Leitsatz (amtlich)

Sind vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BefStG vom 30. Juni 1959 (BGBl 1959 I S. 398) im Werkfernverkehr auf ein und derselben Fahrt Güter der unter einem der Buchstaben a bis d des § 11 Abs. 2 Nr. 1 BefStG 1955 angeführten Art zusammen mit Gütern befördert worden, die unter einem der anderen Buchstaben angeführt sind, also beispielsweise Obstsäfte aus inländischem Obst (Buchstabe c) zusammen mit Mineralbrunnen (Buchstabe d), dann ist die Steuerermäßigung nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 BefStG 1955 nicht gegeben.

 

Normenkette

BefStG 1955 § 11 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Auslegung der Vorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 1 des Beförderungsteuergesetzes (BefStG) 1955 in ihrer vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes vom 30. Juni 1959 (BGBl 1959 I S. 398) geltenden Fassung. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer im Werkfernverkehr im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) bei der Beförderung von

a) Milch und Milcherzeugnissen,

b) Frischfischen,

c) inländischem Obst, inländischem Gemüse und Obstsäften aus inländischem Obst,

d) Mineralbrunnen,

"vorausgesetzt, daß jeweils bei einer Fahrt nur entweder die zu Buchstabe a, b, c oder d genannten Güter befördert werden", auf

1 Pfennig je Tonnenkilometer.

Die Bfin., eine OHG, stellt alkoholfreie Getränke her und betreibt einen Biergroßhandel. Sie befördert ihre Erzeugnisse und sonstigen Güter im Werkfernverkehr im Sinne des GüKG. Bei einer Beförderungsteuerprüfung wurde unter anderem festgestellt, daß die Bfin. in der Zeit vom 1. Juni 1955 bis zum 31. Dezember 1957 in vielen Fällen im Werkfernverkehr Mineralbrunnen und Obstsäfte aus inländischem Obst bei einer Fahrt zusammen befördert und diese Beförderungen mit dem ermäßigten Steuersatz des § 11 Abs. 2 Nr. 1 BefStG 1955 alter Fassung versteuert hat.

Das Finanzamt erkannte für diese Beförderungen die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht an; es forderte durch Steuerbescheid vom 16. Mai 1958 für die Zeit bis 31. Dezember 1956 eine Beförderungsteuer von 2209,05 DM nach, wovon auf die bezeichneten Beförderungen ein Betrag von 1186,25 DM entfiel. Für 1957 setzte das Finanzamt durch Steuerbescheid vom 16. Mai 1958 die Steuer auf 3091,80 DM fest; davon 1804,30 DM deshalb, weil der ermäßigte Steuersatz versagt wurde.

Im Einspruchsverfahren wandte sich die Bfin. gegen die Nichtanwendung des ermäßigten Steuersatzes. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Auch die von der Bfin. eingelegte Berufung wurde vom Finanzgericht als unbegründet zurückgewiesen. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 1 BefStG 1955 gehe hervor, daß die Steuervergünstigung aus Gründen der Überwachung nur dann gewährt werden sollte, wenn bei einer Fahrt nur, d. h. ausschließlich entweder eine in Buchstabe a oder eine in Buchstabe b oder eine in Buchstabe c oder eine in Buchstabe d aufgeführte Güterart befördert werde. Daß die Vorschrift so auszulegen sei, ergebe vor allem ihr Wortlaut. Die gleiche Auffassung sei auch im einschlägigen Schrifttum, beispielsweise bei Klein-Schrötter, Verkehrsfinanzgesetz, 1955, auf Seite 150 in Anm. 9 Abs. 2, vertreten. Ferner sei -- entgegen der Auffassung der Bfin. -- diese Auslegung der Vergünstigungsvorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 1 BefStG 1955 mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar.

 

Entscheidungsgründe

Die von der Bfin. eingelegte Rb. hat keinen Erfolg.

Der Wortlaut des Gesetzes spricht in der Tat für die von der Vorinstanz vertretene Auffassung. Durch die Verwendung des Wortes "entweder" gab der Gesetzgeber zu erkennen, daß die Vergünstigung nur Platz greifen sollte, wenn bei einer Fahrt neben einer in einem Buchstaben aufgeführten Güterart keine in einem anderen Buchstaben aufgeführte Güterart zugleich befördert wird. Daß das Gesetz nach seinem Wortlaut auszulegen ist, wird durch die von der Vorinstanz wiedergegebene Entstehungsgeschichte des Gesetzes bestätigt. Es kann auch nicht anerkannt werden, daß im Streitfall eine vom Wortlaut des Gesetzes abweichende Auslegung deshalb stattfinden müsse, weil die wörtliche Auslegung des Gesetzes mit seinem Sinn und Zweck offensichtlich nicht im Einklang stehen und zu einem der Vernunft widersprechenden, sinnwidrigen Ergebnis führen würde. Zwar beschränkt der Halbsatz des § 11 Abs. 2 Nr. 1 BefStG 1955, der mit den Worten "vorausgesetzt, daß" beginnt, die Anwendung der Vorschrift ein. Es steht aber dem Gesetzgeber, der eine Steuervergünstigung -- also eine Ausnahme gegenüber der sonst bestimmten Besteuerung -- schafft, frei, die Steuervergünstigung von dem Vorhandensein bestimmter Voraussetzungen abhängig zu machen, sofern dies aus sachlich vertretbaren Gründen geschieht, was im Streitfall vorliegt. Der Hinweis der Bfin. auf den die Rückbeförderung gebrauchter Packmittel betreffenden Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 7. April 1959 kann zu keiner anderen Beurteilung führen, da auch dieser Erlaß die Anwendbarkeit der Vergünstigung bei Rückbeförderung von Packmitteln gleichzeitig mit Gütern der in Nr. 1 angeführten Güter nur dann als gegeben ansieht, wenn die Packmittel zur Verpackung von Gütern derjenigen Art gedient haben, die auf der zu beurteilenden Fahrt "gleichartig verpackt befördert werden" (z. B. Mineralbrunnen in Flaschen -- leere Mineralbrunnenflaschen). Die Auffassung des Senats wird auch durch die Begründung der späteren Änderung der in Frage stehenden Vorschrift durch das bereits erwähnte Gesetz zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes vom 30. Juni 1959 bestätigt. Danach -- vgl. den Bericht des Abgeordneten Fritz (Welzheim), Bundestagsdrucksache 1105, 3. Wahlperiode -- sollte die Änderung nicht etwa einen bereits bestehenden Rechtszustand klarstellen, sondern einen anderen Rechtszustand an die Stelle des vorherigen setzen. Nach dem Bericht wurde eine Gesetzesänderung für die Zukunft aus wirtschaftlichen Erwägungen für erforderlich gehalten. Das Gesetz wurde nunmehr dahin geändert, daß der letzte Halbsatz des § 11 Abs. 2 Nr. 1 BefStG lautet: "vorausgesetzt, daß jeweils bei einer Fahrt nur die zu Buchstaben a bis e genannten Güter befördert werden".

Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 1 BefStG 1955 verstößt auch nicht -- wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat -- gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift nicht die Grenzen des ihm offenstehenden Spielraums für die Gesetzesgestaltung überschritten (vgl. dazu auch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 10/55 vom 15. Dezember 1959, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 10 S. 234, 246). Wie bereits gesagt, stand dem Schöpfer der Steuervergünstigung frei, deren Anwendung von gewissen, von ihm damals für erforderlich gehaltenen Voraussetzungen (zwecks Überwachung und deren leichterer Durchführbarkeit) abhängig zu machen. Das war sachlich vertretbar. Die Abgrenzung wurde also nicht willkürlich vorgenommen. Ob damals etwa eine gerechtere, zweckmäßigere Regelung möglich gewesen wäre, hat das Steuergericht, das an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG), nicht zu prüfen.

 

Fundstellen

BStBl III 1961, 380

BFHE 1962, 309

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