Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 5 EStG ermitteln und Einkünfte aus einem Betriebe beziehen, der bei der letzten Einheitswertfeststellung wie land- und forstwirtschaftliches Vermögen (ß 57 Abs. 1 Ziff. 2 BewG) bewertet worden ist, sind die Vorschriften des § 74 Abs. 5 DMBG entsprechend anzuwenden.

 

Normenkette

DMBG § 16; DMBG § 74 Abs. 5-6; DMBG § 75 Abs. 3; BewG §§ 28, 33, 56 Abs. 1, § 97/1, § 57 Abs. 1, § 99/1, § 57 Abs. 3, § 99/3

 

Tatbestand

Streitig ist die Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens der Bfin. auf den 1. Januar 1950.

Die Bfin. unterhält als Kapitalgesellschaft einen forstwirtschaftlichen Betrieb von über 2.000 ha. Sie betrieb früher in der Ostzone eine Fabrik, die im Jahre 1946 entschädigungslos enteignet wurde. Danach verblieb ihr in der Hauptsache der forstwirtschaftliche Betrieb. Sie verlegte ihren Sitz von der Ostzone in die Bundesrepublik; Eintragung im Handelsregister erfolgte im Jahre 1947.

Der Wertansatz lautete für den land- und forstwirtschaftlichen Besitz in der DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) auf 1.000.000 DM, in der Vermögensaufstellung zum 21. Juni 1948 auf 730.000 DM (davon Einheitswert 1935 für den forstwirtschaftlichen Betrieb 700.000 DM einschließlich eines Zuschlages von 5 % für Gebäude 35.000 DM). Das Finanzamt vertrat den Standpunkt, der Unterschiedsbetrag von 270.000 DM stelle den Mehrwert gemäß § 16 Abs. 2 DMBG dar und sei zur Vermögensteuer heranzuziehen. Der Forstbesitz der Kapitalgesellschaft gelte gemäß Abschn. 110 Abs. 10 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1949 als Betriebsvermögen. Es sei § 7 des Vermögensbewertungsgesetzes (VBewG) anzuwenden. Dementsprechend ging das Finanzamt bei dem Einheitswertbescheid (Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1950) vom 4. November 1953 von einem Rohvermögen für Betriebsgrundstücke von 1.000.000 DM aus, worin ein Mehrwert von 270.000 DM enthalten war, und kam unter Berücksichtigung von Anlage- und Betriebskapital sowie nach Absetzung der Schulden zu einem Einheitswert des Betriebsvermögens von 1.140.000 DM; davon erfolgte der 35%ige Pauschalabzug der Vermögensabgabe.

Die Bfin. legte wegen der Zurechnung des Mehrwertes von 270.000 DM mit folgender Begründung Einspruch ein: Bei ihr sei nach § 75 Abs. 3 Ziff. 1 DMBG für die Steuern vom Vermögen der auf den letzten Feststellungszeitpunkt festgestellte Einheitswert maßgebend, da sie Einkünfte aus einem Betrieb bezogen habe, der bei der letzten Einheitswertfeststellung als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb bewertet worden sei. Nach § 75 Abs. 3 DMBG und Abschn. 110 VStR 1949 komme ein Zurechnungsbetrag zum Einheitswert beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen nur in Betracht, wenn die Summe der in der DMEB für Gebäude, bewegliches Anlagevermögen und Vorratsvermögen eingestellten Werte die Summe der maßgebenden Werte übersteige. In der Vermögenserklärung 1949 lägen die Werte für Gebäude und Betriebsausstattung jedoch innerhalb der maßgebenden Werte. Der Forstbesitz gelte nicht als Betriebsgrundstück, da ein land- und forstwirtschaftlicher Einheitswert zum 1. Januar 1948 bestanden habe. Es sei § 6 statt § 7 VBewG anzuwenden, die Bewertung nach § 56 Abs. 1 BewG aufzuheben und statt dessen die Bewertung der Betriebsgrundstücke nach § 57 Abs. 3 BewG vorzunehmen.

Der Einspruch blieb unter Hinweis auf § 56 Abs. 1 BewG und § 7 VBewG ohne Erfolg.

Die Bfin. führte im Berufungsverfahren aus, Grundstücke einer Kapitalgesellschaft seien, soweit sie einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bildeten, nach § 57 Abs. 3 BewG wie land- und forstwirtschaftliches Vermögen zu bewerten. Ihr forstwirtschaftlicher Betrieb sei stets als forstwirtschaftliches Vermögen bewertet worden (ß 28 BewG), Gewinnermittlung erfolge nach § 5 EStG, so daß für sie §§ 74 Abs. 6 und 75 Abs. 3 DMBG maßgebend seien. Nur wenn die Summe der Werte für Gebäude, bewegliches Anlagevermögen und Vorratsvermögen in der DMEB 5 % des Einheitswertes des Forstbetriebes, also 5 % von 700.000 DM = 35.000 DM übersteige, sei der übersteigende Betrag für die Steuern vom Vermögen dem zuletzt festgestellten Einheitswert hinzuzurechnen. Die Summe der genannten Werte in der DMEB betrage (35.000 DM + 5.000 DM =) 40.000 DM. Es sei also dem Einheitswert für die Steuern vom Vermögen ein Betrag von 5.000 DM hinzuzurechnen.

Die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der forstwirtschaftliche Betrieb und alle übrigen Besitzposten stellten kraft der Rechtsform der Bfin. Betriebsvermögen dar; sie beziehe nicht Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, sondern aus einem gewerblichen Unternehmen. Der Wertfortschreibungsbescheid vom 4. November 1953 stelle die Art des Vermögens als Betriebsvermögen ausdrücklich heraus und den Einheitswert mit 1.140.000 DM zutreffend fest, ohne daß es eines besonderen Artfortschreibungsbescheides nach § 216 AO bedurft hätte. Die §§ 74, 75 DMBG fänden hier keine Anwendung. Der Hinweis in § 74 Abs. 6 DMBG auf § 28 BewG und die systematische Einteilung des BewG in land- und forstwirtschaftliches Vermögen (ß 28 BewG), Grundvermögen (ß 50 BewG) und in Betriebsvermögen (ß 54 BewG) ergäben die Abstellung auf die Vermögensart. Die Regelung des § 75 Abs. 5 und des § 75 Abs. 3 DMBG stehe nur solchen Steuerpflichtigen zu, deren Vermögen der Art nach zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen bei der letzten Einheitswertfeststellung gerechnet worden sei. Durch § 57 Abs. 3 BewG solle lediglich die verschiedene Bewertung gleichartiger Grundstücke vermieden werden.

Mit der Rb. macht die Bfin. geltend, durch § 74 Abs. 6 DMBG seien auch die Fälle erfaßt, in denen eine Kapitalgesellschaft Eigentümerin eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes sei. § 74 Abs. 5 DMBG betreffe Steuerpflichtige mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 13 EStG und Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (ß 4 Abs. 1 EStG). § 74 Abs. 6 DMBG betreffe Steuerpflichtige mit eingetragener Firma und Einkünften aus einem Betrieb, der bei der letzten Einheitswertfeststellung als (richtiger: wie) land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertet worden sei. Der dort enthaltene Hinweis auf § 28 BewG sei als ein Versehen zu betrachten. Er hätte auf § 57 Abs. 1 Ziff. 2 BewG lauten müssen; denn es gäbe keinen Steuerpflichtigen mit einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 28 BewG, dessen Einkünfte aus diesem Betrieb nach § 5 EStG ermittelt würden. Diese Auffassung werde auch durch Abschn. 110 Abs. 10 VStR 1949 gestützt. Bei anderer Auslegung gäbe § 74 Abs. 6 DMBG keinen Sinn.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Entscheidend ist die Auslegung des § 74 Abs. 6 DMBG, der durch § 7 Nr. 22 des DMBEG vom 28. Dezember 1950 (BGBl 1950 S. 811) neu eingeführt wurde; ebendort auch Neufassungen des § 75 Abs. 2 und 3 DMBG (ß 7 Nrn. 23, 4 a. a. O.). über die Gründe der Gesetzänderung und die damit verfolgten Absichten geben die vor Ergehen des DMBEG veröffentlichten Abhandlungen des damaligen Sachbearbeiters im Bundesfinanzministerium Dr. Uhlich in der Deutschen Steuer-Zeitung (DStZ), Ausgabe A, 1950, S. 296 und S. 351, einen Anhalt. Danach sei erstrebt worden, die Vorschriften des § 74 Abs. 5 DMBG, die für Steuerpflichtige gelten, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 13 EStG beziehen und den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, auf Betriebe mit Buchführung nach dem HGB und Gewinnermittlung nach § 5 EStG auszudehnen, obwohl der land- und forstwirtschaftliche Teil des Vermögens zum gewerblichen Betriebsvermögen gehört. Es ist ausdrücklich unter anderem auf den Fall, in dem die Land- und Forstwirtschaft den einzigen Betriebszweig einer Kapitalgesellschaft bildet, sowie auch z. B. auf ein Landgut einer Konservenfabrik hingewiesen. In einem weiteren, nach Ergehen des DMBEG veröffentlichten Artikel (DStZ, Ausgabe A, 1951 S. 1) weist Uhlich darauf hin, durch die Neueinführung des § 74 Abs. 6 DMBG und durch die Bezugnahme in § 75 Abs. 3 DMBG auf § 74 Abs. 6 hätten die entsprechenden Vorschriften nunmehr auch hinsichtlich der Vermögensbesteuerung für Vollkaufleute Geltung. Entgegen den Ausführungen des Finanzgerichts widerspricht diese vernünftige Auslegung, die wohl überhaupt erst dem § 74 Abs. 6 DMBG einen realen Sinn gibt - denn die Landwirte mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kommen für das DMBG nicht in Frage, und diejenigen mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG fallen unter § 74 Abs. 5 DMBG -, nicht in unüberbrückbarer Weise dem Wortlaut des § 74 Abs. 6 DMBG. Der Hinweis des Finanzgerichts, der Betrieb sei nicht entsprechend dem Gesetzeswortlaute "bei der letzten Einheitswertfeststellung als land- und forstwirtschaftliches Vermögen (ß 28 BewG) bewertet worden", wäre nur bei überspitzter Wortauslegung richtig. Allerdings ist der Hinweis auf § 28 BewG insoweit bei Vollkaufleuten (Kapitalgesellschaften) nicht zutreffend, als bei diesen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als gewerblicher Gewinn gelten, das der Land- und Forstwirtschaft dienende Vermögen Betriebsvermögen ist und nicht bei der letzten Einheitswertfeststellung als land- und forstwirtschaftliches Vermögen im Sinne des § 28 BewG bewertet wurde (ß 56 Abs. 1, § 57 Abs. 1 BewG). Da aber nach § 57 Abs. 3 BewG der zu einem gewerblichen Betrieb gehörige Grundbesitz, soweit er, losgelöst von seiner Zugehörigkeit zu dem gewerblichen Betrieb, einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bilden würde, wie land- und forstwirtschaftliches Vermögen zu bewerten ist, ist die in § 74 Abs. 6 DMBG hervorgehobene Verbindung zu § 28 BewG zumindest mittelbar gegeben. So ist auch bei der Bfin. unstreitig ein gesonderter Einheitswert für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb festgestellt worden, wobei dieser wie land- und forstwirtschaftliches Vermögen nach § 28 BewG bewertet wurde. Alsdann sind aber auch bei Vollkaufleuten (Kapitalgesellschaften) nur die maßgebenden Werte für Gebäude, bewegliches Anlagevermögen und Vorratsvermögen mit den eingestellten Werten zu vergleichen und der insoweit übersteigende Betrag dem zuletzt festgestellten Einheitswert zuzurechnen (ß 75 Abs. 3 DMBG).

Bei dieser Auslegung des Gesetzes finden im vorliegenden Rechtsstreit für eine Zurechnung zum Einheitswert nicht § 16 DMBG, sondern §§ 75 Abs. 3, 74 Abs. 6 DMBG Anwendung.

Zur Durchführung der Wertfortschreibung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1950 unter Berücksichtigung der nach obigen Ausführungen vorzunehmenden Hinzurechnungen und zur Neuveranlagung zur Vermögensteuer erfolgt Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt. Dieses wird dabei noch eine zahlenmäßige überprüfung der fraglichen Beträge, die sich nicht alle eindeutig aus den Akten ergeben, vorzunehmen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410817

BStBl III 1963, 448

BFHE 1964, 353

BFHE 77, 353

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