne des § 18 Abs. 3 ErbStG hinausgeht, weil im allgemeinen nur für die Zeit des Vertragsschlusses feststeht, daß die Zuwendung den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten entspricht, ohne daß sich übersehen läßt, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bedachten nicht späterhin bessern werden und die Zuwendung dann nicht mehr angemessen sein wird (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 26/23 vom 11. April 1923 - Mrozek-Kartei zur Steuerrechtsprechung, Erbschaftsteuergesetz 1919 § 42 Abs. 1 Ziff. 2 Nr. 10 -); aber im vorliegenden Falle ist die Steuerpflichtige ohne Vermögen und so alt gewesen, daß nach den Erfahrungen des Lebens nicht damit zu rechnen ist, sie werde je wieder in der Lage sein, einem Erwerb nachzugehen oder sonst Einkommen zu beziehen und aus eigenen Mitteln ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es ist auch nichts dafür dargetan, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen auf andere Weise als durch Erwerbstätigkeit in Zukunft wesentlich verbessern werden oder können. Deshalb hat für den vorliegenden Fall schon zur Zeit der Zuwendung festgestanden, daß die zugesagte Rente auf Lebenszeit als solche auch für die restliche Lebenszeit der Steuerpflichtigen begriffsmäßig nicht über die Gewährung angemessenen Lebensunterhalts hinausgeht (vgl. auch Friedrich in Juristische Wochenschrift 1937 S. 1686).

Die Höhe des monatlichen Unterhaltsbetrags von 250 DM überschreitet nach den den Senat bindenden Feststellungen des Finanzgerichts auch unter Berücksichtigung der monatlichen Versorgungsrente der Steuerpflichtigen von 46 DM nicht das Maß des angemessenen Unterhalts. Für den Zuwendenden hat ein Anlaß zur Zusage der Rente bestanden, weil die Steuerpflichtige der Zuwendung zum Zwecke des angemessenen Unterhalts bedurfte (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs I e A 206/30 vom 16. Dezember 1930 - Reichssteuerblatt 1931 S. 141 - und V e A 275/32 vom 8. April 1932 - Grundwerk zur Steuerrechtsprechung in Karteiform, Erbschaftsteuergesetz 1925 § 18 Ziff. 14 - 16 Nr. 7 -).

Da sich somit die Steuerbefreiung schon auf Grund des § 18 Abs. 1 Ziff. 14 in Verbindung mit Abs. 2 ErbStG rechtfertigt, erübrigt sich ein Eingehen auf die Ausführungen des Finanzgerichts zur Anwendbarkeit des § 18 Ziff. 15 ErbStG.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 309 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408000

BStBl III 1954, 282

BFHE 1955, 190

BFHE 59, 190

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