Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschalen für Übernachtung und Verpflegungsmehraufwand; unzutreffende Besteuerung

 

Leitsatz (NV)

1. Die in den LStR vorgesehenen Pauschbeträge für Übernachtung können bei einer vom Normaltypus abweichenden Dienstreise (Klassenfahrt) zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen; das Finanzamt ist bei vom Normaltypus abweichenden Dienstreisen zum Zwecke der Prüfung einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung zur Ermittlung der tatsächlich entstandenen Aufwendungen berechtigt.

2. Werden Lehrer und Schüler gemeinsam in einer Jugendherberge verpflegt, liegt eine Gemeinschaftsverpflegung vor, die zur Kürzung der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand berechtigt (vgl. Urteil vom 3. August 1990 VI R 31/88, BFH/NV 1991, 158).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Lehrer. Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1985 Mehraufwendungen für Verpflegung und Übernachtung anläßlich von Klassenfahrten nach Italien und Ungarn in Höhe der für mehrtägige Auslandsdienstreisen geltenden Pauschbeträge abzüglich der Erstattung des Arbeitgebers geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte demgegenüber Mehraufwendungen für Verpflegung von 15 DM täglich und Übernachtungskosten von 40 DM je Übernachtung.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte aus: Die Pauschbeträge nach Abschnitt 25 Abs. 7 der Lohnsteuer-Richtlinien 1984 (LStR) seien im Streitfall in voller Höhe zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien die Pauschbeträge wegen unzutreffender Besteuerung nur dann nicht anzuwenden, wenn nach Berücksichtigung der pauschalen Tages- und Übernachtungsgelder lediglich noch unverhältnismäßig geringe Einkünfte verblieben oder wenn der Steuerpflichtige an einer Gemeinschaftsverpflegung teilnehme. Beides treffe im Streitfall nicht zu. Von einer Gemeinschaftsverpflegung könne nur dann ausgegangen werden, wenn die Mahlzeiten kostenlos oder nahezu kostenlos eingenommen werden könnten. Das Bestehen lediglich verbilligter Eßgelegenheiten rechtfertige ein Abweichen von den Pauschalen nicht (vgl. BFH-Urteile vom 23. April 1982 VI R 30/80, BFHE 135, 515, BStBl II 1982, 500, 501; vom 25. Oktober 1985 VI R 15/81, BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200, 204 f.). Im Streitfall sei der Kläger in einer Jugendherberge und einem Jugendgästehaus untergebracht gewesen und habe die dort üblichen Preise für Verpflegung und Übernachtung zu entrichten gehabt. Er habe also nicht an einer kostenlosen oder nahezu kostenlosen Gemeinschaftsverpflegung teilgenommen, auch wenn die Preise in den aufgesuchten Unterkünften günstig gewesen sein mögen.

Das FA stützt seine Revision auf eine Divergenz zu der Rechtsprechung des BFH und führt aus: Nach dem BFH-Urteil in BFHE 135, 515, BStBl II 1982, 500 führe die Anwendung der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen u. a. bei der Teilnahme an einer Gemeinschaftsverpflegung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. Das FG Baden-Württemberg habe mit Urteil vom 24. Juni 1987 II K 292/84 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 618) entschieden, daß bei einer Selbstbeköstigung von Lehrern und Schülern in einem Schullandheim eine Gemeinschaftsverpflegung im Sinne der BFH-Rechtsprechung vorliege. In diesem Sinne verstehe der BFH seine Rechtsprechung auch selbst; denn er habe in dem Urteil in BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200 ausgeführt, daß von dem Fall einer Gemeinschaftsverpflegung abgesehen die Nichtanwendung der Pauschbeträge nicht auf das Bestehen verbilligter Eßgelegenheiten gestützt werden könne. Im Streitfall sei nach den Feststellungen des FG in der Jugendherberge und in dem Gästehaus eine Gemeinschaftsverpflegung erfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht seine Entscheidung, daß die Anwendung der geltend gemachten Pauschbeträge für Übernachtung und Verpflegungsmehraufwand nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt.

1. Der Senat hat durch im Zeitpunkt der Vorentscheidung noch nicht veröffentlichtes Urteil vom 11. Mai 1990 VI R 140/86 (BFHE 160, 546, BStBl II 1990, 777) entschieden, daß die Anwendung der in den LStR für Auslandsdienstreisen vorgesehenen Pauschbeträge für Übernachtung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen könne, wenn die besondere, vom Normaltypus abweichende Art der Dienstreise (hier: Klassenfahrt) die Annahme nahelege, daß die tatsächlich angefallenen Übernachtungskosten die in den LStR vorgesehenen Pauschbeträge in nicht unbeträchtlichem Umfang unterschritten haben könnten und sich diese Annahme infolge Bekanntwerdens der aufgewendeten Kosten bestätige. Danach dürfen die Finanzbehörden bei vom Normaltypus abweichenden Dienstreisen, etwa wenn Lehrer auf einer Klassenfahrt in ähnlicher Weise wie die Schüler übernachten, weitere Nachforschungen über die Höhe der tatsächlich erwachsenen Kosten anstellen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt der Enscheidung in BFHE 160, 546, BStBl II 1990, 777 Bezug genommen.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG war der Kläger während der Klassenfahrten in einer Jugendherberge und in einem Jugendgästehaus, also in ähnlicher Weise wie seine Schüler, untergebracht. Entgegen der Auffassung des FG kommt es deshalb für die Entscheidung, ob die Anwendung der für Auslandsdienstreisen vorgesehenen Pauschbeträge für Übernachtung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt, auf die Darlegung und ggf. den Nachweis der tatsächlich entstandenen Aufwendungen an. Die Rechtsansicht des FG, daß dem Steuerpflichtigen solche Darlegungs- und Nachweispflichten gerade durch die Pauschbetragsregelung abgenommen werden solle, trifft nicht zu für eine vom Normaltypus einer Dienstreise abweichende Klassenfahrt.

Das FG wird im zweiten Rechtsgang Feststellungen über die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für die Übernachtung nachholen müssen.

2. Der Senat hat durch Urteil vom 3. August 1990 VI R 31/88 (BFH/NV 1991, 158) unter Hinweis auf sein Urteil vom 18. Mai 1990 VI R 67/88 (BFHE 161, 61, BStBl II 1990, 909) entschieden, daß ein Lehrer, der auf einer Klassenfahrt mit den Schülern in einer Jugendherberge wohnt und dort an einer Gemeinschaftsverpflegung teilnimmt, den tatsächlichen Mehraufwand für Verpflegung geltend machen kann, wenn er diesen nachweist oder glaubhaft macht. Ohne Einzelnachweis sind nur 25 v. H. der für Dienstreisen vorgesehenen Pauschbeträge, zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für die Gemeinschaftsverpflegung und gekürzt um die entsprechenden Erstattungen des Arbeitgebers, als Werbungskosten anzuerkennen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf diese Entscheidung.

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen insoweit ausgegangen, als es ohne weitere Sachverhaltsaufklärung angenommen hat, daß die Verpflegung in einer Jugendherberge nicht als Gemeinschaftsverpflegung im Sinne der von ihm zitierten BFH-Rechtsprechung angesehen werden kann. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es Feststellungen darüber treffen kann, ob der Kläger in der Jugendherberge und dem Jugendgästehaus gemeinsam mit den Schülern verpflegt worden ist. Eine gemeinsame Verpflegung mit den Schülern wäre eine Gemeinschaftsverpflegung im Sinne der Rechtsprechung des Senats, die die Finanzbehörden zu einer Kürzung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand nach den oben dargestellten Grundsätzen berechtigt. Sollte die Aufklärung durch das FG ergeben, daß der Kläger in der Jugendherberge oder in dem Jugendgästehaus ein Entgelt in vergleichbarer Höhe wie die Schüler für seine Verpflegung bezahlt hat, so ist dies nach den oben dargestellten Grundsätzen zu berücksichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418081

BFH/NV 1992, 244

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