Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von Schuldzinsen bei gemischt genutztem Kontokorrentkonto; bürgerliche weiße Arztkleidung

 

Leitsatz (NV)

1. Lehnt es der Steuerpflichtige auf Aufforderung des FG ab, eine chronologische Aufstellung über die Bewegungen auf seinem gemischt genutzten Kontokorrentkonto vorzulegen und jeweils die betriebliche oder private Veranlassung anzugeben, so ist das FG zu einer Schätzung des betrieblich veranlaßten Zinsaufwandes nach dem Verhältnis der betrieblichen und der privaten Auszahlungen berechtigt.

2. Aufwendungen für Kleidung, die ein Arzt bei der Berufsausübung trägt, sind nur dann Betriebsausgaben, wenn die außerberufliche Verwendung der Kleidungsstücke wegen ihres rein funktionalen Charakters als ausgeschlossen erscheint (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1990, zur amtl. Veröffentl. bestimmt).

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Zahnarzt freiberuflich tätig. Nach einer Außenprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Einkommensteuerbescheid für . . . In folgenden Punkten besteht zwischen den Beteiligten Streit:

1. Für Kontokorrentverbindlichkeiten fielen Schuldzinsen in Höhe von . . . DM an. Die entsprechenden Konten dienten der Erfassung von Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben und privat veranlaßten Aufwendungen. Der Kläger zog die Schuldzinsen in vollem Umfang als Betriebsausgaben bei seiner nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durchgeführten Gewinnermittlung ab. Das FA ist der Auffassung, daß die privat veranlaßten Zinsen nicht abzugsfähig seien. Deren Anteil berechnete es nach dem Anteil der privat veranlaßten Zahlungen an den Gesamtabhebungen.

2. Für weiße Kleidung (Hosen, Hemden, T-Shirts, Socken, Schuhe) gab der Kläger im Jahre . . . 6 048 DM aus. Diese Ausgaben behandelte er ebenfalls als Betriebsausgaben. Das FA hält sie für nicht abzugsfähig.

Der Steueränderungsbescheid für die Einkommensteuer wies einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte aus. Das FA zog ihn als Verlustrücktrag bei der Einkommensteuerveranlagung . . . ab.

Gegen den unter Berücksichtigung des Verlustrücktrags geänderten Einkommensteuerbescheid erhoben die Kläger (zusammen veranlagte Eheleute) Sprungklage mit dem Ziel, einen höheren Verlustrücktrag aufgrund höherer Betriebsausgaben des Jahres . . . zu erreichen. Sie machten geltend, die unterschiedliche Behandlung der Schuldzinsen je nach Gewinnermittlungsart durch den Bundesfinanzhof (BFH) in den Urteilen vom 23. Juni 1983 IV R 185/81 (BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723) und IV R 192/80 (BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725) sei rechtswidrig. Weiße Kleidungsstücke gehörten zu seiner, des Klägers, typischen Berufskleidung. Er müsse mindestens zweimal am Tag die Kleidung wechseln, die aus hygienischen Gründen auch nicht anderweitig getragen werden könne.

Im Laufe des Verfahrens vor dem Finanzgericht (FG) forderte der Berichterstatter die Kläger auf, zur Frage des Schuldzinsenabzugs vorsorglich eine chronologische Aufstellung der Bewegungen der in Betracht kommenden Konten vorzulegen, wobei jeweils die betriebliche oder private Veranlassung anzugeben sei. Ferner bat er, die angefallenen Zinsen nach zwei verschiedenen Berechnungsmethoden aufzuteilen:

a) nach der Zinszahlenstaffelmethode gemäß BFH-Urteil in BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723 unter Berücksichtigung einer verhältnismäßigen Tilgung der schulderhöhenden Posten durch Eingänge,

b) nach der Zinszahlenstaffelmethode auf der Grundlage, daß Eingänge zunächst zur Abdeckung der vorhandenen oder gleichzeitigen privaten Ausgänge verwendet würden.

Daraufhin teilten die Kläger mit, daß der Erfüllung dieser Auflagen unüberwindliche praktische Schwierigkeiten entgegenstünden. Die Zinszahlenstaffelmethode sei unpraktikabel. Sie hielten auch nicht die vom FA angewandte Berechnung, sondern die teilweise Versagung des Schuldzinsenabzugs schlechthin für unrichtig.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Kläger, mit der sie Verletzung materiellen Rechts (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) rügen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Die Behandlung der für die Kontokorrentkonten gezahlten Schuldzinsen durch das FA und das FG ist nicht zu beanstanden.

Der Große Senat des BFH hat in seinem Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) entschieden, daß dann, wenn eine Kontokorrentverbindlichkeit sowohl durch betrieblich als auch durch privat veranlaßte Auszahlungen oder Überweisungen entsteht, bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und nach § 4 Abs. 3 EStG nur der betriebliche Teil des Kredits dem Betriebsvermögen zuzurechnen ist. Nur die auf diesen Teil des Kontokorrentkredits entfallenden Schuldzinsen dürfen als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Die gebotene Aufteilung der für gemischte Kontokorrentkonten entrichteten Schuldzinsen ist grundsätzlich nach der sog. Zinszahlenstaffelmethode vorzunehmen (Beschluß des Großen Senats, a. a. O., unter II.5.).

Soweit allerdings eine Trennung der betrieblich und privat veranlaßten Zinsaufwendungen nach der Zinszahlenstaffelmethode im Einzelfall mit einem für die Finanzbehörde oder für das FG unzumutbaren Ermittlungsaufwand verbunden ist, sind diese berechtigt und verpflichtet, den betrieblichen Zinsanteil zu schätzen. Eine solche Schätzung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, bei einem Kontokorrentkonto mit umfangreichem Zahlungsverkehr eine Zinszahlenstaffelrechnung vorzulegen (Beschluß des Großen Senats, a. a. O., unter II.5. h).

Bei der Abgenzung privater und betrieblicher Aufwendungen trifft den Steuerpflichtigen eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Dazu gehört, daß der Steuerpflichtige Unterlagen vorlegt, die eine Aussonderung des auf die privaten Verbindlichkeiten entfallenden Zinsaufwands ermöglichen. Kommt der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, ist der betrieblich veranlaßte Zinsanteil zu schätzen.

So verhält es sich im Streitfall. Die Kläger haben es auf eine entsprechende Aufforderung des FG hin abgelehnt, eine chronologische Aufstellung der Bewegungen der in Betracht kommenden Konten vorzulegen und jeweils die betriebliche oder private Veranlassung anzugeben. Dadurch war insbesondere auch die vom FG beabsichtigte Feststellung, in welchem Umfang private Schuldenteile durch laufende Geldeingänge vorrangig getilgt worden sind, nicht möglich.

Unter diesen Umständen kann der betriebliche Anteil des Zinsaufwandes nach dem Verhältnis der betrieblichen und der privaten Auszahlungen geschätzt werden (Beschluß des Großen Senats, a. a. O., unter II.5. h) cc). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die privaten Aufwendungen schwerpunktmäßig zu einem Zeitpunkt getätigt wurden, zu dem dem Steuerpflichtigen entsprechende Guthaben zur Verfügung standen. Derartige Feststellungen konnten indessen nicht getroffen werden, weil die Kläger Angaben über die Bewegungen auf den streitigen Konten abgelehnt haben.

2. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG die Aufwendungen für weiße Hemden, T-Shirts, Hosen, Socken und Schuhe nicht als Betriebsausgaben anerkannt hat.

Der Senat hat in seinem Urteil vom heutigen Tag IV R 65/90, zur amtl. Veröffentl. bestimmt, den Grundsatz aufgestellt, daß Aufwendungen für weiße Hemden, Socken und Schuhe eines Arztes nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind. Aufwendungen für weiße Hosen können nur dann als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn die Hosen typische Berufskleidung darstellen, was voraussetzt, daß eine außerberufliche Verwendung wegen ihres rein funktionalen Charakters als ausgeschlossen erscheint. Gegen das Vorliegen dieser Eigenschaft spricht eine widerlegliche Vermutung, wenn die Hosen nicht im Fachhandel für Berufsbedarf angeschafft worden sind.

Im Streitfall hat das FG festgestellt, daß die streitigen Kleidungsstücke keine typische Berufskleidung darstellen (S. 11 UA). Diese Feststellung beruht offenbar auf den Erkenntnissen des Betriebsprüfers, denen zufolge alle Hosen in einem Geschäft namens ,,X-Club" erworben wurden. Sie ist nicht mit Revisionsrügen angefochten worden und daher für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417496

BFH/NV 1991, 377

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