Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilnahme an Gemeinschaftsverpflegung bei Klassenfahrt

 

Leitsatz (NV)

Ein Lehrer, der auf einer Klassenfahrt mit den Schülern in einer Jugendherberge wohnt und dort an einer Gemeinschaftsverpflegung teilnimmt, kann den tatsächlichen Mehraufwand für Verpflegung geltend machen, wenn er diesen nachweist oder glaubhaft macht. Ohne Einzelnachweis sind nur 25 v. H. der für Dienstreisen vorgesehenen Pauschbeträge, zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für die Gemeinschaftsverpflegung und gekürzt um die entsprechenden Erstattungen des Arbeitgebers, als Werbungskosten anzuerkennen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der verheiratete Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist von Beruf Hauptschullehrer. In der Zeit vom . . . bis . . . Mai 1985 nahm er an einer Klassenfahrt teil. Er wohnte mit den Schülern in einer Jugendherberge und nahm dort an der Gemeinschaftsverpflegung teil. Im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Jahr 1985 machte der Kläger den durch die Klassenfahrt beruflich veranlaßten Mehraufwand für Verpflegung in Höhe der Dienstreisepauschbeträge (6 x 39 DM = 234 DM) abzüglich der Erstattung des Arbeitgebers in Höhe von 70 DM zum Werbungskostenabzug geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte diesen Werbungskostenabzug unter Hinweis auf die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung. In der Einspruchsentscheidung ging er davon aus, daß ein etwaiger Verpflegungsmehraufwand des Klägers durch die Erstattung des Arbeitgebers abgedeckt sei. Sofern der Kläger bei Ausflügen Lokale aufgesucht habe, um dort zusätzliche Getränke einzunehmen, seien die dadurch entstandenen Kosten der privaten Lebensführung zuzurechnen und gemäß § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abzugsfähig.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage im Verfahren gemäß Art. 3 § 5 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) stattgegeben. Es hat den Sachverhalt nach billigem Ermessen dahin gewürdigt, daß der Kläger den ihm vom Dienstherrn erstatteten Betrag von 70 DM für Unterbringung und Verpflegung in der Jugendherberge entrichtet habe und daß ihm für sonstigen Verpflegungsmehraufwand keine weiteren Beträge erstattet worden seien. Bei diesem Sachverhalt sei eine Ablehnung der Pauschbeträge für Mehrverpflegung nicht gerechtfertigt. Die Dienstreisepauschbeträge seien nur dann nicht anzuwenden, wenn ein Mißverhältnis zwischen dem tatsächlichen Mehraufwand und den Pauschbeträgen offensichtlich sei. Ein solcher Sachverhalt sei aber nicht gegeben.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen; hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen. Zur Begründung trägt es im wesentlichen vor: Der Kläger habe nicht nachgewiesen, daß ihm auf der Klassenfahrt ein höherer Mehraufwand entstanden sei, als ihm die Schulbehörde ersetzt habe. Die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand könne der Kläger nicht beanspruchen, da er an einer Gemeinschaftsverpflegung teilgenommen habe. Bei der Teilnahme an einer Gemeinschaftsverpflegung bestehe die widerlegbare Vermutung, daß die gebotene Gemeinschaftsverpflegung dem Verpflegungsbedürfnis des Steuerpflichtigen Rechnung trage. Daher seien in einem solchen Fall Verpflegungsmehraufwendungen nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen. Da der Kläger trotz wiederholter Aufforderung keine Nachweise über seinen Verpflegungsmehraufwand erbracht habe, sei die Sache spruchreif und die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen. Wenn man dem nicht folge, so sei die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, da das FG den Vortrag in der Klageerwiderung vom . . . übergangen habe, wonach im Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid 1985 zu Unrecht der Abzug von Aufwendungen für einen Badmintonschläger und einer Absetzung für Abnutzung (AfA) auf die Anschaffungskosten eines Computers zum Werbungskostenabzug zugelassen worden sei.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der Senat hat durch Urteil vom 18. Mai 1990 VI R 67/88, BFHE 161, 61, BStBl II 1990, 909 entschieden, daß im Fall der Gestellung einer Gemeinschaftsverpflegung die vollen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen nicht angesetzt werden dürfen. In einem solchen Fall hat der Steuerpflichtige entweder die Möglichkeit, den tatsächlichen Mehraufwand für Verpflegung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen oder aber ohne Einzelnachweis 25 v. H. der vollen Pauschbeträge als Werbungskosten zum Abzug zu bringen. Im letzteren Fall sind diesen gekürzten Pauschbeträgen die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Gemeinschaftsverpflegung hinzuzurechnen und von der sich ergebenden Summe die Erstattungen des Arbeitgebers für die Verpflegung in Abzug zu bringen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Entscheidung.

Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit Feststellungen zur Höhe der abzugsfähigen Verpflegungsmehraufwendungen getroffen werden. Sollte sich daraus für den Kläger ein Werbungskostenabzug ergeben, so wird das FG sich mit dem Vortrag des FA bezüglich im Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid zu Unrecht anerkannter Aufwendungen auseinander zu setzen haben (s. auch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21. November 1986 VI R 137/83, BFHE 148, 469, BStBl II 1987, 262).

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 158

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