Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung von Vieh bei Wechsel der Gewinn ermittlung; Sofort abschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter

 

Leitsatz (NV)

Geht ein Landwirt von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zu der durch Bestandsvergleich über, kann er in der Übergangsbilanz sein Vieh mit Durchschnittswerten ansetzen. Der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit hindert ihn jedoch nicht, die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des nach dem Übergang neu angeschafften oder hergestellten Viehs derselben Tiergruppe gemäß § 6 Abs. 2 EStG in voller Höhe als Betriebsausgaben abzusetzen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 6, § 254 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betreibt eine Landwirtschaft. Er ermittelte seinen Gewinn nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Seit dem Wirtschaftsjahr 1988/89 ermittelt er ihn nach § 4 Abs. 1 EStG. Sowohl in der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1988 als auch in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1989 bewertete er das Vieh gemäß Abschn. 125 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) mit Durchschnittswerten, und zwar die Zuchtsauen mit je 250 DM. In der Schlußbilanz zum 30. Juni 1990 für das Wirtschaftsjahr 1989/90 bewertete er die noch vorhandenen Zuchtsauen sowie die Zuchteber wie zuvor mit je 250 DM, schrieb aber die im Wirtschaftsjahr 1989/90 neu hergestellten Zuchtsauen nach § 6 Abs. 2 EStG sofort ab.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) nahm dagegen entsprechend der Rundverfügung der Oberfinanzdirektionen (OFD) Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart vom 15. Juli 1981 (Landwirtschaftskartei S. 2141 Nr. 23) an, auch die neu hergestellten Zuchtsauen müßten mit jeweils 250 DM bewertet werden, und erhöhte den erklärten Gewinn entsprechend. Dementsprechend setzte das FA bei der Einkommensteuer 1989 den hälftigen Gewinn des Wirtschaftsjahres 1989/90 mit ... DM an.

Das FA wies den Einspruch zurück. Es wies zur Begründung darauf hin, daß in Ausnahmefällen zwar nach § 252 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) von dem einmal gewählten Bewertungsverfahren abgewichen werden könne, der Kläger aber im Streitfall das Bewertungsrecht nur einheitlich ausüben könne. Da er einen Teil seiner Tiere gemäß § 240 Abs. 4 HGB zulässigerweise mit Durchschnittswerten angesetzt habe, könnten die neu angeschafften Zuchtsauen nicht als geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 2 EStG) abgeschrieben werden.

Mit der Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Sie machten u. a. geltend, der Steuerpflichtige könne sowohl im Jahr der Anschaffung als auch in jedem neuen Wirtschaftsjahr für jedes einzelne Wirtschaftsgut neu entscheiden, ob er von der Bewertungsfreiheit des § 6 Abs. 2 EStG Gebrauch machen wolle. Der Wechsel von Wirtschaftsjahr zu Wirtschaftsjahr sei vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassen worden (Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., B Tz. 901). Es sei -- wie für besonders wertvolle Tiere -- möglich, eine bestimmte Tiergattung von der Durchschnittsbewertung auszunehmen. Entgegen der Ansicht des FA (ebenso Felsmann, a. a. O., B Tz. 903) schlössen sich § 6 Abs. 2 EStG und Durchschnittsbewertung nicht grundsätzlich aus. Er selbst habe aber nur die im Wirtschaftsjahr 1989/90 neu angeschafften Zuchtsauen als geringwertige Wirtschaftsgüter abgeschrieben, nicht dagegen die Zuchtsauen, für die bereits im Vorjahr die Durchschnittswerte angesetzt worden seien. Dies widerspreche auch nicht den vom FA angeführten Vereinfachungsgründen. Im übrigen habe die Finanzverwaltung selbst ihre Auffassung, das Wahlrecht müsse für den gesamten Tierbestand einheitlich ausgeübt werden, inzwischen aufgegeben (Verfügung der OFD Frankfurt vom 23. März 1995 S 2132a A-4-St II 21, Finanz-Rundschau -- FR -- 1995, 520, und Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -- BMF -- vom 22. Februar 1995, BStBl I 1995, 179).

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 357 veröffentlichten Urteil aus, der Bundesfinanzhof -- BFH -- (Senatsurteil vom 25. Februar 1988 IV R 95/86, BFHE 152, 506, BStBl II 1988, 581; zustimmend Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., Rdnr. 1165; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., B 605 a; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 13 Rdnr. 154; Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 13 Anm. B 184; Blümich, Einkommensteuergesetz § 13 Rdnr. 350; a. A. in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaft steuergesetz, 20. Aufl., § 6 EStG Rdnr. 89 bis 94; Kanzler, FR 1988, 601) habe ausdrücklich hervorgehoben, daß der Landwirt an das einmal ausgeübte Wahlrecht nach den Grundsätzen der Bewertungsstetigkeit gebunden sei, so daß ein Wechsel grundsätzlich nicht möglich sei.

Jedenfalls könne er nicht für einen Teil einer Tiergruppe die Gruppenbewertung wählen und für einen anderen Teil die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG in Anspruch nehmen (Felsmann, a. a. O., B 605 a, 750, 759 und 903). Andernfalls würde das von der Rechtsprechung (Senatsurteil vom 14. April 1988 IV R 96/86, BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672) entwickelte Willkürverbot verletzt, wonach der Steuerpflichtige nicht ohne sachliche Gründe Bilanzierungswahlrechte benutzen dürfe, um die Höhe seiner Steuern zu beeinflussen.

Mit der vom FG -- wegen grundsätzlicher Bedeutung -- zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht (§ 6 Abs. 2 EStG).

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil und der Einkommensteuerbescheid 1989 in Gestalt der Einspruchs entscheidung vom 24. März 1992 werden aufgehoben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und dem FA wird aufgegeben, die Einkommensteuer 1989 festzusetzen.

1. Der Kläger konnte nach dem Übergang von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG seine Zuchtsauen als Anlagevermögen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 EStG mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten, vermindert um die Absetzungen für Abnutzung ansetzen.

Grundsätzlich macht die in § 6 Abs. 1 EStG vorausgesetzte Einzelbewertung es erforderlich, für jedes einzelne Tier die ihm zurechenbaren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu ermitteln. Ist der Teilwert niedriger, so kann auch dieser angesetzt und ggf. in den folgenden Wirtschaftsjahren beibehalten werden (§ 6 Abs. 1 Satz 2 und 4 EStG). Doch können die buchführungspflichtigen Land- und Forstwirte die einzelnen Wirtschaftsgüter ihres Anlagevermögens zu einer Gruppe zusammenfassen und mit dem gewogenen Durchschnittswert ansetzen, wenn es sich um annähernd gleichwertige Vermögensgegenstände handelt (§ 141 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 -- i. V. m. § 240 Abs. 4 HGB). Im Hinblick auf die schwierige Ermittlung der tatsächlichen Kosten hat der erkennende Senat entschieden, daß die buchführungspflichtigen Land- und Forstwirte sich dabei an die in entsprechenden Musterbetrieben ermittelten Beträge anlehnen oder auch auf die von der Finanzverwaltung vorgehaltenen, seinerzeit sehr viel niedrigeren Durchschnittswerte zurückgreifen können (vgl. BFH-Urteile vom 1. Oktober 1992 IV R 97/91, BFHE 169, 180, BStBl II 1993, 284; vom 8. August 1991 IV R 56/90, BFHE 166, 120, BStBl II 1993, 272, und vom 16. Juni 1994 IV R 84/93, BFHE 175, 343, BStBl II 1994, 932).

Dem hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen (vgl. R 125 des Amtlichen Einkommensteuerhandbuchs 1995) und inzwischen die Durchschnittswerte angehoben (vgl. BMF-Schreiben vom 22. Februar 1995, BStBl I 1995, 179). Sie geht dabei davon aus, daß es sich auch bei den Werten aus den vergleichbaren Musterbetrieben sowie den von der Finanzverwaltung vorgehaltenen Durchschnittswerten (jetzt Richtwerte genannt) um eine Einzelbewertung handelt und unterscheidet davon ausdrücklich die Gruppenbewertung, für die sie gleichfalls den Ansatz der Werte aus den Musterbetrieben sowie der Richtwerte zuläßt (vgl. BMF-Schreiben, a. a. O., Tz. 10 bis 18). Allerdings legt das BMF- Schreiben unter Bezug auf das Senatsurteil in BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672 fest (a. a. O., Tz. 19 f.), daß die gewählte Bewertungsmethode sowie das Wertermittlungsverfahren für die jeweilige Tiergruppe grundsätzlich beizubehalten ist, und zwar auch für Bestandszugänge, es sei denn, die betrieblichen Verhältnisse hätten sich -- wie z. B. bei Strukturwandel -- wesentlich geändert.

2. Im Streitfall braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Kläger durch den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit daran gehindert ist, in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1990 die erst im Wirtschaftsjahr 1989/90 neu hergestellten Zuchtsauen gemäß § 6 Abs. 2 EStG als geringwertige Wirtschaftsgüter sofort abzuschreiben. Allerdings ist anerkannt, daß dieser Grundsatz es zuläßt, steuerliche Bewertungswahlrechte, z. B. Sonderabschreibungen, von Jahr zu Jahr unterschiedlich auszuüben (Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl., 1995, § 252 HGB Rdnr. 109). Diese Möglichkeit hat der Rechtsausschuß des Bundestages bei der Beratung des § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB ausdrücklich offen halten wollen (BTDrucks 10/4268 S. 100). Dies sichert § 254 Satz 1 HGB; er läßt es ausdrücklich zu, Vermögensgegenstände des Anlagevermögens unter Berücksichtigung der steuerrechtlich zulässigen Abschreibung mit einem niedrigeren Wert anzu setzen.

Entgegen der Ansicht von FA und FG (vgl. auch Hiller, Die Information über Steuer und Wirtschaft -- INF --, 1995, 161 ff., 163) hat der Kläger aber nicht bereits dadurch, daß er in der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1988 und in der dem hier streitigen Wirtschaftsjahr 1989/90 vorausgehenden Schlußbilanz zum 30. Juni 1989 die vorhandenen Zuchtsauen mit jeweils 250 DM angesetzt hat, sein Anlagevermögen bereits "methodisch", d. h. entsprechend einer einheitlichen Methode, bewertet.

Der Kläger war nämlich gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG verpflichtet, sein Anlagevermögen in der Übergangsbilanz zum 1. Juli 1988 mit den tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten anzusetzen. Da diese nachträglich nur mit Schwierigkeiten ermittelt werden können, ließ der damals gültige Abschn. 125 Abs. 3 EStR 1987 es zu, das Vieh ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit den Durchschnittswerten der Finanzverwaltung anzusetzen. Dementsprechend hatte der Kläger die Zuchtsauen auch in der mit Datum vom 1. November 1989 aufgestellten Übergangs bilanz angesetzt. Den Wert von 250 DM setzte er auch in der ebenfalls mit Datum vom 1. November 1989 aufgestellten Schlußbilanz zum 30. Juni 1989 an. Damit hat er seine zum jeweiligen Bilanzstichtag vorhandenen Zuchtsauen einzeln bewertet, und zwar mit geschätzten Werten. Da Abschn. 125 Abs. 3 EStR 1987 für den Übergang von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zu der durch Bestandsvergleich einen anderen Wert nicht zuließ, hat der Kläger -- und insoweit anders als die normalen buchführungspflichtigen Land- und Forstwirte (Abschn. 125 Abs. 1 EStR 1987) -- kein Bewertungswahlrecht ausgeübt. Daß ein Land- und Forstwirt ein Wahlrecht entsprechend den Senatsurteilen in BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672, und vom 17. März 1988 IV R 82/87 (BFHE 153, 333, BStBl II 1988, 770) ausüben darf, hat die Finanzverwaltung erstmals in dem neugefaßten Abschn. 125 Abs. 3 Satz 1 EStR 1990 anerkannt. Dem steht nicht entgegen, daß die Finanzverwaltung sich für ihre ursprüngliche Auffassung in Abschn. 125 Abs. 3 EStR 1987 ausdrücklich auf das Sentsurteil vom 3. Juni 1965 IV 180/61 U (BFHE 83, 213, BStBl III 1965, 579) gestützt hatte. Zwar hatte der erkennende Senat die in BFHE 83, 213, BStBl III 1965, 579 vertretene alte Auffassung bereits mit den Urteilen in BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672 und in BFHE 153, 333, BStBl II 1988, 770 aufgegeben, so daß sich der steuerlich beratene Kläger auf das nunmehr vom Senat bestätigte Wahlrecht hätte berufen können. Das ist aber nicht geschehen. Denn der Kläger hat in Übereinstimmung mit der aufgegebenen Auffassung die von der Finanzverwaltung vorgehaltenen -- beträchtlich zu niedrigen -- Durchschnittswerte angesetzt. Da diese Werte nach der Auffassung der Finanzverwaltung damals und auch weiterhin (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1995, 179, Tz. 13; dazu Hiller, INF 1995, 161 ff., 163) an die Stelle der betriebsindividuell ermittelten Anschaffungs- und Herstellungskosten für die einzeln zu bewertenden Tiere treten, ist der Kläger jedenfalls nicht gehindert, gemäß § 6 Abs. 2 EStG die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der erst im Wirtschaftsjahr 1989/90 neu hergestellten Zuchtsauen in vollem Umfang als Betriebsausgaben abzusetzen. Denn der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit läßt es zu, die noch vorhandenen einzelnen Wirtschaftsgüter weiter einzeln zu bewerten, aber für neu hinzugekommene von § 6 Abs. 2 EStG Gebrauch zu machen (Giere in Felsmann, a. a. O., B 755, B 903; Schmidt/Seeger, a. a. O., 15. Aufl., § 13 Rz. 151).

Dementsprechend ist die vom FA vorgenommene Gewinnerhöhung für das Wirtschaftsjahr 1989/90 rückgängig zu machen und hälftig im Streitjahr 1989 zu berücksichtigen. Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO wird dem FA aufgegeben, die Einkommensteuer 1989 unter Berücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 34 e EStG zu errechnen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 394

BBK 1997, 854

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