Leitsatz (amtlich)

Ist ein Grunderwerbsteuerbescheid im Kopf ohne einschränkenden Zusatz als vorläufig bezeichnet und heißt es in den Bemerkungen zu diesem Bescheid nur, er sei vorläufig, "weil der Preis ... noch nicht feststeht", so ist der Verwaltungsakt als in vollem Umfang vorläufig anzusehen.

 

Orientierungssatz

Der Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 UmwInvGrEStG Bayern war nicht befristet. War ein Grunderwerbsteuerbescheid in vollem Umfang vorläufig, so konnte diese Grunderwerbsteuerbefreiung im Rahmen der Anfechtung des endgültigen Grunderwerbsteuerbescheids geltend gemacht werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 119 Abs. 1, § 120 Abs. 1, § 165 Abs. 1; GrEStUmw/FöGebG BY Art. 1 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 21.April 1977 erwarb der Kläger eine noch zu vermessende Teilfläche von ca. 9 300 qm um 60 DM/qm. Wegen dieses Erwerbsvorgangs setzte das Finanzamt (FA) gegen den Kläger mit Bescheid vom 30.November 1977 Grunderwerbsteuer in Höhe von 39 060 DM fest. Der Bescheid war im Kopf als "vorläufiger ... gem. § 165 AO" gekennzeichnet. Unter Abschnitt G. "Bemerkungen" ist folgender Stempelaufdruck angebracht: "Der Bescheid ist vorläufig, weil der Preis für das erworbene Grundstück noch nicht feststeht." Dieser Bescheid wurde nicht angefochten.

Am 6.März 1981 erließ das FA gegen den Kläger einen nach § 165 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) endgültigen Grunderwerbsteuerbescheid, mit dem es die Steuer entsprechend dem Ergebnis der Vermessung auf nunmehr 39 576,60 DM festsetzte. Im Einspruchsverfahren gegen diesen Bescheid beantragte der Kläger Grunderwerbsteuerbefreiung nach Art.1 Abs.1 Nr.3 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Änderung der Unternehmensform und bei Betriebsinvestitionen in volkswirtschaftlich förderungsbedürftigen Gebieten (UmwInvGrEStG) Bayern. Er legte hierzu einen Bescheid der zuständigen Regierung vor, mit dem bescheinigt wird, daß die Errichtung einer Betriebstätte auf dem Erwerbsgrundstück die Voraussetzungen der Förderung erfüllt.

In der Einspruchsentscheidung vom 7.Juni 1982 setzte das FA die Steuer auf den ursprünglich festgesetzten Betrag herab und wies den Einspruch im übrigen als unbegründet zurück.

Der Klage, mit der der Kläger Herabsetzung der Grunderwerbsteuer auf 0 DM unter Gewährung der beantragten Steuerbefreiung begehrt, hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben.

Mit der Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Es rügt Verletzung von § 165 AO 1977 und des UmwInvGrEStG Bayern.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.

1. Nach § 165 Abs.1 Satz 1 AO 1977 kann eine Steuer insoweit vorläufig festgesetzt werden, als ungewiß ist, ob und inwieweit die Voraussetzungen für ihre Entstehung eingetreten sind. Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind nach § 165 Abs.1 Satz 2 AO 1977 anzugeben.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß der Grunderwerbsteuerbescheid vom 30.November 1977 in vollem Umfang vorläufig war. Der Vorläufigkeitsvermerk ist eine unselbständige Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt, die kraft Gesetzes zugelassen ist (vgl. § 120 Abs.1 AO 1977). Auch für eine derartige Nebenbestimmung gilt der in § 119 Abs.1 AO 1977 normierte Grundsatz, daß sie inhaltlich hinreichend bestimmt sein muß. Dieses Erfordernis wird durch § 165 Abs.1 Satz 2 AO 1977 noch in verstärktem Maße angesprochen.

Aus dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 30.November 1977 ist zwar mit hinreichender Deutlichkeit der Grund für die Vorläufigkeit zu ersehen ("... weil der Preis ... noch nicht feststeht"), eine Beschränkung des Umfangs der Vorläufigkeit ist bei objektiver Betrachtung des Inhalts dieses Verwaltungsakts nicht zu entnehmen. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß das FA die Vorläufigkeit nur auf die Höhe der Besteuerungsgrundlage beschränken und abschließend darüber entscheiden wollte, daß der Erwerbsvorgang in vollem Umfang der Grunderwerbsteuer unterliegt. Andererseits aber ist zu berücksichtigen, daß die Vermessung und damit die Unsicherheit über die Höhe der Besteuerungsgrundlage sich auf den gesamten Gegenstand der Steuer erstreckte. Darüber hinaus kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß der Hinweis in den Bemerkungen die Vorläufigkeit nur begründen sollte. Dabei gewinnt, wie der Senat bereits mit seinem Urteil vom 29.September 1971 II R 70/70 (BFHE 104, 102, BStBl II 1972, 195) ausgeführt hat, der Umstand an Bedeutung, daß der Steuerbescheid an dessen augenfälligstem Teil, am Kopf, ohne einschränkenden Zusatz als vorläufig gekennzeichnet ist. Hätte das FA den dadurch erzeugten ersten Eindruck der Vorläufigkeit in vollem Umfang vermeiden wollen, hätte es die endgültige Entscheidung über die Steuerpflicht dem Grunde nach zumindest in den Erläuterungen verdeutlichen müssen.

2. Grunderwerbsteuerbefreiung nach Art.1 Abs.1 Nr.3 UmwInvGrEStG wurde nur auf Antrag gewährt. Für die Antragstellung sah das Gesetz im Gegensatz zu § 1 Abs.3 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) eine Befristung nicht vor. Deshalb geht der Hinweis des FA auf das Senatsurteil vom 22.September 1982 II R 48/81 (BFHE 137, 86, BStBl II 1983, 164) fehl, denn maßgebend für diese Entscheidung war der Umstand, daß der Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem GrEStEigWoG bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides zu stellen war. Auch die Berufung des FA auf das Senatsurteil vom 17.März 1982 II R 39/81 (BFHE 135, 244, BStBl II 1982, 491) geht fehl: War der Bescheid in vollem Umfang vorläufig, so konnte er jederzeit nach § 172 Abs.1 AO 1977 geändert werden; er entfaltete keine materielle Bestandskraft. Der endgültige Bescheid konnte somit auch mit all den Gründen angefochten werden, mit denen der Bescheid vom 30.November 1977 hätte angefochten werden können, wozu auch die Geltendmachung eines unbefristeten Antrags auf Grunderwerbsteuerbefreiung gehört.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60840

BStBl II 1986, 38

BFHE 145, 11

BFHE 1986, 11

BB 1986, 314-315 (ST)

DStR 1986, 234-235 (ST)

HFR 1986, 165-166 (ST)

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