Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand und Schuldner der Versicherungsteuer

 

Leitsatz (NV)

1. Gegenstand der Versicherungsteuer ist die Zahlung des Versicherungsentgelts durch den Versicherungsnehmer. Der Begriff Versicherungsverhältnis in § 1 Abs. 1 VersStG erfaßt danach nur das Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, auf das Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versichertem kommt es nicht an.

2. Schuldner der Versicherungsteuer ist der Versicherungsnehmer, denn dieser hat die für die Versicherungsteuerpflicht maßgebende Prämienzahlung zu leisten. Entscheidend ist, wer nach der Police Versicherungsnehmer ist.

 

Normenkette

VersStG 1959 § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 44 Abs. 1; VVG § 35 S. 1, § 74 Abs. 1-2, § 186; HGB § 781 Abs. 1, § 783 Abs. 2, § 812 S. 2; ADS § 52

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Jahre 1976 zum Vertragsreeder zweier Schiffseignergesellschaften bestellt, denen jeweils ein Tanker gehörte. Die gleichlautenden Bereederungsverträge umfaßten die Befrachtung, den Einsatz und die Bemannung des jeweiligen Schiffes sowie die Durchführung des gesamten Schiffsbetriebes einschließlich Abschluß und Durchführung aller erforderlichen Versicherungen, wobei die Abschlüsse mit den Schiffseignergesellschaften abzustimmen waren. Nach § 2 der Bereederungsverträge betrieb die Klägerin die Schiffe im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung der jeweiligen Schiffseignergesellschaft. In § 3 Abs. 3 wurde der Klägerin von den Schiffseignergesellschaften der Auftrag zum Abschluß und zur Durchführung aller mit dem Bereederungsvertrag verbundenen Rechtsgeschäfte erteilt. Gleichzeitig wurde der Klägerin eine entsprechende Vollmacht für den Fall erteilt, daß es sich als erforderlich erweisen sollte, gegenüber Dritten im Namen der Schiffseignergesellschaften zu handeln. Die Klägerin war von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit.

Für beide Tanker wurden Versicherungen (Kasko, Interesse, Kriegsrisiko, Eigentümerinteresse, Haftpflicht etc.) bei verschiedenen in- und ausländischen Versicherern über inländische Versicherungsmakler abgeschlossen. In den Versicherungspolicen sind jeweils die Eignergesellschaft und die Klägerin als Versicherungsnehmer angeführt. Als Mitglieder des . . . Clubs (eines Gegenseitigkeitsversicherungsvereins der Reeder zur Deckung von Haftungs- und Kostenschäden) sind ebenfalls die Klägerin und die jeweilige Eignergesellschaft angemeldet worden. Die Versicherungsprämien bezahlte in allen Fällen die Klägerin.

Nachdem bei einer Versicherungssteuerprüfung festgestellt worden war, daß die Versicherungsprämien für die beiden Tanker nicht der Versicherungsteuer unterworfen worden waren, setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) mit Bescheid vom 25. Mai 1983 gegen die Klägerin für die Jahre 1978 bis 1982 Versicherungsteuer fest.

Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin insbesondere, daß das angefochtene Urteil gegen § 1 VersStG sowie gegen §§ 778 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) verstoße.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; das FG hat zu Recht die Klage der Klägerin gegen die Festsetzung der Versicherungsteuer abgewiesen; die Klägerin hat die Voraussetzungen des § 1 Nr. 1 des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) 1959 nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) erfüllt. Die gegen die rechtliche Beurteilung des FG erhobenen Einwände der Revision haben keinen Erfolg.

1. Der Versicherungsteuer unterliegt die Zahlung des Versicherungsentgelts aufgrund eines Versicherungsverhältnisses, wenn der Versicherungsnehmer seinen Sitz im Inland hat (§ 1 Nr. 1 VersStG i.d.F. vom 24. Juli 1959, BGBl I 539 - insoweit durch die Gesetze vom 20. Februar 1969, BGBl I, 141, vom 27. Juli 1969, BGBl I, 946, vom 19. Dezember 1974, BGBl I, 3610, und vom 14. Dezember 1976, BGBl I, 3341, nicht geändert -). Steuerschuldner ist der Versicherungsnehmer (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG). Gegenstand der Versicherungsteuer ist demgemäß nicht das Versicherungsverhältnis als solches, sondern die Zahlung des Versicherungsentgelts durch den Versicherungsnehmer, d.h. durch den zur Zahlung Verpflichteten. Die Versicherungsteuer ist eine Verkehrsteuer auf den rechtlich erheblichen Vorgang des Geldumsatzes. Entscheidend ist, daß eine geschuldete Leistung an den Gläubiger so bewirkt wird, daß die Schuld durch Zahlung des Versicherungsentgelts erlischt (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. August 1961 II 234/58 U, BFHE 73, 628, BStBl III 1961, 494; vom 14. Oktober 1964 II 175/61 U, BFHE 80, 539, BStBl III 1964, 667, und vom 20. April 1977 II R 36/76, BFHE 122, 352, BStBl II 1977, 688).

2. a) Fehl geht danach die Auffassung der Revision, die Klägerin unterliege nicht der Versicherungsteuer, weil auf sie kein versicherbares Interesse entfalle, denn als Vertragsreeder habe sie als Vertreter der Schiffseigner lediglich die Bewirtschaftung der Schiffe übernommen. Auf das damit angesprochene Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherer und dem Versicherten kommt es nach dem VersStG jedoch nicht an. Wie der BFH insbesondere im Urteil in BFHE 73, 628, BStBl III 1961, 494 ausgeführt hat, erfaßt der Begriff ,,Versicherungsverhältnis" in § 1 Nr. 1 VersStG nur das Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, denn aus ihm ergibt sich allein der steuerbegründende Tatbestand, die Zahlung des Versicherungsentgelts.

Diese Betrachtungsweise entspricht auch der Beurteilung der Versicherung für fremde Rechnung gemäß dem vom FG angezogenen § 74 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG). Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann die Versicherung von demjenigen, welcher den Vertrag mit dem Versicherer schließt, im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, genommen werden. Der Versicherungsnehmer versichert ein fremdes Interesse; er ist jedoch Vertragspartner, insbesondere Prämienschuldner, während die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zustehen. Nichts grundsätzlich anderes bestimmt die von der Klägerin im Hinblick auf § 186 VVG angeführte Vorschrift des § 781 aus dem 10. Abschnitt des HGB (Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt) sowie § 52 der Allgemeinen Deutschen Seeversicherungs-Bedingungen (ADS).

b) Ohne Erfolg ist auch der Einwand der Revision, daß gemäß § 783 Abs. 2 HGB bei einer Versicherung, die von einem Bevollmächtigten oder einem sonstigen Vertreter des Versicherten in dessen Namen abgeschlossen werde, weder der Vertreter Versicherungsnehmer noch die Versicherung selbst eine Versicherung für fremde Rechnung sei. Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint, daß dieser Sachverhalt gegeben sei. Es konnte ohne Verletzung gesetzlicher Auslegungsregeln, insbesondere des § 164 Abs. 2 BGB, der Denkgesetze oder von Erfahrungssätzen zu dem Ergebnis gelangen, daß die Klägerin die Versicherungen im eigenen Namen und nicht im Namen der Eigner abgeschlossen hat. Es ist nicht zu beanstanden, daß sich das FG dabei auch auf § 2 der Bereederungsverträge gestützt hat, wonach die Klägerin das jeweilige Schiff im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung betreibe. Auch die Klägerin räumt ein, daß sie nach den Bereederungsverträgen im allgemeinen im eigenen Namen gehandelt habe. Es ist nicht ersichtlich, daß sich - wie die Klägerin aber meint - für den Abschluß der Versicherungsverträge etwas anderes ergäbe. Vor allem läßt sich diese Folgerung nicht zwingend aus § 3 Abs. 3 Satz 2 der Bereederungsverträge ziehen, denn dort wird der Klägerin lediglich allgemein eine Vollmacht für die Durchführung aller mit dem Bereederungsvertrag verbundenen Rechtsgeschäfte für den Fall erteilt, daß es sich als erforderlich erweisen sollte. Wie sich aus § 781 Abs. 1 HGB (ebenso § 74 Abs. 1 VVG) ergibt, erfordert die Versicherung des Interesses eines Dritten (Versicherung für fremde Rechnung) eine derartige Vollmacht jedoch gerade nicht. Nach dieser Vorschrift (s. auch § 52 ADS) kann der Versicherungsnehmer entweder sein eigenes oder das Interesse eines Dritten und im letzteren Fall mit oder ohne Bezeichnung der Person des Versicherten unter Versicherung bringen. Zutreffend hat das FG auch auf § 74 Abs. 2 VVG hingewiesen. Danach wird - Entsprechendes ergibt sich aus § 783 Abs. 2 HGB - im Zweifel angenommen, daß der Vertragschließende nicht als Vertreter, sondern auch dann im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt, wenn die Versicherung für einen anderen genommen und dieser andere benannt wird.

3. Der Senat kann dies letztlich aber auf sich beruhen lassen, denn Versicherungsnehmer ist - wie die Klägerin unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFHE 73, 628, BStBl III 1961, 494 auch ausführt - die Person, die nach der Police Versicherungsnehmer ist, denn dieser hat die für die Versicherungsteuerpflicht maßgebenden (vgl. oben zu 1.) Prämienzahlungen zu leisten (vgl. § 35 Satz 1 VVG, § 812 Satz 2 HGB). Die Person des Versicherungsnehmers ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag. Dementsprechend hat der BFH im Urteil in BFHE 73, 628, BStBl III 1961, 494 anhand des Vertrages und des Textes des Versicherungsausweises geprüft, zwischen welchen Personen das Versicherungsverhältnis i.S. des § 1 Nr. 1 VersStG, d.h. das Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, zustande gekommen ist. Nicht schlüssig ist der Einwand der Klägerin, aus der Benennung sowohl der Klägerin als auch des jeweiligen Schiffseigners in den Policen folge, daß nicht die Klägerin, sondern nur der jeweilige Schiffseigner Versicherungsnehmer sei, weil die Versicherungen für Rechnung der Schiffseignergesellschaften abgeschlossen worden seien. Denn weder enthalten die Policen Hinweise auf eine Vertretereigenschaft der Klägerin noch schlösse die Benennung des Versicherten aus, daß die Klägerin Versicherungsnehmerin wäre (§ 74 Abs. 1 VVG; § 781 Abs. 1 HGB; § 52 Abs. 2 ADS). Für das Vorbringen im Revisionsschriftsatz, die Klägerin sei lediglich Zahlstelle der Schiffseigner gewesen, ergibt sich nach den Feststellungen des FG kein tatsächlicher Anhaltspunkt. Im übrigen steht der Benennung von zwei Personen als Versicherungsnehmer nichts im Wege; sie sind gemäß § 421 BGB Gesamtschuldner der Prämie und gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG i.V.m. § 44 Abs. 1 der Abgabenordnung Gesamtschuldner der Versicherungsteuer.

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 68

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