Leitsatz (amtlich)

Zum Entgelt für die einem anderen Unternehmer zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte gehören auch solche Beträge, die der übernehmende Unternehmer unmittelbar an die gestellten Arbeitskräfte zahlt, wenn diese in einem Arbeitsverhältnis zu dem gestellenden Unternehmer geblieben sind und dieser durch die Zahlung von einer Schuld gegenüber den Arbeitnehmern befreit wird.

 

Normenkette

UStG 1951 § 5 Abs. 1 S. 1; UStDB 1951 § 10

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) betreibt eine Bau- und Möbeltischlerei. In den Jahren 1960 und 1961 stellte die Steuerpflichtige aus der Belegschaft ihres Unternehmens einer im ... Raum gelegenen Firma Tischler für Montagearbeiten zur Verfügung. Die den Arbeitnehmern weiterhin von der Steuerpflichtigen gezahlten Löhne wurden dieser zuzüglich eines Aufschlages von der Firma erstattet. Dagegen wurden Trennungsentschädigungen und Fahrtkosten für Heimfahrten (sog. Auslösung) von der Firma unmittelbar an die Arbeitnehmer gezahlt.

Soweit das FA die Steuerpflichtige wegen der ihr erstatteten Lohnbeträge zur Umsatzsteuer heranzog, besteht kein Streit. Auf Grund einer Betriebsprüfung zog das FA die Steuerpflichtige auch wegen jener Beträge zur Umsatzsteuer heran, die von der ... Firma unmittelbar an die Arbeitnehmer gezahlt wurden. Hiergegen richteten sich Einspruch und Berufung - jetzt Klage - der Steuerpflichtigen, die beide erfolglos blieben.

Die Vorinstanz geht davon aus, die Arbeitnehmer hätten nach wie vor allein in einem Arbeitsverhältnis zur Steuerpflichtigen gestanden. Arbeitsverträge zwischen der Firma und den Arbeitnehmern lägen nicht vor. Mit der Zahlung der Trennungsentschädigungen und Fahrtkosten an die Arbeitnehmer habe die Firma daher eine Verpflichtung der Steuerpflichtigen gegenüber den Arbeitnehmern erfüllt. Die Tatsache, daß sich die Firma aus besonderen Gründen durch eine Zahlungsabsprache mit der Steuerpflichtigen zur unmittelbaren Zahlung der Trennungsentschädigungen und Fahrtkosten an die Arbeitnehmer verpflichtet habe, berühre nicht die arbeitsrechtliche Verpflichtung der Steuerpflichtigen gegenüber ihren Arbeitnehmern.

Mit der seit Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde rügt die Steuerpflichtige die Verletzung materiellen Rechts. Sie vertritt unter Hinweis auf die Ausführungen von Trieschmann in Der Betrieb (DB), Beilage Nr. 16/56, die Auffassung, bei den der Firma zur Verfügung gestellten Arbeitskräften habe es sich um sogenannte unechte Leiharbeiter gehandelt, die allein in einem Arbeitsverhältnis zu ihrem Betriebsarbeitgeber, der Firma, nicht aber zu dem Zwischenarbeitgeber, der Steuerpflichtigen, gestanden hätten. Demzufolge hätten die Arbeitnehmer auch einen Lohnanspruch nur gegen den Betriebsarbeitgeber, die Firma, nicht aber die Steuerpflichtige gehabt. Auf die Frage, wer den Lohn tatsächlich bezahlt habe, komme es nicht an.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Der Revision war der Erfolg zu versagen. Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß die Entscheidung der Frage, ob auch die von der Firma unmittelbar an die Arbeitnehmer gezahlten Trennungsentschädigungen und Fahrtkosten bei der Steuerpflichtigen zum Entgelt für die Überlassung der Arbeitskräfte gehörten und solchenfalls der Umsatzbesteuerung unterliegen, im vorliegenden Falle allein davon abhängig ist, ob die Firma mit dieser Zahlung eine Verpflichtung der Steuerpflichtigen gegenüber den Arbeitnehmern erfüllt und damit die Steuerpflichtige von einer Schuld gegenüber den Arbeitnehmern befreit hat. Mit Recht hat die Vorinstanz auf Grund der von ihr getroffenen Feststellungen die Frage bejaht. RFH und BFH haben in ständiger Rechtsprechung in Fällen solcher Art stets angenommen (RFH-Urteil V 332/39 vom 24. Januar 1941, RStBl 1941, 133; BFH-Urteil V 198/58 vom 20. Oktober 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Umsatzsteuergesetz, § 1 Nr. 1 Rechtsspruch 156), daß das Arbeitsverhältnis zu der gestellenden Firma so lange als fortbestehend angesehen werden müsse, als nicht eindeutig und in aller Form ein neues Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber zustande gekommen ist, und zwar gleichgültig, ob die Arbeitskräfte bei diesem nur zeitweise - wie im Falle des Urteils vom 24. Januar 1941 - oder für alle Zukunft - wie im Falle des Urteils vom 20. Oktober 1960 - beschäftigt werden sollen. Unstreitig lag im vorliegenden Falle ein Arbeitsvertrag nur zwischen der Steuerpflichtigen und den gestellten Arbeitskräften vor. Nach den Feststellungen des Urteils der Vorinstanz handelte es sich bei diesen Arbeitskräften um Tischler, die Mitglieder der Belegschaft der Steuerpflichtigen waren. Soweit die Steuerpflichtige in der Revisionsbegründung darauf hinweist, daß die von der Steuerpflichtigen der Firma im Jahre 1961 zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte weder vor ihrer Tätigkeit bei der Firma noch nachher in den Betrieb der Steuerpflichtigen eingegliedert gewesen seien, kann die rechtliche Bedeutung dieses Vorbringens dahingestellt bleiben, weil es sich insoweit um neue Tatsachen handelt, die im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden können (§ 118 FGO). Auch die von allen Arbeitern auf Veranlassung der Steuerpflichtigen unterschriebene Erklärung, wonach sie sich damit einverstanden erklären, "daß die üblichen Bedingungen der Firma ... in der Abrechnung über Auslösung und Überstunden-Zuschläge sowie die Regelung über kostenlose Heimfahrten beibehalten werde", spricht dafür, daß der Wille der Beteiligten dahin ging, die Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis zur Steuerpflichtigen zu halten. Andernfalls wäre die Erklärung überflüssig gewesen. Die zwischen der Steuerpflichtigen und der Firma getroffene Absprache, daß die Trennungsentschädigungen und Fahrtkosten von der Firma unmittelbar an die Arbeitnehmer zu zahlen sind, wird von der Steuerpflichtigen als ein Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB angesehen, durch den die Arbeitnehmer insoweit ein unmittelbares Forderungsrecht gegen die Firma erworben haben. Der Abschluß dieses Vertrages kann jedoch nur als sinnvoll angesehen werden, wenn die Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis zur Steuerpflichtigen (und nicht zur Firma) standen, weil andernfalls die Verpflichtung zur Zahlung der genannten Beträge sich für die Firma bereits aus ihrem Arbeitsverhältnis zu den Arbeitnehmern ergeben und es dieser Absprache nicht bedurft hätte. Andererseits bleibt zu beachten, daß die aus dem Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitnehmern und der Steuerpflichtigen dieser obliegende Verpflichtung zur Zahlung von Trennungsentschädigungen und Fahrtkosten an die Arbeitnehmer nicht durch Absprache zwischen der Steuerpflichtigen und der Firma, sondern erst durch deren Zahlung an die Arbeitnehmer erfüllt worden ist. Etwas anderes kann nach Auffassung des Senats auch nicht aus der von der Steuerpflichtigen angeführten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 7. Januar 1959 - I Sa 97/57 - Der Betriebs-Berater 1959 S. 338 - entnommen werden. Die Firma hat daher mit ihrer Zahlung an die Arbeitnehmer die Steuerpflichtige insoweit von ihrer Schuld gegenüber den Arbeitnehmern befreit. Die von der Firma unmittelbar an die Arbeitnehmer gezahlten Trennungsentschädigungen und Fahrtkosten sind deshalb von der Firma aufgewendet worden, um die Leistung der Steuerpflichtigen, nämlich die Gestellung der Arbeitskräfte, zu erhalten (§ 10 UStDB 1951) und von der Steuerpflichtigen vereinnahmt worden, weil sie durch diese Zahlung von ihrer Schuld gegenüber den Arbeitnehmern befreit worden ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 UStG 1951).

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 132 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68201

BStBl II 1968, 791

BFHE 1968, 293

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